Report: Das Leben der anderen – Neulich im Tennisclub (Berlin ist ein Dorf)

Das Leben der anderen...

Unterhalten sich drei im Tennisclub, egal in welchem. ‚Mensch,‘ sagt der eine, ‚der war doch eigentlich immer ein ganz patenter Mann.‘ Sie reden über einen, der nur noch äußerst selten kommt, eigentlich fast gar nicht mehr. ‚Richtig‘, sagt der andere, ‚aber es ist auch schon eine Ewigkeit her. Der soll starke Gesundheitsprobleme inzwischen haben.‘ Der dritte Mann wendet ein: ‚Nein, nein, der ist eigentlich äußerst agil, ich würde sagen, ein rüstiger Rentner.‘ ‚Bist Du sicher?‘, fragt Mann Numero Zwo zurück. ‚100%-ig sicher‘, sagt Mann Numero Drei. Er ist Arzt und kann sich die Mitgliedschaft in einem exklusiven Tennisclub problemlos leisten. Er sagt, er hört da schon seit Jahren immer wieder was aus der Nachbarschaft, da gibt es ein Hauen und Stechen. ‚Wer hätte das gedacht?, sagt Numero Eins. ‚Gut, wir wussten immer, dass er ein harter Brocken ist!‘ Es haftet ihm so ein Stallgeruch an, von wegen unerbittlicher Unternehmer „vom alten Schlage“. Was wohl darunter zu verstehen ist? ‚Gut zu wissen‘, sagen die anderen beiden schließlich. Sie werden es auch anderen erzählen, was vorgefallen war. Es ist gar nicht mal so schlecht, dass man mal so informell miteinander gesprochen hat. Nun aber ab zum Training und hinterher noch in die vereinseigene Schwimmhalle. Vom Schwimmen kennt man sich, vom regelmäßigen Schwimmen. Aber wenn sie ihn mal wieder sehen, dann werden sie nichts davon sagen. Sie tauschen es nur informell mit den Anderen aus, denn irgendwie ist es „Das Leben der Anderen“, und geht sie nichts an. Aber das sie es nun wissen, ist gar nicht mal so schlecht.

Zwei der drei Gesprächspartner an diesem sonnigen Nachmittag sind stolze Hausbesitzer und haben jeweils mehr als zweihundertfünfzig Quadratmeter zur Verfügung. Der vierte Mann, ihr Informant, der hat wenigstens einen schönen Garten. Auch nicht schlecht.

In Berlin leben dreieinhalb Millionen Menschen, und doch „kennt man sich“. Gut zu wissen.

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