Ob der Wechsel vom Energielieferanten namens Platzhirsch zu einem neuen, jungen wilden Anbieter mit erheblichen Einsparungen verbunden ist? Beim Gas? Beim Strom? Oder ob er auch mit einer erheblichen Qualitätseinbuße in der Kundenbetreuung verbunden ist? Dies ist das Thema der nachfolgenden Ausführungen. Ein paar Erfahrungen.
Der Fairness halber nenne ich den Gaslieferanten nicht, den ich auf dem europäischen Gasmarkt für Energielieferanten ausfindig gemacht habe und bei dem ich für eine Anlage in Berlin-Wilmersdorf ungefähr die Hälfte der bisherigen Gaskosten bezahle. Pacta sunt servanda: Verträge sind einzuhalten. Ich sehe Kostenersparnissen entgegen, die ggü. dem Berliner Platzhirsch (Bitte, keine Namen) wirklich viel preiswerter sind. So weit. So gut.
Das Kundengeschäft ist inzwischen eingetütet und es gibt ein Kundencenter-Login. Dort stehen zwei Schreiben zum download (pdf) bereit. Eins sagt freundlich Hallo und ein zweites bestätigt den Lieferbeginn (Vertragsbeginn). So ein Briefdokument (pdf) ist ein Stück Papier im neuzeitlichen Sinne. Manche Menschen drucken und heften es ordentlich in einen Leitzordner, der von Büro2000 (jetzt: 3000) oder Herlitz24 sein kann. Andere Menschen wiederum haben bereits elektronische Dokumentenmanagementsysteme selbst eingerichtet oder als funktionierende Software erworben. Die nennen so was einen eBrief und verzichten auf Papierausdrucke (analoges Büro). Sie heften Briefe, Rechnungen und Vertragsdokumente elektronisch weg. So ist es auch hier.
…
Das elektronische, neumodisch aufgefasste Miteinander von Vertragspartnern wie diesen stößt allerdings immer wieder auf große Untiefen. Untiefen, ein Unwort, sind stark abfallende Ufer, in die man ins Leere fällt, um umgehend zu ertrinken. Eine solche Untiefe sind Lieferanten, die betriebswirtschaftlich und organisatorisch nur an ihre eigene kleine Welt denken, die nicht mitdenken und die Vorschriften machen, die es nicht gibt. Ein zeitgemäßes Austauschen von elektronisch erstellten Nachrichten berücksichtigt vieles in puncto Kundenfreundlichkeit, was wirklich viele dieser elektronischen Idioten (oder vielleicht besser deren IT-Abteilung?) unberücksichtigt lassen.
Wer elektronische Unterlagen an Vertragspartner verschickt, darf nicht nur an eigene Aspekte seiner Existenz denken: er muss vielmehr ins Kalkül ziehen, dass der Empfänger einer solchen Sendung mit empfangenem Schriftgut eigenes anfängt: Diesen Vorgang nennt man die Sachbearbeitung.
Wir nennen ein negatives Beispiel, das gerade passiert ist. Nennen uns selbst Profis im Dokumentenmanagement seit rund 15 Jahren. Anders ausgedrückt machen wir das schon länger als viele unserer Lieferanten, die man erst in den letzten fünf bis acht Jahren vom elektronischen Papiermanagement überzeugt hat.
Im Grunde sind zwei Geschäftsfelder zu nennen:
a.) Der Bedarf, Dokumente in einen Workflow zu bringen, die beim Kunden ankommen und die man im eigenen Organismus ablegt, zum Zwecke der Dokumentation.
b.) Der Bedarf, immer mehr der ureigenen Aufgaben durch gute Organisation so umzustrukturieren, dass die Arbeit von immer weniger eigenem Personal erledigt werden muss. Kundenzugriffscenter sind hier Usus.
Gleichzeitig soll beides dazu führen, dass man es im Marketingsprech mit Kundenzufriedenheit gleichsetzen kann.
Im Kundencenter mit eigenem Login-Daten, damit Kunden ihre Vertragsbeziehung selbst pflegen können, kann ich Dokumente einsehen, Zählerstände eingeben und Abschlagzahlungen ändern, Einzugsermächtigung erteilen oder herausnehmen. Und gut.
Zu bemängeln ist schon, dass es keine einheitlichen Regeln für Kundenpasswörter gibt. Jede IT-Abteilung denkt sich eigene (angeblich viel bessere) Regeln aus, wie die Konventionen zu sein haben. Hier wird vom Kundengedanken aus Gründen eigener Selbstüberschätzung (Wir sind besser!) abgewichen. Trotz dieser elektronischen Klugscheißerei sind großen Unternehmen in großer Fülle Kundendaten geklaut worden. Siehste! Selbstüberschätzung. Die Lösungen sind nicht Komplizierungen für Laien und außerhäusige Endkunden, sondern interne sichere Unternehmenslösungen vollkompetenter Dienstleister.
