Eine (werdende) Wohnungseigentümerin kennt die Wohnanlage schon ganz lange. Neulich war sie schon auf einer Versammlung, hat gesehen, wie es dort abläuft. Nun kommt ihr die Idee, sie möchte eine solche Versammlung einmal videotechnisch insgesamt aufzeichnen. Das dürfte zwar rechtlich unzulässig sein, wenn nicht sämtliche Wohnungseigentümer, und zwar ohne eine Ausnahme, dem auch zustimmen. Aber es dient einem interessanten Ziel
Das Video davon kann man sich später ansehen. Man kann es auswerten. Gruppendynamische Prozesse sichtbar machen. Wir kennen derartiges bereits aufgrund unserer Mobilfunkverträge. Eingangs unseres Anrufs erfolgt eine computerbasierte Aufklärung: ‚Wir zeichnen unsere Telefonate zu Übungs- bzw. Trainingszwecken audiotechnisch auf. Sollten Sie etwas dagegen haben, sagen Sie das bitte am Anfang Ihres Telefonats mit uns.‘ Diesem Vorhaben haben wir als Mobilfunkkunde stets zugestimmt. Wir hoffen nämlich, dass die nachträgliche Auswertung von derlei Telefonaten, die beschwerdeführend erfolgten, dem Ziel dient, die Qualität der angebotenen Dienstleistungen selbstkritisch zu reflektieren und ergo auch zu verbessern. Dass aber eine Wohnungseigentümerin nun den Antrag stellen möchte, ‚videotische‘ Aufzeichnungen herzustellen, hat folgenden Hintergrund.
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Es geht in den Eigentümerversammlungen oftmals hoch her. Es ist ein Hauen & Stechen, ein Ringen um die (richtigen) Worte, um Klarstellung und Ausräumung von Mistverständnissen. Es ist emotional, es sind ‚uralte Verletzungen‘ da, zwischenmenschlich, es soll früher auch amouröse Affären gegeben haben. Nun sprechen manche Menschen nicht mehr miteinander. Und auf Eigentümerversammlungen entladen sich diffuse Aggressionswellen, gegen die der oder die Wortführende anzukämpfen hat. Die Verwalterin hat die Sitzungsleitung inne. Sie ist auch eine Art Medium für die transzendenten Strömungen innerhalb der Gemeinschaft. Im Rahmen von Forschungsarbeit einer Universität wäre wohl das Unterfangen, Wohnungseigentümerversammlungen wie diese aufzuzeichnen und alsdann mit den Teilnehmern unter sachkundiger Führung aufzuarbeiten, hochgradig interessant. Allerdings kann auch als sicher gelten, dass gerade diejenigen ihre Zustimmung verweigern, die oft und gern ausfallend werden oder unsachlicher, als es unbedingt geboten wäre. Insofern wird die Frau zwar wohl diesen Antrag einmal stellen, und insofern zum Nachdenken über den Umgang miteinander aufrufen, aber eine genehmigende Handhabung durch die Gemeinschaft ist nicht zu erwarten. Trotz alledem: die Idee ist saugut.