In Berlin-Spandau sinnieren die Verfahrensbeteiligten über Grundrechten von Wohnungseigentümern

Amtsgericht Spandau (FotoPodcast: mugshooting.de)

Amtsgericht Spandau (FotoPodcast: mugshooting.de)

Beim Amtsgericht Spandau ist eine Klage auf Ungültigkeit von Wohnungseigentümerbeschlüssen anhängig. Inhaltlich geht es darum, dass in der Spandauer WEG seinerzeit die Dachgeschosse in unterschiedlicher Weise ausgebaut wurden, zu Wohnzwecken. Eins wurde nicht ausgebaut. Das alles steht hier nicht im Streit, wenn es auch Streitthema ist. Unfreiwillig. Denn das sind alles Dinge, die müssen einfach recherchiert werden, dann werden die Fakten aufgeschrieben, aufaddiert und es kommen neue Berechnungen zustande. Die Berechnungen bilden ihrerseits die Grundlage für einen Umschaltbeschluss. In Ansatz gebracht wird ab einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Stichtag nicht mehr die alte Wohnfläche oder der entsprechend daran orientierte Miteigentumsanteil. In Ansatz gebracht wird dann die neue Wohnfläche als Verteilungsmaßstab für die Abrechnung von Wohngeldern, ergo auch für Wirtschaftspläne, die die Grundlage für Zahlungen an die Gemeinschaft bilden.

Wo fängt man damit an? Und wo hört man auf, noch intensiv nachzuforschen? Diese Überlegung nennt man das Ermessen der Versammlung. Denn sie entscheidet, wie zu verfahren praktikabel und wirtschaftlich vertretbar ist. Das Ergebnis ist ein Beschluss. In diesem Fall beschloss die WEG folgendes:

Zitat Beschluss 14|03|02| Vorbereitungsbeschluss Im Hinblick auf die beabsichtigte Umstellung des Kostenverteilungsschlüssels hinsichtl. der Betriebs- und Verwaltungskosten auf Wohn- bzw. Heizflächen durch die WEG wird die Verwalterin ermächtigt, den Zutritt zur Wohnung Piepenbrink (* Name geändert) notfalls auch gerichtlich unter Einschaltung eines Rechtsanwalts zu erzwingen, um zusammen mit einer Architektin die zugrunde zu legenden Flächen zu ermitteln.“ (Quelle: Beschlussprotokoll)

***

Ausriss aus einer Wohnflächenberechnung

Ausriss aus einer Wohnflächenberechnung

Dem vorausgegangen war vieles, was hier auszubreiten nicht wichtig ist. Es gab Vorbereitungen und es gab Gelegenheiten. Daran hielt sich Herr Piepenbrink nicht. Er hat alles, was dazu mit den übrigen Wohnungseigentümern verabredet war, auf eigene Kappe und in nicht ganz durchsichtiger Weise initiiert. Lange nachdem Fristen abgelaufen waren, meldete er sich noch mit einem ‚Waschzettel‘ seinerseits bei der Verwalterin und stellte ein Ergebnis seiner eigenen Überprüfungen vor. Das fand die Verwalterin in einem Gespräch unter Zeugen im Büro am Ort der Verwalterin nicht überzeugend oder zumindest erst einmal überprüfungswert. Die Überprüfung eines derartigen Ergebnisses kann jedoch nur vornehmen, wer auch die Berechnungsweise dargelegt bekommt. Es sind Zahlenketten, Multiplikatoren, Beschriftungen, Indexe nachzuvollziehen anhand von Zeichnungen. Das alles will Herr Piepenbrink aber nicht offenlegen. Irgendwann später trifft plötzlich eine Rechnung über 500,- € bei der Verwalterin ein. Herr Piepenbrink hat jetzt einen Sachverständigen beauftragt, die richtige Wohnfläche zu ermitteln, Rechtsgrundlage der Berechnung ist die II. BerechnungsVO (die inzwischen seit 2003 nicht mehr gilt). Die Verwalterin soll die Kosten der Einschaltung übernehmen. Interne Beratungen ergeben, dass hierfür zwar keine Rechtsgrundlage besteht. Man werde ohne Anerkenntnis eines Rechtsanspruchs freiwillig 250,- € zahlen, um ein Verfahren zu vermeiden. Zug um Zug gegen Herausgabe der Berechnungen, die nicht beigefügt waren. Das verweigert Herr Piepenbrink wiederum. Die Sache fängt irgendwie an zu nerven, ganz gehörig.

