792/2010: Positionen: Aufbruch nach Pandora? Quo Vadis – Google Street View?

Für die Kontrolle der Einhaltung der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der datenverarbeitende Betrieb seinen Sitz hat. Damit ist für das von der Firma Google mit Sitz in Hamburg durchgeführte Projekt Street View als Aufsichtsbehörde der Hamburgische Datenschutzbeauftragte auch für die Erhebung von Daten durch Aufnahme von Straßenansichten in Schleswig-Holstein zuständig.“ (Quelle: Gutachten Prof. Dr. Johannes Caspar, Gutachten zu google Streetview, Link zum Volltext am Ende des Artikels)

Auf der Wohnungseigentümerversammlung in Berlin-Wilmersdorf gestern Abend sind alle in einigermaßen guter Stimmung. Nur der Sitzungsleiter nicht, denn er ist stark erkältet. „Ich hab so nen Hals“, kalauert er und verweist auf einen bisweilen trocknen und manchmal erlösenden Husten. Im Verlauf der Sitzung reichen inzwischen die Wohnungseigentümer dem Verwalter Sitzungsleiter Hustenbonbons an, die in der grünen Verpackung, deren Name nichts zur Sache tut. Das ist organisiertes Doping, um den Sitzungsverlauf noch günstig zu beeinflussen. Alles wird gut werden, eventuell.

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Die Versammlung ist gegen 21:00 Uhr bei „Verschiedenes“ angekommen, das ist der Punkt, unter dem nichts mehr beschlossen werden darf, weil es noch zu ungenau ist, was besprochen wird. Es sind die sogenannten adhoc-Einfälle der Sitzungsteilnehmer, Sachen, die sie schon lange bewegen, die aber nur unverbindlich in einem hin- und her wabern und zu denen man sich als Gesichtspunkt einer ordnungsgemäß geladenen Versammlung noch nicht hat durchringen können. Wenn auch zuweilen Sachen von großer Tragweite.

Wie diese Sache mit google, der Suchmaschine überhaupt. Frau Dr. N. (* Name drastisch verkürzt) ist bereits in die Fänge von google geraten, so empfindet sie das. Sie sagt, dass die Ministerin Ilse Aigner sich mit google vor ein paar Tagen geeinigt habe. Diese Dinge würden erst einmal nicht ins Netz gestellt, bis geklärt ist, wie damit umzugehen ist. Zuerst droht die Diskussion gleich am Thema vorbei zu gehen. Denn der Sitzungsleiter wirft zunächst ein, dass der Widerspruch bei google-maps, man wolle „sein Haus“ nicht in den Datenfängen von google digitalisiert abgebildet sehen, irgendwie ins Leere laufe. Denn andere Platzhirsche stricken ähnliche virtuelle Welten. Z.B. die neue Suchmaschine bing, die von Microsoft betrieben wird. Jedenfalls für diesen Moment lässt sich deutlich sagen, dass Microsoft Berlin „besser im Griff“ habe, als google-maps, doch das ist nur eine Momentaufnahme und kann schon übermorgen wieder unrichtig sein.

Beispiele aus google-Streetview (Screenshots)

Beispiele aus google-Streetview (Screenshots)

Bloggwart - Avatar

Bloggwart - Avatar

In dem Kassenschlager AVATAR von James Cameron brechen die Menschen in ca. 150 bis 200 Jahren (zu faul, genau nachzusehen) in Richtung des Mondes Pandora auf, der wohl nicht umsonst so heißt. In der griechischen Mythologie ist Pandora nicht gerade lax zu sehen, sondern bedeutungsschwanger, Zitat:

In der griechischen Mythologie ist Pandora (gr. Πανδώρα; dt.: „Allgeberin“ aus altgriechischem pan für all-, gesamt, und doron für Gabe, Geschenk; traditionell jedoch als „Allbegabte“ übersetzt) die erste Frau auf der Erde. Hesiod beschreibt Pandora als „schönes Übel“ (καλον κακον), welches die unheilvolle „Büchse der Pandora“ mitbrachte.“ (Quelle: wikipedia hier)

Die hier beschriebene Büchse der Pandora wird uns wie folgt stichwortartig erklärt:

Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte über die Welt herein, doch sie brachte auch die Hoffnung.“ (Quelle: wie vor, Link zuvor)

Nun verstehen wir oder erahnen es zumindest, warum dieser Film so heißt, denn es geht darum, die schwierig gewordene Realität (das eigene Zuhause, die unwirtlich gewordene Welt) zu verlassen, nach Pandora aufzubrechen und zu hoffen, dass alles besser wird. Dort sind dringend benötigte Rohstoffe im Übermaß vorhanden, wenn auch die dortigen Ureinwohner des Mondes Pandora deren Abbau stören, denn dort hausen sie direkt über den Rohstoffquellen, in einem mehr als 250 m hohen Baum. Es geht den Rohstoff-Raubrittern schließlich um die Vertreibung der Ureinwohner Pandoras, um an die Schätze zu gelangen. Ob google ähnliches plant?

