Die Versammlung, die noch kurz vor Weihnachten einzuberufen war, hat gewichtige Gründe:
Die Versammlung soll über zwei (neue) Abrechnungen für die Jahre 1999 (!!) und 2000 (!!) entscheiden. Nach zehn Jahren mit Prozessen gibt es jetzt die siebente Fassung (!!) der Abrechnung(en). So schreibt es einer der Wohnungseigentümer mit rotem Kugelschreiber auf seine Tischvorlage. Die darüber prozessierten, taten es mehrfach und immer wieder. gesichtspunkte.de hat darüber u.a. hier berichtet.
Als einer der Wohnungseigentümer einmal sagte, ihm kämen die Versammlungen seiner WEG zunehmend vor wie Muppet-Shows, hat sich dieser Eindruck im Gehirn der Verwalterin eingebrannt. Dieser Vergleich, er wurde nie vergessen. Heute Abend wieder Muppet-Show?
Als nun die heutige Versammlung eröffnet wird, hat niemand hinsichtlich der Tagesordnung Bedenken. Die (siebente) Fassung von zwei Jahresabrechnungen wird unter TOP 02 richtig zur Abhandlung kommen. Unter TOP 03 erfolgt noch der Abwahlantrag gegen die derzeitige Verwalterin: Abwahl aus wichtigem Grunde. Was dann noch an weiteren Tagesordnungspunkten folgt, ist dagegen Geplänkel.
***
Zur Jahresabrechnung 1999 meldet sich Prof. Zehsenick (* Name geändert) zu Wort. Er hat sich eine Handkladde handschriftlich aufgestellt. Er sucht sich Zahlen raus, die er angekreuzt hat und nun spricht der von verschiedenen Subtraktionen und Additionen. Er sagt, Einnahmen und Ausgaben voneinander abgezogen, das ergibt zwei verschiedene Ergebnisse. Die Verwalterin versteht die Ausführungen zunächst nicht. Später stellt sich heraus, er hat die falschen Zahlen herbeigezogen. Das wird erst möglich, als sich der Versammlungsleiter persönlich Einblick in die Unterlagen geben lässt, die Prof. Zehsenick sich genommen hat. Kurze Zeit später steht fest: es ist nicht sinnvoll, jede erhältliche Zahl miteinander aufzurechnen. Wichtiger ist es, die richtigen Zahlen zusammen zu rechnen. Oder sie auseinander zu dröseln.
Herr Prof. Margel (* Name geändert) ist der eigentliche Schriftführer und intellektuell die Führungspersönlichkeit einer kleinen Gruppe von vier, manchmal fünf Eigentümern in dieser WEG, die sich vorgenommen hat, gegen jedes „obrigkeitsstaatliche, gutsherrenartige“ Handeln eventueller Verwalter (und Verwaltungsbeiräten) zu jeder Zeit beherzt einzuschreiten. Aber heute verrennt sich die Diskussion um Abrechnungen von 10 Jahre zurückliegenden Wirtschaftsjahren in eine Art erkennbaren Selbstzweck. Es geht mehr darum, Recht zu haben und darauf zu beharren, als überfällige Abrechnungen zu genehmigen.
Prof. Margel stellt sich die Behandlung von Jahresabrechnungen stets zweistufig vor. Zunächst gibt es eine Gesamtabrechnung, in der die Einnahmen und Ausgaben zunächst richtig kontiert und zugeordnet ausgedruckt vorliegen. Sodann tritt die Versammlung zusammen und spricht hinsichtl. der Zuordnung dieser Zahlen eine Billigung aus. Oder andererseits das Missfallen mit einer bereits vorgenommenen Kontierung. Die WEG beschließt, den einen Betrag so zu belassen, während sie den anderen Betrag per Beschluss umbucht und daher anders zuordnet.