Da der Einigungsversuch nicht erfolgreich ist, beschließen nun die Wohnungseigentümer auf der Versammlung im vergangenen Juli obiges, nachdem sie zuvor einen Rechtsanwalt gefragt haben. Darüber besteht jetzt der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht. Die Parteien verhandeln mündlich zur Sache. Die Verwalterin erscheint etwas zu spät, weil morgens auf der Avus die Hölle los ist. Alle sind mittendrin im gegenseitigen Redefluss. Ein Wort gibt ein nächstes, und weitere Worte geben ein weiteres. Man unterbricht den anderen auch mal, so ist nun mal das Leben. Holterdiepolter. So ist das auch mit den Argumentationsketten, deren unverbundene Argumentateure blut- und sinnleer aufeinander einreden, genau genommen, um selbst in Ruhe gelassen zu werden. Lose an uns herunter hängen diese Argumente, weil wir unfähig sind, wechselseitige Beziehungen, Verbindungen, Verständnis, Verstehen miteinander gemeinsam aufzubauen. Herr Piepenbrink hat irgendwie das Gefühl, man hätte ihn da ‚auf dem Kieker‘ seitens der Gemeinschaft. Er will partout niemanden in seine Wohnung hereinlassen. Wobei das mit dem Kieker nicht stimmt. Er bildet es sich nur ein. ‚Niemand hat die Absicht, eine Mauer‘ (um Herrn Piepenbrink) zu errichten, aber es kann durchaus sein, dass er selbst eine wünscht, um sich herum, als Schutz gegen zudringliche Verwalter und begehrliche, geifernde Verwaltungsbeiräte, die nach einem Zuviel an Wohnfläche trachten, ausgemacht und nachgemessen genau in seiner Wohnung. Er sagt, das sei keine Wohnfläche da oben.  Nur heute sagt er es nicht deutlich, das verwirrt die Vorsitzende (Richterin), die sich keinen vernünftigen Reim darauf machen kann, was Herr Piepenbrink eigentlich bezweckt.

Wo das Problem sei, fragt das Gericht. Warum muss dieser Streit sein? Es sind eine Vielzahl von Argumenten denkbar, und wenigstens einige davon werden nun (erneut) ausgebreitet: Die anderen Wohnungseigentümer seien nicht so behandelt worden, es gibt(aber)  einen Gleichbehandlungsgrundsatz. Muss man alle gleich gut behandeln? Oder gleich schlecht? Muss man Menschen überhaupt behandeln, die da erkennbar kein Problem machen, wie es Herr Piepenbrink aber doch fühlt? Doch, doch, die anderen sind genauso behandelt worden, sagt die Verwalterin. Nur die haben keine Kinkerlitzchen veranstaltet, wie Herr Piepenbrink. Die grundgesetzlichen Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus den ersten Schriftsätzen der jungen, energiereichen Rechtsanwältin kommen heute hier wohl nicht (mehr) zur Sprache. Sie waren nur vorläufiges Mündungsfeuer in einer  Schlacht der ersten allumfassenden Angriffe? Wirkungslos verpufft? Niemand redet ernstlich drüber. Wenn aber sogar die Grundrechte aus dem Grundgesetz herhalten müssen, weil eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern Wohnflächen ansetzen will, die richtig errechnet sind, wozu dann dieser Rechtsstreit? Ist es nicht selbstverständlich, dass solche Berechnungen richtig sein müssen? Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht kein Grundrecht auf richtige Abrechnungen. Die Frage, welches Quantum Ungerechtigkeit Wohnungseigentümer hinnehmen müssen, wenn es um richtige oder falsche Verteilungsschlüssel geht, ist in der Rechtsprechung oftmals streitgegenständlich. Es gibt Gerichte, die finden 5% Ungerechtigkeit hinnehmbar, und andere meinen, 15% sei noch hinzunehmen, denn Anspruch auf gottgegebene Gerechtigkeit hätten wir erst im Himmel. Sagen so Juristen. Kein Scherz.

Wohnungsnummer

Deutlich wird, es geht inhaltlich kaum um die Sache selbst. Es geht um Gefühle, um Ängste, um eine drohende, lebenslange Benachteiligung von Herrn Piepenbrink, der nun -infolge eines ihn fesselnden Verfahrens mit automatischer Wohnflächenfestlegung durch die selbstherrliche Verwalterin- dazu verdonnert wird, sein restliches Leben lang Wohngeld in einen gierigen Schlund namens Verbandsvermögen zu entrichten. Unumstößlich, unwiederbringlich, zwangsläufig. Der Rechtsanwalt der übrigen Wohnungseigentümer redet der Sache das Zeug. Die Sache ist, es soll die Berechnung von Herrn Piepenbrink kontrolliert werden. Eine Miteigentümerin, Architektin von Beruf, hat die erst beim Gericht eingereichte Wohnflächenberechnung des von Herrn Piepenbrink eingeschalteten Sachverständigen überprüft und kommt -allein aufgrund ihrer eigenen Kontrollrechnungen- zu einer erheblichen Abweichung. Der Grund liegt im erst im Verfahren rudimentär freigelegten Ansatz des Dachgeschosses (die ausgebauten Dachrohling-Räume). Herr Piepenbrink sagt, das sei keine Wohnfläche (aha!), die Architektin/Miteigentümerin ist anderer Meinung, nein, sagen wir so:  Sie hat sich ihre Meinung noch gar nicht bilden können. Denn sie will es erst einmal ansehen.

