Verwaltungsunterlagen herauszuvollstrecken, das ist das eine. Sie dann aus den Fängen der Justiz loszueisen das andere. Beides ist mit gewissen Rücksichtnahmen auf die Besonderheiten der Berliner Justiz zu handhaben. Zu berücksichtigen sind lange Bearbeitungszeiten.
Die Gerichtsvollzieherin sitzt in Tegel auf ihrem Amtssitz. Seit Mai 2013 hat sie 2 Ordner Verwaltungsunterlagen bei sich stehen. Sie gehören zu den Unterlagen einer WEG in Berlin-Wilmersdorf am Kudamm und werden für die Erstellung der Vorjahresabrechnung benötigt. Die alte Verwalterin hat sie ohne gerichtlichen Zwang nicht herausgegeben. Mit gerichtlichem Zwang nun schon. Doch sie finden den Weg zum Endberechtigten, dem neuen Verwalter, nicht.
Weil Gerichtsvollzieher einfach keine netten Menschen sind. Sondern Kotzbrocken.
…
Natürlich haben sie immer Recht. In ihrer kleinen Welt der Drucksachen gibt es präzise Nummern, ohne die nichts läuft. Die Drucksachen-Nummer?
Es ist ja auch so viel Arbeit.
Sie haben Dienstzimmer irgendwo angemietet in irgendwelchen Immobilien, die sie Dienstsitze nennen. Ihre Sprechzeiten sind kryptisch und für andere Menschen grundsätzlich nicht „händelbar“. Man findet Zeit zu sprechen mit ihnen nur, indem man ungefähr eine „Arbeitswoche“ hindurch sorgfältig meditiert und sich vollkonzentriert auf die Dienstbeflissenen Dienstzeiten der Herren und Damen Gerichtsvollzieher einschwingt. Übliche Dienstsprechzeiten gehen z.B. so:
Dienstag 14-15:30 Uhr. Donnerstag 9-10 Uhr.
Warum nicht gleich Freitag 8-8:23 Uhr und Sonntag 6:00 bis 6:12 Uhr? Dann ruft wenigstens keiner an. In puncto „Kundenfreundlichkeit“ ist natürlich auch ein Anrufbeantworter nicht vonnöten. „Da würde ich zu gar nichts anderem mehr kommen“, wenden Gerichtsvollzieher gern ein. Ihre Jobs werden über eine Gerichtsvollzieherverteilungsstelle beim zuständigen Amtsgericht verteilt. Damit auch alle genug zu tun haben.
Über ihre Erfolgsquoten muss man nicht viel wissen. Hauptsächlich, dass sie so und so viele Drucksachen pro Jahr bearbeiten und ab und zu eine mit Erfolg. Ansonsten haben sie es mit verschwundenen Schuldnern zu tun und manchmal auch mit seriösen Menschen.
Sie haben gern ein Dienstfax. Weil das so schön alt ist. Wie früher.
Praxistipp: Fange nie an, mit einem Gerichtsvollzieher über artverwandte Begriffe wie „Kundennähe“, „Servicefreundlichkeit“ und „gute Kommunikation“ zu diskutieren. Gerichtsvollzieher sind ganz überwiegend unfähig, ihren Beruf und ihre Außenwirkung selbstkritisch zu reflektieren.
Modernere haben eine Emailadresse auf ihrem Briefbogen zu stehen. Allerdings stimmt die dann nicht mehr. Sie nennt sich ogv(Rest weg, Datenschutz)@arcor.de. Ich sage zu ihr: „Ihre Emailadresse stimmt nicht mehr, das ist zurückgekommen.“ Ich insistiere nochmals, schließlich sagt sie: „Ja, Email habe ich abgeschafft.“ Und ich: „Ach!“
Ich sage: „Freitag hole ich die Ordner ab.“ Sie sagt: „Nö. Freitag schon mal gar nicht.“ Sie fahre jetzt in Urlaub, ab Montag. Dann wieder ab 25.ten.
Schließlich finden wir endlich einen Modus Vivendi: Ich beauftrage einfach jemanden, der die Unterlagen abholt. „Sie können mir das auch zufaxen.“ Ich sage: „Nein, Fax ist abgeschafft.“ Sie will keine Emails mehr. „Dann per Post.“ Das dauert zu lange. Wenn ich jetzt elektronisch eine Vollmacht schicke an den Berechtigten und der sie sich schwarzweiß ausdruckt, erkennt sie das dann an? Sie sagt: „Na, dann wollen wir mal nicht überformell sein.“ Und ich: „Na ja.“
Das kennen wir doch von diesen Amtstypen zu genüge. Irgendwas ist immer, warum gerade nicht gearbeitet werden darf. Schließlich sagt sie irgendwann: „Nu kommen wir doch mal zum Punkt.“ Der Punkt ist meinerseits jedenfalls folgender: Dieser ganze umständliche Bohei, um eine Kleinstleistung, die Aktenherausgabe von zwei Ordnern zu bewerkstelligen, geht mir gehörig auf den Docht.
Ich bin von solchen herrlichen Amtstätern gehörig genervt, mache mir lauter unnütze Gedanken, wie ich es wohl schaffen würde, eine nützliche Leistung von denen zu bekommen. Etwas das mir zusteht. Von Amts wegen.
Sie hat auf ihrem Briefbogen nicht einmal einen Vornamen. Ihr Kürzel ist „I.“ für den Vornamen, ich suche mir aus, ob ich sie „Inge“, „Ingrid“ oder „Isegrim“ nennen will. Isegrim? Ja, gar kein schlechter Gedanke. Isegrim das hat eine Bedeutung.
Allein dieser Gedanke rettet mir meinen Tag. Ja. Das passt. Nun schnell noch die Vollmacht für den Herausgabeberechtigten und gut. Hoffentlich habe ich mit dieser Frau nie wieder zu tun. Denn sie allein entschied ja, was der eigentliche Punkt ist, in unserem Kontakt. Womit sie zweifelsohne irrte.
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