Serie: Nachbarn, Nachbarn – Die Wasserwerferin

Nachbarn, Nachbarn - Geschichten aus dem Alltag

Luftbild Corso Italia - (Quelle) Screenshot live.vom
Luftbild Corso Italia – (Quelle) Screenshot live.vom

Zitat Das ist die perfekte Welle, der perfekte Tag, es gibt mehr als Du weißt, es gibt mehr, als Du sagst.“ (Band Juli, Die perfekte Welle)

Schon seit gefühlten hundert Jahren gibt es im Hause Clayallee 327 in 14169 Berlin(Zehlendorf) im Erdgeschoss Gastronomie. Aktuell ist dort das italienische Restaurant Corso Italia der Familie von Aurelio Torrisi mit gutem Erfolg ansässig. Das Restaurant gilt als gutes und es gibt eine große Stammkundschaft, darunter auch bekannte Schauspieler und eine bekannte New Yorker Sängerin, die unweit mit ihren zwei Kindern und Ehemann lebt. Aus Gründen der Diskretion sagen wir nicht ihren Namen.

Jeder Berliner Gastronom kann ein Lied von den Schwierigkeiten singen, die wenigen Gutwetter-Monate des Jahres im Außenbereich gastronomisch erfolgreich zu gestalten. So genannte Schankveranden, Gastro-Terrassen bzw. Außenplätze zum Verzehr von ‚Luft und Liebe‘, Pizza oder auch Vitello Tonnato werden von den Gastronomen dringend benötigt, denn es gilt, die mageren Anfangsmonate des Jahres mit Schnee, Regen, Wind und Wetter durch umsatzstarke Außen-Essplatz-Monate auszugleichen. Wie man sich auch setzt, um an grünem Salat, Tomaten, Sellerie und Knoblauch zu knabbern, so kann ein solcher Verzehr kurzweilig sein. Die Gegend hat nach der Eröffnung der gegenüberliegenden Zehlendorfer Welle unserer Auffassung nach keine Aufwertung erfahren. Denn ursprünglich bestanden die Absicht und das Versprechen der Initiatoren, einen Ausgleich für das zuvor dort ansässige und abgerissene städtische Schwimmbad zu schaffen. An Stelle eines (neuen) Schwimmbads für „breite Schichten der Bevölkerung“ wurde nun aber im Ergebnis eine zehlendorf-innerstädtische Kommerzmeile des ungehemmten Shoppens gebaut. Der sich damit drastisch verändernde Verkehr mit Autos, Autos, Fußgängern, Fußgängern – alle in Richtung Zehlendorfer Welle zum Shopping, wird nur eine schlechte Auswirkung dessen sein. Sie haben zuvor eine „perfekte Welle“ gemacht und nun hat Zehlendorf anstatt bezahlbare, öffentliche Schwimmbadanlagen ein Sammelsurium gewerblicher Shops, Stores, Megastores und -wie in vielen anderen derartigen Malls eben die üblichen Grossisten, wie Saturn, Dm-Drogeriemarkt und dergleichen. Doch bleiben wir gerecht: Eine echte Ausnahme bei dieser Ansammlung von überörtlichen Multis ist die sich wohl gut entwickelnde berufliche Karriere von Claudia Tiefenbach. Und die Familie Tiefenbach ist tatsächlich eine schon sehr lange hier im Zehlendorfer Urschleim ansässige Unternehmerfamilie (Vater war Spediteur, Tochter Claudia macht schon lange „in Mode“ und fiel schon als Zwölfjährige durch besonders sorgsam ausgewählte Kleidung auf). Wer schon in den Siebzigern in Zehlendorf (Süd) lebte, kannte auch den frühen Teenager Claudia Tiefenbach.

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Dabei ist das Ensemble rund um die Straßenecke Clayallee 327 (Ecke Scharfestr.) ein liebenswertes Zehlendorfer Kleinod. Ausgegründet im Rahmen seinerzeitiger Bebauung um die Zeit von 1890 bis 1920, zeigen sich hinten in der Scharfestr. links prachtvolle Siedlungshäuser, während zu rechten Jugendstil-Pracht vorherrscht. Corso Italia ist seit einigen Jahren als Familienbetrieb dort und wurde von einem Vorgänger übernommen, der dort als „Pizzeria Milano“ bereits längere Zeit ansässig war, nachdem Pizzeria Milano vorher jahrzehntelang in den Häusern des erfolgreichen Apothekers Helmut Hoffmann (Berolina-Apotheke), die Clayalle noch ein Stück Richtung Zehlendorf-Mitte herunter, Mieter war. Lang, lang ist´s her.

Corso Italia wird von seinen Gästen als angenehmes Ambiente empfunden, Gastrokritiken zu diesem Lokal sind auch auf quype.com recherchierbar. Der in die Scharfestr. hineinmündende Außenteil-Grundstücksteil, der zu diesem Restaurant gehört, wurde von den Vorgängern bereits mit einer Stahlgerüstkonstruktion und wetterfester Plane vollflächig überdacht. Und nun erfahren wir auch den Grund: Die Maßnahme sei erforderlich gewesen, weil über dem Restaurant eine alte, etwa siebzig Jahre alte Dame wohnt. Diese habe sich immer wieder auch über die Lautstärke beschwert. Das ist ihr gutes Recht. Immer wieder mal, auch heute noch, werfe die Dame allerdings auch alles Mögliche aus dem Fenster, auch schon mal einen ganzen Eimer Wasser. Sie werde ausfällig, beschimpfe auch Personal und Gäste. Und so bedingt sich die Überdachung  daher als einseitige Schutzmaßnahme der Gastronomen im nur erduldeten, aber niemals akzeptierten Nebeneinander mit der Seniorin, die die Italiener dort nicht haben will, und mit gutgelaunten Gästen der Italiener, die ihre Speisen unter einem „Spritzschutz“ aus wetterfester Plane zu sich nehmen und sich nichts sehnlicher wünschen, als diesen Italiener hier zu behalten. Das Gute an dem schlechten in diesem Vorgang: Die Gäste können auch bei vorbeiziehenden Regenhuschen bequem unter der Überdachung verbleiben. Die alte Dame da oben kann viel weniger hören vom Tischpalaver der in Degustation begriffenen Familien, Damentreffen und Herrengedecke. Wasserwerfen mit über siebzig Jahren ist nun schon lange nicht mehr besonders erfolgversprechend als Strategie, seinen Unmut zu äußern.

 

 

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Der Report: Nachbarn, Nachbarn (Geschichten aus dem Alltag) ist hier nachlesbar.

Ein Gedanke zu „Serie: Nachbarn, Nachbarn – Die Wasserwerferin

  1. Pingback: 718/2010: Foto.Podcast: Vom Anmachen wildfremder Heizkörper, dem Bankengewerbe & Fraßfrust

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