Schon viel wurde -auch auf dieser Website- über den Anwaltsberuf geschrieben.
Es ist ein Rechtsstreit angelegt in Berlin-Steglitz-Zehlendorf (Doppelbezirk), wo genau, unwichtig. Vor dem Landgericht streiten die Parteien in zweiter Instanz über irgendetwas, das ein Grundstück zur Straße hin einfriedet. Es geht um einen Zaun. Der Familienvater ist in dem Rechtsstreit Antragsgegner. Er hat seinen Sohn bevollmächtigt, für ihn die Schriftsätze einzureichen. Dieser Sohn, so sagt der Rechtsanwalt der Antragsteller aus Berlin-Wilmersdorf, ‚hält noch immer die Fäden in der Hand‘ bezüglich verschiedener Sondereigentume. Der Sohn war auch teilender Eigentümer. Ein geharnischter Vorwurf?
Der Familienvater sei nur ‚formal‚ Eigentümer. Und? Ist er nun Eigentümer oder nicht? Ist es ihm verboten, seinen Sohn zu bitten, Schriftsätze nach (altem) WEG-Recht an das Gericht einzureichen? Woher kommt der ‚Vorwurf‘? Was ist der Sinn eines derartigen Vorwurfs?
Dieser Sohn hat die Zaunanlage errichtet, behauptet der Rechtsanwalt. Auch das stimmt nicht und ist bereits anders vorgetragen worden. Der Kern dieses Verfahrens liegt allerdings auch nicht in der Frage, wer einen Zaun errichtet hat. Es geht um den Abriss eines Zauns, gleich wer ihn da hingestellt hat. Es geht dem Rechtsanwalt um ein ganz bestimmtes Feindbild, um die Zuweisung eines Schwarzen Peters, um die Benennung eines insgesamt Hauptschuldigen. Wegen dessen verwerflichen Gesamttreibens nun ein Prozess geführt werden muss. Er betreibt die Umkehrung des Schuldprinzips. Der Täter (Mandant) wähnt sich als Opfer (eines Zaunbaus) und bezeichnet die Gegenseite als Täter (Zaunerrichter) im Gesamtrahmen eines äußerst verwerflichen Handelns.
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Dass der Sohn/Täter/spiritus rector ‚der bestimmende Faktor auf der Antragsgegnerseite ist, kann er eigentlich kaum leugnen, denn nur er bewohnt und benutzt die anderen Sondereigentume, wie auch er mit seiner Familie die Sondernutzungsrechte ausnutzt.‘ – Bumm, das hat gesessen. Wie nutzt man eigentlich ein Sondernutzungsrecht aus?
Wir merken an:
Anwälte, die nur wenig Substanz zur Sache beitragen können, verrennen sich des Öfteren in Nebenkriegsschauplätzen wie diesen. Es sind lediglich Ausführungen, die eine Partei des Rechtsstreits unterminieren sollen. Im Dickicht gewechselter Schriftsätze müssen nun Richter nach Tatbestand stöbern, sie müssen diesen würdigen, sich eine eigene Meinung bilden, die lustitia, die Göttin der Gerechtigkeit in ihre Waagschalen werfen kann. Eins hat Rechtsanwalt 2.0 wieder vergessen, denn das Rechtsstudium ist schon sehr lange her. Die Göttin des Gerichtswesens trägt eigentlich eine Augenbinde, die Abbildung hier rechts verschweigt diesen Aspekt und macht dem Wunsch des Rechtsanwalts Hoffnung: Es ist zwar nicht anzunehmen, dass dieser Rechtsanwalt vor 1520 bereits studiert hat, dem Jahr, in dem die Augenbinde hinzu kam. Nein, er wird im 20. Jahrhundert studiert haben, er müsste es doch wissen. Mit der Augenbinde soll zum Ausdruck kommen, dass Richter das Recht ohne Ansehen der Person (Augenbinde), nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage (Waage) gesprochen und schließlich mit der nötigen Härte (Richtschwert) durchsetzen.
Weil das allein die Prämissen rechtstaatlicher Rechtsprechung sind, hat es der Rechtsanwalt 2.0 allerdings nun vergebens versucht einzuführen, dass der Sohn/Täter/spiritus rector der allein Hauptschuldige angesichts einer Zaunerrichtung sein soll, die nichts anderes als Schikane darstelle.
Welche Seite überwiegt, zu welcher Seite sich das Pendel hinterher neigt, steht erst am Ende fest. Oder doch schon zwischendrin? Mittenmang den Schriftsätzen? Macht sich der Richter tatsächlich derlei Dünnbrettbohrerei zu Eigen? Kann man jemand vorwerfen, dass er da wohnt, wo Wohnungseigentum entstanden ist? Ja, man kann es: Es trägt nur zur Entscheidungsfindung niemals etwas bei. Es darf gewohnt werden. Allenfalls der entgegen gesetzte Vorwurf könnte stechen: Dass jemand nicht mehr dort wohnt, trägt schon etwas dazu bei, dass der sich nicht auf besondere Erschwernisse berufen darf. So was nennt man eine mangelnde Beschwer. Es war ein Kernanliegen der Väter und Mütter des Gesetzes über das Stockwerkseigentum (15. März 1951). Wohnungseigentümer sollten sich ‚aus breiten Schichten der Bevölkerung‘ zusammen setzen.
Was den Rechtsanwalt antreibt, derartigen Dünnpfiff vorzutragen, entzieht sich einem fachlichen Verständnis. Es sind Denkweisen ihrer Mandantschaft, die sich gut bezahlte Rechtsanwälte coram publico zu Eigen machen. Bezahlte Auftragsschreiberei. Inzwischen geht weiterhin kein Ruck durch Deutschland.
Zuallerletzt sei auf diesen Artikel vom 28.09.2009 nochmals hingewiesen. Und auf das Erfordernis gegenseitiger Höflichkeit.
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Weiterführende Links
Lexetius.de – Synopsen zum Stand des Wohnungseigentumsgesetzes (seit 1951)
Pingback: Rhabarber: Prozesse von Querulanten vor Gericht enden immer: Wir werden alle sterben! Palim, Palim! | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…