***

Nachlese: Das Amtsgericht hat den Fall zu entscheiden und heute kann nicht gesagt werden, wohin die Reise rechtlich geht. Fest steht aber, dass es da ein Unzufriedenheitspotential gibt (Herr Piepenbrink), das der Gemeinschaft der übrigen Wohnungseigentümer richtig teuer zu stehen kommen kann. Denn derjenige, der sich nicht ordnungsgemäß verwaltet fühlt (in dieser Frage), der kann die ganze Welt in Frage stellen. Das fängt bei den ausgebauten Dachgeschossen an, knüpft aber schon recht bald an die weitere Frage an, warum nicht auch die übrigen Altbestands-Wohnungen (unterhalb des Dachgeschosses) überprüft werden? Müssten die nicht auch überprüft werden, zumal wenn deren Flächenberechnungen schon damals von einem stadtweit bekannten Immobilienbetrüger vermessen worden seien? Suggeriert nicht immer derjenige, der Wohnungen an Erwerber veräußern will, möglichst große Wohnflächen? So lässt sich aus einem Objekt mit 1.500 m² Real-Wohnfläche vielleicht eines mit 1.600 m² eindrucksmäßig berechnen, und wo die Prüfung eines guten Kaufpreises sich auf m² Wohnfläche bezieht, erliegen dann Käufer der falschen Vorstellung, die Wohnung sei 90 m² groß, in Wirklichkeit seien es aber 87,50 m² und niemandem ist das aufgefallen? Dann kommt die Frage der Parteilichkeit hinzu: Herr Piepenbrink findet auch noch verwerflich, dass die Architektin/Miteigentümerin Frau Nippes (* Name geändert) kostenlos diese Überprüfung vornehme. Sie sei parteilich. Sie habe sich jetzt ‚auch noch‘ in den Verwaltungsbeirat wählen lassen. Ein weitgehende Aussage, die viel Misstrauen innehat gegenüber der ehrenamtlichen, untadeligen Arbeit von gewählten Wohnungseigentümern, die als Verwaltungsbeirat eigentlich eher Fürsprecher richtiger Verwalterei sein dürften. Oder irren wir uns da? Ist ein Verwaltungsbeirat etwa ein monströses, geheimes Unterfangen im täglichen Kampf gegen Einzeleigentümerinteressen? Da spricht einiges dafür, dass das einfach Quatsch ist, so zu denken. Doch der Unzufriedene, ganz gleich aus welchen Gründen er unzufrieden ist, der stellt dann diese Dinge in Frage, nicht in diesem, aber in einem weiteren Gerichtsverfahren, und so werden jahrelang die Wohnungseigentümer in dieser einfachen, offensichtlich leicht nachprüfbaren Angelegenheit zu Menschen, die Abrechnungen und Wohngelder, Wirtschaftsplanbeschlüsse und Kostenverteilungsgerechtigkeit auf Provisorien aufbauen. Sehenden Auges etwas umstellen (Umschaltbeschluss), um schon zu wissen, dass derartiges in hohem Maße gerichtlich überprüft wird, durch mehrere Instanzen. Wird die WEG dann eine jahrelange Abrechnungsstreiterei das erste Mal bekommen in ihrer Geschichte,  und erledigte Abrechnungen werden für ungültig erklärt, nur weil seinerzeit (also heute) die WEG einen kostensparenden, nachvollziehbaren Weg gehen wollte, um zu richtigen Ergebnissen zu gelangen? Es muss weiter intensiv nachgedacht werden, denn der drohende Kollateralschaden muss auf jeden Fall vorausschauend vermieden werden durch umsichtiges, richtiges Handeln.

***

Wenn es also richtig(er) wäre, beispielsweise 10.000,- € in die Hand zu nehmen und eine Gesamt-Neuvermessung der Wohnanlage in Auftrag zu geben, warum nicht? Sagt unser Rechtsanwalt: ‚Man sieht mal wieder, es sind immer die billigen Lösungen, die letztlich am teuersten werden.‘ Das sagt er allerdings hinterher auf dem Parkplatz nur zu uns, und der Gegner durfte da nicht zuhören.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.