„Maren, Dein Vater lebt jetzt als Frau.“ „Als was?“ „Er ist transsexuell.“ „Das glaube ich Dir nicht.“ (Dialog anfangs des Films) – „Ach Du Scheiße, ist das beschissen.“ (Freundin kurze Zeit später zu Maren)
Maren, 17, steckt in einer schwierigen Phase. Sie lebt in einer Patchworkfamilie, und ihr Vater sei in Nepal. Daran stimmt nichts, wie sich herausstellt. Den Vater wiederfinden und was für so ein junges Mädchen dazugehört. Überhaupt: Die unterschiedlichen Perspektiven der Wahrnehmung.
Ulrike, die Mutter von Maren, lügt Maren jahrelang an. Beim ersten Telefonat mit ihrem Vater, der jetzt Sophia heißt, ist schon ganz die große Ehrlichkeit des transgendernden Vaters zu hören. Nepal, das waren keineswegs die letzten Jahre. Ein paar Wochen. Mutter Ulrike hat eine infame Gesamtlüge in die Welt gesetzt. Das wäre „das Beste“ gewesen, verteidigt sie sich.
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Ein Film für alle, die manchmal nachdenklich sind über Geschlechterrollen, Mannsbilder und Frauenbilder und sich insgeheim wundern, von Zeit zu Zeit eine andere Seite davon in sich selbst zu spüren. Ein Film mit dem unaufgeregt erzählten Anlass, Grenzen der Vorstellung zu sprengen.
Maren bricht in einem heimlich inszenierten Ausflug aus „anderem Anlass“ auf, ihren Vater zu treffen. Die beiden verleben eine kurze Zeit der Zärtlichkeit von Vatermutter und Kind zusammen. Das abgetrennte Familienleben, das neue Leben von Papa Sophia, so wie man heute Herr Professorin sagen soll, es ist kurz gesagt alles vollkommen durcheinander in diesem ergreifenden Film. Und das ist auch gut so. Wir werden nachdenklich.
Brillant gespielte, sehr verletzliche, vorsichtige, lebenskluge Vatermama Sophia, die der eigenen jahrelang belogenen Tochter mit geradezu entwaffnender Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit entgegen tritt, wohl wissend, es geht auch darum, den eigenen, schwer nachvollziehbaren Lebensentscheid zu verteidigen. Alle sehen, dass Vatermama „eine perverse Schwuchtel“ ist, aber Vatermutter-Tochterliebe wächst heimlich still und leise wie Gestrüpp zwischen beiden aufs Neue und bricht sich Bahn. Maren verteidigt ihren Vater herzergreifend. Am Ende ist die diffuse entwicklungsbedingt verwirrte Maren ein viel größerer Mensch, als es einleitend erscheint. Von wegen Pubertät. Von wegen verlogene Lebensphasen. Vatermutter Sophia lässt es Maren buchstäblich an nichts mangeln. Und eröffnet ihr ganz neue, schier unglaubliche Lebenshorizonte.
„Ich weiß noch, wie man mir bei meiner ersten Zigarette erklärt hat, wie man inhaliert. Du ziehst den Rauch in den Mund und dann machst Du: Hiiccchhhhh, der Papa kommt.“ Maren: „Na, die Gefahr gab´s ja bei mir nicht.“ Vatermutter Sophia: „Da hast du auch wieder recht.“
Dialoge, die wie Hammersätze daherkommen. Ein äußerst gekonnter Film. Da die Öffentlich-Rechtlichen Rundumdieuhrverfügbarkeit in ihrer Mediathek nicht dürfen, wird der Link nicht von Dauer gültig sein. Wer Zeit und Lust hat, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen. Ein ganz großer, toller, kenntnisreicher, intim erzählender Film über die Tochter, die ihren Vater, einen kürzlich zur Frau mutierten „Transgender“ kennenlernt. Zärtlich, fokussiert und mit viel klarem Kopf gedrehter Film der Spitzenklasse. Ich bin begeistert. Oder sagte ich das schon?
(EP)