Für mich war Ulrich Schamoni in erster Linie Medienunternehmer. Sein menschliches Ende war mir bis dato unbekannt. Jetzt weiß ich: Er starb 1998 an Leukämie und wohnte früher im Haus ohne See mit Garten im Grunewald, am Froschteich, quak! Quak quak. Gestern Nacht schloss ich Freundschaft, u.a. mit seinen Kaulquappen.
Meine Wahrnehmung von Schamoni hat was zu tun mit speziellen Generationen-Blickwinkeln und Erinnerungsclustern. Ich war zu jung, um ihn auch als etwas anderes wahrzunehmen. Beispielsweise als Schauspieler oder Regisseur erfolgreicher Filme. Irgendwie in der Art des Wahlberliners Atze Brauner: Atze B. – nicht genannt: Keule – machte Karriere mit der CCC-Film, lange bevor ich über so tiefsinniges wie die Herkunft von Filmen genau nachdenken wollte.
Jetzt weiß ich viel mehr über Ulrich Schamoni. Was ich erfuhr, geschah zu nachtschlafender Zeit. Ich war nicht ans Bett gefesselt, das wäre wohl vernünftig gewesen. Mich fesselte ein Film, dessen Ausstrahlung in eine so späte Stunde der Nacht sich im Grunde genommen nicht gehört. Was hat sich das ZDF dabei bloß gedacht? Nachts allein vorm Fernseher stirbt sich´s besser. Denn nachts sind alle Katzen grau.
Gott sei Dank, es gibt jetzt Internet. Und Blogs. Und übrigens keine Mediathek zum angesprochenen Film. Mönsch, ey.
…
Abschied von den Fröschen | Deutscher Trailer HD
ABSCHIED VON DEN FRÖSCHEN ist ein Porträt über den 1998 verstorbenen Filmemacher Ulrich Schamoni, das seine Tochter, die renommierte Fotografin Ulrike Schamoni, auf der Grundlage der Filmtagebücher des Vaters realisiert. Schwer an Leukämie erkrankt, filmte Ulrich Schamoni sein Leben, bis auf wenige Tage vor seinem Tod im März 1998. Dabei entstanden 170 Stunden Filmtagebuch auf Mini DV-Material, ungeschnitten und unbearbeitet. Verbunden mit Ausschnitten aus seinem Werk und biografischen Dokumenten, haben Regisseurin Ulrike Schamoni und Cutterin Grete Jentzen daraus eine 92-minütige Dokumentation erstellt, die das Ziel verfolgt, das Vermächtnis eines großen Filmemachers zu bewahren. Sein Abschied ist eine starke, anrührende Chronik, die trotz der Krankheit noch einmal die volle Lebenskraft und Lebenslust des Regisseurs aufzeigt. Drei Spielfilme drehte er in seinem Haus in Berlin-Grunewald, oft war er sein eigener Hauptdarsteller.
(Klappentext zum Filmtrailer, von mir redigiert/eingekürzt)
Der Film (Info hier) hat eine ganz unglaubliche Leichtigkeit, zeigt wirklich nicht den unheimlich angenehmen Abgang Schamonis. Ich weiß jetzt, was Schamoni letzten Sommer getan hat. Seinen letzten. Gut vorstellbar, das viele, die ihn sehen, ihn kaum ertragen, es nicht aushalten, bei der Stange zu bleiben. Doch es lohnt sich. Schamoni lässt in seinem Garten vieles Revue passieren.
Das abgekaute Ohr von Evander Holyfield beispielsweise, das Boxbösewicht Mike Tyson anknabberte. Wie ein Tüte Pringles-Kartoffelchips.
Dass Lady Di in Paris in einem Tunnel starb. Paar Tage starb Mutter Teresa. Alles ist dichtgedrängt in den Erinnerungen. Damals aber war es Gegenwart. Durch das Filmdokument wissen wir, wie wir Schamonis Tod in seinen zeitlichen Kontext einzuordnen haben. Später als die Anschläge auf die New Yorker Twin Towers stattfinden zu „nine eleven“ und viele Jahre später können sich viele noch genau daran erinnern, wie es an diesem Tag war. So zeitliche Wendemarken. Etwa so erinnert Ulrich Schamoni kurz vor seinem Tod im Grunewalder Garten an die Chroniken von Absurdia.
Ich war zu dieser Zeit 1997, als Lady Di im Tunnel starb, tatsächlich in Florida, USA, auf „honeymoon“, frisch verheiratet und bin es auch noch immer. Das Begräbnis in London wurde in den USA live übertragen. So furchtbar langlebig war Lady Di und Prince Charles nette Geschichte nicht gewesen. So fand sie was Wunder ihren Abschluss im Tunnel, doch da war sie schon zu Ende. Am Grab reichten sich die Enkel der Queen in Trauer die Hände. Uralt ist die Erinnerung an die Spencer Davis Group der Sechziger Jahre, die aktuell in Neuruppin und anderswo als Dinosaurier noch auftreten. Kein Wunder, T.Rex ist schon tot, er kam bei einem Autounfall ums Leben. Keep on running, Spencer David Group, so wie beschrieben hier…
Die eingeblendeten, alten Filmmaterialien im Film vom Abschied nehmen von Fröschen machen viel mit jemandem, der Insterburg & Co., Rolf Zacher und andere fotoreal erinnert. Nein, dieser Film wurde viel zu spät gesendet, ist absolut sehenswert und verdient höchste Anerkennung. Leider ist er über die Mediathek nicht abrufbar. Ein schwerer Fehler. Leider.