Paul singt Schweinskopfsülze (via Youtube)
Sülzen erhalten ihre Festigkeit durch leimgebende Stoffe, die vor allen in den Knochen und Geweben von jungen Tieren, wie Kalb und Schwein, vorhanden sind. Durch langes Auskochen von Kalbs- oder Schweinsfüßen in reichlich Wasser werden diese leimgebenden Stoffe gelöst und geben nach dem völligen Erstarren der Sulzbrühe ihre Festigkeit. Leimstoffe sind gesund und leicht verdaulich.“ (Quelle: Hedwig Maria Stuber – Ich helf dir kochen, Originalausgabe 1955)
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Wigald Boning und Olli Dittrich waren vor längerem unterwegs als von der Restcrew absorbiertes Schlagersprengsel Die Doofen. Ihren Ausgangspunkt nahm ihre Karriere in der von Hugo Egon Balder initiierten Sendereihe Samstag Nacht. Dort erspielten sich die beiden Herren ihre ersten, allerdings wohl beachteten Vorschusslorbeeren für das, was hinterher noch kommen musste. Unausweichlich musste. Allerdings ist bis heute eines unerschütterlich wahr und so allerdings auch noch niemals von irgendeiner Hausverwaltung in Deutschland gesagt worden: Häuser aus Schweinskopfsülze gelten als zu verwaltende Objekte, bzw. Liegenschaften der Kategorie B, also nicht als erstklassig. Als brancheninterne Plaudertausche geben wir dieses Wissen damit heute weltweit zum ersten Mal einer interessierten Öffentlichkeit preis.
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Mag sein, dass Hausverwalter auch so was gern verwalten würden, aber nicht auszudenken, wie die Mangeleinreden der Hausbewohner gerade auch bei heißem Wetter regelrecht explodieren würden. Fenster aus Aspik, Wände aus Pökelfleisch, all das erscheint uns aus einer nüchtern verwalterischen Sicht als (zu) mangelanfällig. Nicht auszudenken, wie die verwendeten Baumaterialien je nach Wetterlage ihren Aggregatszustand verändern!
Im Liedtext allerdings ist die Schweinskopfsülze Synonym für ein typisches Problem von Männern: Was schenke ich der Liebsten zum Geburtstag? Dass Boning und Dittrich dabei die Phantasie spielen lassen, ist in Ordnung. Schon ihr Outfit war früher einfallsreich und teils kongenial. Als Mikrofon diente Boning eine handelsübliche Geschirrbürste, der Anzug, den Boning trug, war oft ein echter Hingucker. Auch die von den beiden ersonnenen Sendereihe Zwei Stühle, eine Meinung (Bleiben Sie dran, ich pfeif auf sie) hat manchem Hausverwalter das Leben zumindest gedanklich versüßt. Wer hätte nicht gern mal auf diese Weise seine Meinung gesagt?
Dittrich tut es noch heute. Als Dittsche ist er vielen Menschen ein Begriff und genießt trotz später Sendezeit erhebliche Zuschauer- bzw. Fanzahlen. Nur als Schlagzeuger von Texas Lightning ist Dittsche alias „Ringofire“ derzeit nicht so oft zu hören. Boning ist älter und gesetzter geworden, und was er aktuell macht, ist jedenfalls nicht mehr so omnipräsent wie früher, sondern bedarf richtiger Recherchen. Die Musik von Wigald Boning ist richtiggehender Jazz (myspace-Profil Boning) geworden, und man vermutet, das ist das Pläsierchen dieses Herrn seit Menschengedenken. Esther Schweins und Stefan Jürgens haben ins ernsthafte Charakterfach gewechselt und Mirko Nontschew darf heute in „Die sieben Zwerge“ (Produzent u.a.: Otto) mitspielen und gelegentlich bei Lafer, Lichter – lecker mit kochen und -blödeln. Fürs eigene Renommee sind die verblassten Samstag Nacht-Zeiten ehrwürdige ewige Jagdgründe, auf die sich sämtliche Ehemaligen vermutlich noch gern berufen.
