Schuldner ist selbst verantwortlich für den geschmälerten Verkehrswert seiner Wohnung

Diese Sache ist heiss!

Klassisches Eigentor
Klassisches Eigentor

Zwangsvollstreckung ist eine schwierige Königsdisziplin, die vor allem Schuldner oft selbst nicht richtig beherrschen. Zu diesem Eindruck gelangt, wer sich einen Verkehrswertbeschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg sorgfältig durchliest. Ohne zu sehr in die Einzelheiten einzusteigen. Der Verkehrswert einer 100 m² großen Wohnung in Kreuzberg wurde vom Amtsgericht auf den Wert von 43.200,- EUR festgesetzt. Das klingt erst einmal recht wenig. Finden wir auch.

Die Begründung des Amtsgerichts lässt allerdings erkennen, dass dafür triftige Gründe ausschlaggebend sind, die der Schuldner selbst herbeigeführt haben soll. Gegen die durch den Sachverständigen getroffene Feststellung eines geringen Werts von 43.200,- EUR hatte sich der Schuldner mit zwei Beschwerdeschriften schriftlich eingelassen. Wohl in dem Glauben, er könne das Gericht von einem erheblich höheren Wert überzeugen. Das Gericht wies diese Gründe jedoch zurück. Im Einzelnen:

Der Verkehrswert einer Wohnung sei nicht zu errechnen, sondern könne nur geschätzt werden in freier Anlehnung an verschiedene Verfahrensarten und äußere Umstände, der Vorgang der Einschätzung sei subjektiv und dennoch käme es hier zu gerechtfertigten Abweichungen durch den Gutachter. Auf den ermittelten Verkehrswert ist ein Abschlag von 25% vorgenommen worden. Dieser begründe sich durch „eine unklare Vermietungssituation“ und „fiktiven Kosten für eine Wohnungsinstandsetzung“. Der Schuldner steht unter Zwangsverwaltung. Auch mit dem Zwangsverwalter befindet er sich im Rechtsstreit bezüglich der Zahlung von Mietrückständen und der Räumung der Wohnung. Das Ende dieses Verfahrens ist derzeit nicht abzusehen. Der Schuldner selbst ist (noch) Geschäftsführer der Firma Xy GmbH (* Name geändert), gegen die der Rechtsstreit geführt wird. Der Schuldner, bzw. die von ihm selbst vertretene Mieterin ist somit wesentlich mitverantwortlich für die vorliegende, schwierige Mietsituation. Das Amtsgericht wörtlich: „Ein Mieter, der kein Nutzungsentgelt zahlt, gegen den ein unter Umständen langwieriges Räumungsverfahren betrieben werden muss, schmälert nach Auffassung des Gerichts den Wert einer Wohnung als Renditeobjekt.“ 

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Rechtliches

Dass der Sachverständige einen Wertabschlag für Wohnungsinstandsetzung vorgenommen hat, ist dadurch begründet, dass der Schuldner die Innenbesichtigung der Räumlichkeiten verweigerte, bzw. vereitelte. Zwar sei eine Innenbesichtigung nicht zwingend erforderlich, was in der Praxis in derartigen Verfahren häufig vorkäme, so dass die Bewertung nach Aktenlage zu erfolgen habe. Wörtlich: „Der Eigentümer bzw. Mieter, der eine Innenbesichtigung nicht gewährleistet, schmälert demzufolge den Wert seiner Wohnung selbst.“

Fassen wir daher noch einmal zusammen: Was auch immer einen Schuldner dazu bewegt, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um wirksame Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vereiteln, ist am Ende derartiger Verfahren zu bewerten. Eine Bauernregel sagt dazu sinngemäß: ‚Die Enten sind am Ende fett.‘ Zwar mögen einzelne Schachzüge einer ‚incentiven‘ Vermietung an eine GmbH, einer Verweigerung des Zutritts durch den Sachverständigen, eines Rechtsmittels gegen die Räumung der Wohnung durch den Schuldner kurzfristig sogar erfolgversprechende Maßnahmen sein, doch ob diese auch langfristig Bestand haben und als erfolgreiche anzusehen sind, ist eine ganze andere Frage. Ein Verkehrswertbeschluss wie dieser jedenfalls weckt Assoziationen an König Fußball. Möglicherweise lag hier ein klassisches Eigentor vor?