Im Korrespondenzteil sind immer größere Textbausteinbibliotheken und Werkzeuge geschaffen worden, mit immer längeren Kundennummern, Vertragskonten, Buchungszeichen. Individueller Schriftverkehr ist sowieso zu teuer und wenn es brennt, Notfallhotlines mit durchschnittlich oder schlecht gebildeten, ihrem Unternehmen in tiefer Gläubigkeit verbundenen Mitarbeitern, manchmal auch outgesourcte Callcenter.
Hier ist vom ganzen Ansatz der Kunde erst mal blöd. Er erkundigt sich im Regelfall nicht nach Verbesserungsmöglichkeiten der Kundenbetreuung, für die diese Hotlines nicht eingerichtet sind. Sondern danach, wie er als Kunde passend für das Unternehmen agiert. Vollkompetenz und Ansprechbarkeit sieht anders aus. Ich gebe weiter unten ein drastisches, lächerliches Beispiel.
Soweit als möglich sprachmenügesteuert. Verabredungen sind am Telefon nicht mehr erlaubt, da die Mitarbeiter keine Kompetenzen besitzen. In engen Fällen ist man auf den Schriftweg verwiesen. Der ist zum Teil wirklich haarsträubend.
Hotlines sind nicht Beratungen für Lösungen, sondern Maßregelungs- oder Gebrauchsanweisungen für zu doofe Kunden, die sich nicht systemkonform verhalten.
Diese Servicepartner sind oft keine.
Ich versprach oben ein Beispiel, das hanebüchen ist.
Wir reden über den Schreibschutz von elektronischen Dokumenten (pdf). Dabei handelt es sich um die Rechnung, den Brief, die Vertragsänderung, die von einem IT-Mitarbeiter des Unternehmens mit Sicherheitsrichtlinien versehen wird, um solche Dokumente gegen Veränderung zu beschützen. Das ist für den gewöhnlichen Klein- bzw. Privatkunden selten ein Problem. Als Kunde, der beruflich professionell Dokumentenmanagement betreibt, sind solche Schreibschütze tödlich. Immer wieder werden solche Restriktionen festgestellt, aber sie sind kundenunfreundlich und basieren auf der falschen Vorstellung von Pippi Langstrumpf, sie könne sich die Welt allein so bauen, wie sie ihr gefällt. Und nicht den Anderen. Die Anderen, das sind wir.
Die Hausverwaltung sendet deswegen an den neuen Gas-Vertragspartner, das Unternehmen, einen schriftlichen Hinweis mit folgendem Wortlaut schriftlich ab, denn telefonisch hat das von vornherein keinen Sinn, und es ist eine durchdachte Mitteilung, die neu geschaffen wurde für solche Fälle (Textbausteinbibliothek):
Wir melden Behinderung durch Schreibschutz in Ihrer eKorrespondenz. Ihre Dokumente sind nicht barrierefrei, lassen sich nicht be- bzw. verarbeiten. Sie müssen ohne Schreibschutz sein. eKorrespondenz wird mit Bearbeitungsvermerken (Posteingang, Prüfung) versehen, zusammengestellt (elektronisch geheftet) zu Vorgängen. Die Kriterien richtigen Dokumentenmanagements kennen derartiges nicht. Es sind Selbstverständlichkeiten zeitgemäß arbeitender Büros. Rechtlich ist Schreibschutz eindeutig nicht erforderlich. Der weltweite
Standard kennt Maßnahmen wie gezielten Dokumentenprotektionismus nicht. – Sie können dabei bleiben: Dann müssen Sie im Verhältnis zu uns konventionelle Briefversandform umstellen. Ändern Sie die Dokumentform auf „bearbeitbar“ oder stellen Sie sofort um. Wir werden
technische gezielte Behinderungen unserer Arbeit nicht akzeptieren. Bei der Auswahl von Firmen und Lieferanten unserer Mehrfamilienhäuser achten wir auf Kompatibilität und übliche Zusammenarbeit. Sie sind ausschlaggebend für die Auswahl. Die Sache ist dringlich.
Oder einfacher: Das Anbringen eines Schreibschutzes auf elektronische Korrespondenz geht gar nicht. Es mag sein, dass weltweit viele Menschen mit dem Adobe Reader arbeiten und Korrespondenz elektronisch austauschen. Professionell arbeitende Dienstleister mit einem elektronischen Dokumentenmanagement kommen mit dem gewöhnlichen Adobe Reader nicht aus. Sie besitzen mit einem Anspruch auf Ernsthaftigkeit ihres Tuns die Vollversion des funktionsbegrenzten Readers: Den Adobe Acrobat in der Vollversion. Im Grunde ist das Dokumentenformat noch nicht das wichtigste. Es könnte sich auch um eine Worddatei handeln oder um ein Bild (jpg).