Die Bedeutung von Schweinskopfsülze als wichtigem Eckpfeiler deutscher Ernährung hat mit den Jahren eher ab- als zugenommen. Das glasige, schwabbelige Etwas mit einem säuerlichen Geruch steht auf dem Wunschzettel der nachwachsenden, jungen Menschen eher weiter unten. Die Heranwachsenden fühlen und denken da bereits ähnlich, wie einstmals der Agent 007, James Bond, der mit der Lizenz zu töten in Indien unterwegs gewesene Agent namens Roger Moore. Bekanntlich ist Bond Gourmet, Bonvivant und lässt nichts Neues aus, außer Hammelkopf und -besonders deliziös- Hammelaugen, die der böse Herrscher Kamal Khan ihm zu probieren empfiehlt. Da beweist Bond Stilsicherheit und Geschmack: er lehnt dankend ab. Getreu dem Motto: ‚Du musst nicht alles gegessen haben in einem reichlichen Menschenleben.‘ Wenn er’s auch, was den Verzehr von Frauen angeht, genau anders rum zu halten scheint, der Feinschmecker.
James Bond – Octopussy (1983) – Trailer
Vieles kann man den deutschen Hausverwaltern vorwerfen, und doch erscheint es einem ungerecht. Bereits 1955 forderte die Buchautorin Hedwig Maria Stuber in ihrem wertvollen Ratgeber „Ich helf dir kochen“ in allgemein gültiger Weise zu wirtschaftlicher Planung, überlegtem Vorausblick und übersichtlicher Haushaltsbuchführung auf. Dass dieser Ratgeber indes für Hausfrauen und nicht für Hausverwalter geschrieben wurde, ist zwischen den Zeilen kaum zu erkennen. Der Blick auf Seite 14 des Kochbuchs unter der Überschrift Erst überlegen – dann einkaufen macht deutlich, dass sich das Werk gleichsam als berufliches Bildungsgrundwerk auch für die Verwalterschaft Deutschlands ausnehmen könnte und sich im Vergleich zu wichtiger Fachliteratur aus der Wohnungswirtschaftsakademie, etwa in Bochum, nicht zu verstecken braucht. Klickst du…?
Viele Gerichte ‚aus Kopf‘ sind regelrecht aus der Mode gekommen. Rinderhirn gilt als BSE-anfällig und ansteckungsgefährlich, ganze Schweinsköpfe werden (in Deutschland) verschmäht und auch Sülze vom Kopf gilt nicht mehr als schick. ‚Sülze vom Kopf‘, das ist eher eine Metapher für das, was uns der ungeliebte Nachbar an den Kopf wirft, wenn wir mit oder gegen ihn streiten und zu Felde ziehen. ‚Sülze kann man sagen‘ (besser: Gesülze), aber nicht essen, wie der hier bereits schon zitierte Baron von Laber zu Sülz: er ist der Sülzkopf par exellence und steht als Stellvertreter vor den deutschen Gerichten, um mit Gesülze das Verfahrensthema vortrefflich zu verfehlen! Oder: Sich wie Schweinskopfsülze verhalten und Ton, Steine, Scherben auf einer Dachterrasse hören, es ist eine Art Kulturpotpourri der wildesten Art. Den Scherben ihre kulturelle Identität zu rauben und sie als perfide Belästigungsstrategie zu verquirlen: So viel wenig Rücksichtnahme auf das ehrende Andenken an König Rio, den Ersten, schmerzt jeden Kulturbeflissenen. Merke: ein jeder Schweinskopf (manchmal auch als der Sausack bezeichnet) hat nicht denselben soziokulturellen Background, um vortreffliche, revolutionäre Musik wie die der Scherben in zutreffender Weise zu interpretieren. Den Scherben ging es um Freiheit, das Gegenteil von Fleisch- und Gemüsestückchen in Aspik. So verfemt und so abgeschmackt ist inzwischen Schweinskopfsülze, dass Youtube auf der Suche nach dem Videooriginal von DIE DOOFEN im Auftrag von Sony Europe folgendes meldet und damit an den pittoresken Kulturstreit zwischen google/youtube und der Verwertungsrechtsinhaber erinnert:
Dieses Video enthält Content von Sony Music Entertainment. Es ist in deinem Land nicht mehr verfügbar. (prüfe das hier)
Sony tut gut daran, die Verfügbarkeit von Schweinskopfsülze in Deutschland nicht mehr zu fördern und als geschäftsschädigende Corporate-Identy-Killer zu begreifen. Glückwunsch für diese Weitsicht, Sony.
Die Doofen – Jesus (Samstag Nacht) via Youtube
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Weiterführend
- Whow: Schweinskopf bei stupidpedia.org
- Tipp: Kultkochbuch „Ich helf dir kochen“ (1955, erschienen als Reprint)
- Interessant: Schweinskopfsülze in der Literatur (Suchanfrage bei google-books)
- Lecker: Auf Kuba gibt’s zu Weihnachten Schweinskopf (Auslandsbericht von Elke Pohl auf mugshooting.de)
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