Dann geht die Verwalterin nach Hause. Sie liest das alles nochmal durch und führt nun die Einzelabrechnungen durch, erst nachdem sie die beherzten Umbuchungen vorgenommen hat. Dann findet eine zweite Versammlung statt und die beschließt nun die unstreitige Gesamtabrechnung in Einzelabrechnung zu verteilen. Dass dies regelmäßig zwei Versammlungen erfordert, findet Prof. Margel unproblematisch. Die Diskussion führt hier nicht weiter, allerdings erwächst aus dem soeben Geschilderten, dass die Verwalterin einfach der Genehmigung der Jahresabrechnung einen weiteren, gesonderten Beschluss vorausgehen lässt. Sie findet, die Gemeinschaft möge zunächst beschließen, dass die Summe von 66.805,93 € (* Betrag geändert) für größere Instandhaltungen gebilligt wird. Umbuchungsanträge werden von niemandem gestellt. Dies wird so beschlossen. Nachdem die Verwalterin sicherheitshalber noch einmal zurückfragt, ob eventuell eine andere Kostenposition oder Einzelbuchung auf anderen Konten der Jahresabrechnung von jemand angegriffen werde, erfolgt seitens der Versammlungsteilnehmer keine Beanstandung. Dies wird die Verwalterin sicherheitshalber ausdrücklich dem Beschluss über die Jahresabrechnung im Protokoll voranstellen. Wem’s nützt, das ist eine ganz andere Frage. Eine gerichtliche Anfechtung ist hiermit keineswegs verhindert.
Nachdem dies alles klar ist, ist auch die Abrechnung 2000 relativ schnell verabschiedet. Auch die beiden soeben beschlossenen Jahresabrechnungen könnten durchaus erneut, und damit dann das dritte Mal vor Gerichten angefochten werden und solche Prozesse würden wieder Jahre dauern. Interessant aber ist: Mag auch körperlich dasselbe Abrechnungssystem vor einem gerichtlichen Spruchkörper ausgeweidet werden, es ist keineswegs sicher, dass die gerichtlichen Entscheidungen dazu homogen ergehen werden. Es baut nicht die Kammer auf die beiden Vorentscheidungen auf, sondern jeder (neue) Richter wird eine andere Brille tragen. Vor Gericht, das sagen auch die Richter selbst, sieht man, auf welchem verfahrensökonomischen Weg sich Jahresabrechnung aufheben oder bestätigen lassen. Es gilt der Grundsatz, dass die am einfachsten erreichbare Argumentation genommen wird. Das führt regelmäßig dazu, dass die inhaltlich sehr konkret vorgetragenen Rügen und Probleme der Realität kaum zur Erledigung durch richterliche Klärung kommen. Sie versacken in einer eigenen Vorstellungswelt bei Gericht. So sagt beispielsweise das zuerst angerufene Gericht, die Wasserkosten der Wohnanlage dürften hier nicht verbrauchsabhängig umgelegt werden, wie es allerdings geschehen ist. Drei Jahre später sagt ein anderer Richter derselben Kammer, nachdem die zweite Fassung derselben Jahresabrechnung erneut angefochten wurde, das mit der verbrauchsabhängigen Umlage der Wasserkosten sei aber entgegen der Ansicht der ersten Kammer kein Problem und könne unproblematisch erfolgen. Shit happens.
Unter TOP 03 wird nun über die sofortige Abberufung der Verwalterin (aus wichtigem Grund) beraten. Der Antrag wird später glatt abgelehnt.
Auffällig: Jetzt erst steht eine der älteren Wohnungseigentümerinnen auf und verlässt den Raum. Sie erteilt Vollmacht an den Vorsitzenden des Beirats. Auf dem Hof spricht sie den Verwalter an, sagt, sie hätte gehen müssen. Sie habe keine Luft mehr bekommen. Sie kann es nicht ertragen, sagt sie. Fünf Minuten später verlässt auch eine weitere Eigentümerin die Beratung. Auch sie hat dem Vorsitzenden des Beirats Vollmacht erteilt. Sie weint. Es ist nicht auszuhalten, sagt sie, jetzt haben wir auch über Religion und Kirche gesprochen. Eine der giftig argumentierenden Wohnungseigentümerinnen sei gefragt worden, sie gehe doch auch immer regelmäßig in die Kirche und wie sie das jetzt mit ihren ständigen Giftpfeilen und Ausfällen ggü. dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats in Einklang brächte, der Mitglied derselben Kirchengemeinde sei?
Auf diese Frage kam keine Antwort.
Pingback: 1049/10: Positionen: Heinz Eggert glaubt an Weihnachtswunder und erinnert sich an den 09.01.1984 | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…