Kommen wir nun zum nicht erforderlichen Sprachmüll. Die Eingangsbestätigung ist wie folgt abgefasst: „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde, vielen Dank für Ihre Nachricht, deren Eingang beim Kundenservice wir Ihnen hiermit bestätigen. Ihr Anliegen ist uns wichtig und daher bemühen wir uns, dieses schnellstmöglich zu bearbeiten.“ #Sprachmüll #TexteUndNachrichtenDieDieWeltNichtBraucht
Natürlich ist das nett, das zu schreiben. Nein, ist es nicht. Es ist überflüssig. Und nett kann es gar nicht sein, es ist programmiert. Es ist Software. Was wirklich ist, ist weiter unten als berufliches Kuriosum dargelegt.
Der beruflich mit elektronischen Dokumenten arbeitende Mensch muss mit solchen Dokumenten umgehen können. Dazu gehörte auch auf der analogen Papierebene (früher) mindestens folgendes:
- Das Dokument bekommt einen Eingangsstempel
- Es wird notiert, für wen es ist oder ein Ordnungsbegriff wird aufgebracht.
- Ein Prüfvermerk wird aufgebracht, bspw. ob eine Rechnung sachlich richtig ist.
- Eine Buchungsanweisung für die Buchhaltung wird notiert.
- Das Dokument wird einem Dritten zur Kenntnisnahme übersandt, ergänzt um einen kurzen Hinweis, warum?
Und so fort. Das ließe sich fortsetzen.
All das erlaubt das genannte Gaslieferungsunternehmen nun aber nicht.
Das Dokument lässt sich nicht bearbeiten, wie es oben angesprochen ist.
Das Dokument lässt sich nicht mit weiteren Dokumenten zu einem Vorgang zusammenstellen, weil es schreibgeschützt ist, man kann also auch keine weitere Seite anhängen. Das ist eine so starke Bevormundung und ein Eingriff in die Rechte Dritter, an Dokumenten weiter zu arbeiten, dass eine Behinderungsanzeige (siehe oben) erfolgte.
Noch besser ist aber die Antwort auf diese Mitteilung. Da hat jemand den Wald vor lauter Bäumen nicht…ich nannte es ein berufliches Kuriosum:
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 25.07.2016. Gern haben wir Ihr Anliegen geprüft und teilen Ihnen mit, dass Sie das Dokument vor dem Öffnen lokal auf Ihrem Computer speichern. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie die aktuelle Version des Adobe Readers auf Ihrem Computer installiert haben. Wir bitten um Ihr Verständnis. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Tag.
Und nein, kein angenehmer Tag.
Die Empfehlung (siehe hier Überschrift): „Wir bitten, mit Ihrer IT dringend zu sprechen!“ wurde nicht befolgt. Warum auch? Es ist nur ein Kunde. Man hat das gar nicht verstanden Schlecht ausgebildet.
Schreibschutzgeschützte eDokumente gehen gar nicht. Das muss ich kaum nochmal wiederholen. Die Antwort erfolgte umgehend.
diesen Vorgang reiche ich erneut (nochmals) ein und bitte, erst das Dokument zu begreifen (also inhaltlich zu verstehen) und dann Maßnahmen wie Antworten einzuleiten. …, die vermuten lässt, dass Sie die Anfrage überhaupt nicht verstanden haben. Lassen Sie bitte Ihre IT-Abteilung draufschauen, die werden das verstehen. Danke. (Antwort, gekürzt)
So in etwa ist also die Korrespondenzqualität mit Unternehmen wie diesen. Ich wette, als nächstes kommt irgendeine Email, in der behauptet wird, das ginge so nicht und das sei auch verboten.
Ich will nicht voreingenommen sein.
Die kurze Mitteilung meinerseits ist nicht weniger als eine Forderung an ein großes Energielieferungsunternehmen, eine falsch voreingestellte Dokumentensicherheit abzuschaffen, für die es keinen Grund gibt. Die technisch dafür sorgt, dass Kunden mit den elektronischen Dokumenten nichts anfangen können.
Zwei Lösungen bieten sich an: Änderung einer ganzen Unternehmenspraxis. Oder Trennung von der Geschäftsverbindung mit solchen Kunden, die derartiges zu recht beanstanden. Es ist auch schon fragwürdig, warum solche Unternehmen anstatt Rechnungen elektronisch zu versenden, komplizierte Login-Szenarien konstruieren, mit der Folge, dass sich der Kunde erst einloggen muss, um überhaupt Kenntnis von einer Rechnung zu erhalten. Doch das ist wieder ein anderes Thema.
Schreibschutz ist ein NoGo. Man muss nur mal drüber nachdenken. Eins ist klar: Nur mit Druck gibt die Zitrone Saft. Wir werden sehen. Aber auch berichten.
Weiterführend
Ist das so? Sind Verträge wirklich einzuhalten, wenn man sich wechselseitig behindert? Im Prinzip ja.