Dazu wenden die Menschen eine ähnliche Technik an wie beispielsweise Google-Streetview. Denn google-Streetview hat harmlos aussehende Kleinwagen mit Dachgepäckträgern bestückt und obendrauf Digitalkameras montiert. Diese fahren nun Straßenzug für Straßenzug ab und speichern Bilder, auch Daten, sogar das Vorhandensein von WLAN-Netzen wird aufgezeichnet. Am Ende, so das Vorhaben, entsteht eine zweite, komplette digitale Nachbildung der ersten Welt. Die zweite Welt, das second life, spielt sich fortan im Internet ab, so das Kalkül von google. Die Daten, die Umgebungsdetails der Welt, wie sie eigentlich nur an Ort und Stelle anzutreffen ist, ja sogar die Wetterdaten können eingebunden werden. Am Ende muss kein noch so übergewichtiger Computerbenutzer von seinem Schreibtisch aufstehen, um zu erfahren, dass es sich lohnt, in die Welt hinaus zu gehen.

Technische Barrieren sind jetzt noch der süßliche Geruch einer verwesenden Katze, das stinkende Etwas namens Hundekot oder ein leicht vanillinegetrübter Kochwrasen, der aus dem Seniorenheim „umme Ecke“ auf die Straße hinauszieht, das alles ist technisch (noch) nicht per PC-Mausklick abrufbar. Versuche dazu gibt es schon. Wie fühlt sich eigentlich Berlin-Wilmersdorf an? Kratzt einem die Speiseröhre beim Genuss von Berliner Trinkwasser, weil es härter ist als Wässer aus Tiefbrunnenschöpfung in Castrop-Rauxel oder Hamburg-Barmbek? Derzeit alles ungelöst. Eine Spielwiese für kleine Jungs, die schon daran arbeiten.

In dem Film AVATAR morphen die Menschen die Ureinwohner Pandoras, sie gewinnen Nachbildungen dieser Menschen durch Kreuzung der DNS von Menschen und Pandoranern. Es entstehen „analoge“ (nicht digitale) Nachbildungen, mit denen sich richtige Menschen in einem technischen Exzess „verlinken“ können. Menschen schlüpfen in die Rolle von Pandoranern, machen sich fußläufig oder per Kampfhubschrauber auf zu ihren Vorbildern, äffen diese nach, gewinnen deren Vertrauen und schleichen sich schließlich komplett in deren Lebenskultur und -zusammenhänge ein. Ähnlich einem trojanischen Pferd schleust man „verlinkte“ Menschen dort ein, am Ende, um Pandora insgesamt zu linken. Ein ethnischer Zwist „par excellence“.

Aller Spieltrieb der Menschheit ist ein zutiefst männliches Projekt und wird von der weiblichen Halbkugel der Welt eigentlich kaum benötigt. Google wurde von zwei Männern gegründet, Microsoft von einem Mann (mit männlichen Partnern). Apple von einem Mann. Mit Mauspad, Zeichentablett, Trackball, Joystick und iPad (seit neuestem) können wir noch mehr spielen. Manche Menschen fragen inzwischen, ob wirkliche Werte geschaffen werden, indem wir digitale Welten erschaffen, die die wirkliche Welt versuchen nachzubilden?

Die Bundesministerin Ilse Aigner wird uns bei der beispielhaften google-Newssuche schon vorgeführt. Wir geben zu Testzwecken ein: „Ilse Aigner“ und sofort schlägt google-news vor, Ilse Aigner nur im Zusammenhang mit Kartoffel weiter zu recherchieren. Alles klar?

Screenshot google-Suche Ilse Aigner

Screenshot google-Suche Ilse Aigner

Allerdings führt die davon unbeeinflusste Weiterrecherche zum Stand der Diskussionen zwischen Ilse Aigner und Google auch vorbei an Themenfeldern wie den „dicksten Kartoffeln“, die die Landwirtschafts- und (aha!) Verbraucherschutzministerin derzeit konkret aushandelt. Aigner ging es darum, „nationale Besonderheiten“ für Google Street View zu verabreden, meldet die TAZ hier am 30.04.2010. Im Kern will google umsetzen, was bereits in weiteren 19 Ländern, in denen es google-Streetview gibt, praktiziert werden soll – laut google. Die einzige Besonderheit in Deutschland: Es seien Sammelwidersprüche über die Kommunen (Land Berlin) möglich, und google habe sich verpflichtet, erst dann in die Veröffentlichung von solchen Bilddaten zu gehen, wenn das Verfahren geklärt und durchgeführt worden sei. Ein genaues Timing gibt es nicht, wie lange das dauert, bleibt offen.

Am selben Tag meldet der Branchendienst heise.de ähnliches. Musterwidersprüche des Verbraucherschutzministeriums sind beispielsweise hier downzuloaden.

Im Erkenntnisbereich eines Haus- und Grundstücksverwalters erschließt sich sinngemäß, dass Dienste wie google-Streetview gute Möglichkeiten bieten, Häuserschluchten auszukundschaften, Recherchen anzustellen und vom Schreibtisch aus „die Welt zu erkunden“. Dass dieser Erkenntnisbereich auch sozialen Schnüfflern, Einbrechern, Dieben und anderen Halunken offenstehen könnte, kann wiederum niemand ernstlich bestreiten. Haus- und Grundstücksverwalter müssen daher sensibilisiert damit umgehen und sich „firm“ machen bzw. schlau, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die weltweite Datenkrake Google derartige Widersprüche ernst nehmen würde. Wir werden zu gegebener Zeit über weitere Erkenntnisgewinne berichten.

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