Leitsatz der Berichterstattung
Sachen gips, die gips ja gar nicht. (Alte, eigene Redensart)
Verursacher & Vorlageberechtigter
Amtsgericht Lichtenberg als Verwalter des Wohnungsgrundbuch-Bezirks in Berlin-Neukölln
Festgestellte Hindernisse
– Das Geburtsdatum der Wohnungseigentümerin Monika Furtwängler (* Name geändert) weicht ab. Während das hinterlegte Versammlungsprotokoll der Verwalterbestellung zur niedrigsten Blattnummer die Unterschriftenbeglaubigung für Monika Furtwängler (*), geborene Schniederpelz (*), geboren am 13.07.1956 enthält, ist in der WEG-Serie (der weiteren, fortlaufend nummerierten Wohnungsgrundbuchblätter zur Blatt Nummer 9897 (* Blattnummer geändert) allerdings nur eine Monika Paravent (* Name geändert), geborene Schniederpelz (siehe oben), geboren am 13.07.1958 grundbuchlich eingetragen.
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Das Grundbuchamt kann daher vier zur Eintragung anhängige Wohnungskaufverträge nicht bearbeiten, weil die zuständige Rechtspflegerin aufgrund der widersprüchlichen Personendaten der Frau Furtwängler beim Akt der Verwalterbestellung die Personenidentität nicht überprüfen kann. Die Einreichung einer notariell beglaubigten Abschrift des Versammlungsprotokolls der Wahlversammlung erfolgte im August 2007 ohne Verzögerung durch den Notar, den die Verwalterin hiermit unverzüglich beauftragt hatte.
Die Verwalterbestellung erfolgte übrigens im Juni 2007, also vor mehr als zwei Jahren.
Weitere Probleme
Was viele nicht wissen. Benötigt ein Erwerber eine Verwalterzustimmung, so ist diese vom amtierenden Verwalter notariell beglaubigt zu erteilen. Der Rechtspfleger, der den Umschreibungsantrag vom Notar eines Kaufvertrages (hier in 2009, diverse) erhält, schaut sich offenbar erst jetzt, in 2009, und nicht im August 2007 (Einreichung des Protokolls) den Verwalternachweis richtig an. Die Recherche muss ziemlich arbeitsaufwendig sein. Oder geht das bereits elektronisch? Hätte der Rechtspfleger bei Hinterlegung des Verwalternachweises gleich richtig geschaut, gäbe es jetzt nicht dieses (ärgerliche) Problem. Die Verwalterin bekommt die Beschwerde der Rechtspflegerin schriftlich von „irgendeinem“ beurkundenden Notar eines Kaufvertrages zugeschickt. Sie soll sich darum kümmern. Als der Brief eintrifft, schütteln sich die Mitarbeiter der Hausverwaltung vor Lachen. Ehrlich, ein bemerkenswerter Vorgang, sehr lustig.
Wir rufen Frau Furtwängler (* die mit dem geänderten Namen) an und erreichen sie auch. Wir fragen nach, nein, wir wollen nicht indiskret sein, aber wann sind sie denn nun geboren? 1956 oder 1958? Sie sagt: 1956. Uns fällt noch das zutreffende Kompliment ein, die Dame wäre auch für 1960 durchgegangen, aber das ist eine andere Geschichte.
Lösungsversuche
Das Grundbuch besitzt „öffentlichen Glauben„. Allerdings nehmen nicht alle Bestandteile eines Grundbuchs an diesem teil. Zum Beispiel sind Größenangaben eines Grundstücks nicht hierin eingeschlossen. Hier genießt nur das Kataster der Gemeinde der Stadt öffentlichen Glauben. Vom Glauben fällt aber das Grundbuchamt ab, wenn die Person eines Wohnungseigentümers nicht mit hinreichender Bestimmtheit konkretisiert werden kann. Also genießt nunmehr das Geburtsdatum der eingetragenen Wohnungseigentümerin Frau Furtwängler öffentlichen Glauben hinsichtlich des (im Übrigen unzutreffenden) Geburtsjahres 1958. Dass Frau Furtwängler aber früher einmal Paravent hieß, obwohl sie eine geborene Schniederpelz ist, das kann immerhin noch recherchiert werden. Im Bereich des Möglichen scheint eine zwischenzeitliche Hochzeit zu sein.
Die Forderungen des Grundbuchamts sind eindeutig:
Aus diesem Grund wird um Herreichen eines Nachweises der Namensänderung der Frau Paravent (auf den Namen Furtwängler) und um Berichtigung des Geburtsjahres gem. § 44a II Beurkundungsgesetz gebeten.“ (Zitat Amtsgericht Lichtenberg, Verfügung vom 20.08.09)
Das Gesetz findet man hier. Die entsprechende Bestimmung des § 44a II findet man hier. Allerdings irrt hier die zuständige Rechtspflegerin in der Annahme, der den Kaufvertrag (in 2009) abwickelnde Notar könne auf dieser Rechtsgrundlage das bereits grundbuchlich eingetragene, falsche Geburtsjahr der Wohnungseigentümerin Furtwängler „von Amts wegen“ berichtigen. Denn der öffentliche Glaube dürfte nun dahin sein. Muss die Rechtspflegerin nun ihrerseits von Amts wegen recherchieren, ob in grauen Vorzeiten bereits ein grundbuchlich veranlasster Eintragungsfehler erfolgte? Oder ist bei Umstellung des Grundbuchs auf das elektronische schlichtweg eine falsche Datenübernahme erfolgt? All dies ist höchst menschlich und liegt nicht im Bereich des Unmöglichen.
Zusammenfassend ist richtig, was der Notar A im August 2007 an das Grundbuchamt schickte. Verwalterin und ihr beauftragter Notar haben richtig „beglaubigt“ und eingereicht. Aufgefallen ist es erst, als Notar B im August 2009 Anträge stellte, die nun zur grundbuchamtlichen Überprüfung gestellt sind.
Lösung
Die Lösung kann daher nur lauten, dass das Grundbuchamt zunächst seine eigene Arbeit in der Vergangenheit überprüft. Sodann muss der grundbuchamtliche Berichtigungsbedarf durch das Grundbuchamt eingeschätzt werden. Hat beispielsweise 1988 ein Notar falsch beurkundet, so hätte der eventuell die oben genannte „Reparaturvollmacht“ aufgrund § 44 II Beurkundungsgesetz. Und wenn der nicht mehr lebt? – Gibt es einen Notariatsverweser? Oder das Grundbuchamt trägt das richtige Geburtsdatum nach persönlicher Vorstellung von Frau Furtwängler und Vorlage ihres Personalausweises zur Vorlage im Geschäftszimmer des Grundbuchamts ein? Soll sich doch das Grundbuchamt einen „klaren Kopp“ machen, und nicht der Verwalter, den an diesem Problem die wenigste Schuld trifft. Aber zweifelsohne gehört dieser Vorgang zu den liebenswerten Kuriositäten unseres beruflichen Alltags.
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Update vom 11.01.2010
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