Ich habe meine eigene Geschichte. Die von uns betreuten Mehrfamilienhäuser haben ebenfalls eigene. Im glücklichsten Fall verschmilzt irgendwann meine Geschichte mit der eines solchen Hauses. Wenn ich länger amtiere, wird aus altem manches zu Geschichte. Und sogar ich werde aktenkundig: endlich! Alles hat seine eigene Geschichte. Die Frage ist, wie viel berufliche Neugier einen plagt bzw. treibt? Bzw. glücklich macht! Davon erzähle ich nachfolgend ein paar Gesichtspunkte. Und von vollkommenen Idioten! Also nicht von mir….
Ich mache, was ich beruflich tue, „schon ganz schön“ lange. Ich schreibe dieses Blog jetzt auch schon ganz schön lange und es ist eine ersprießliche Zahl von Artikeln zusammengekommen. „Wenn du eine Stunde lang glücklich sein willst, schlafe. Wenn du einen Tag glücklich sein willst, geh fischen. Wenn du ein Jahr lang glücklich sein willst, habe ein Vermögen. Wenn du ein Leben lang glücklich sein willst, liebe deine Arbeit.“ (chinesisches Sprichwort) – Schön. Und so ist es auch: jedenfalls manchmal.
Aus dieser Überlegung, Interessantes aus meiner kleinen Welt zu berichten und ein Blog dafür bereitzustellen, ist eine vielbeachtete Website mit beträchtlichem Zugriff geworden. Das Schreiben wurde irgendwann relevant. Dabei ist Schreiben Reflexion. Es reinigt die Gedanken, wäscht mir selbst den Kopf und entlässt Bewältigtes in die Vergangenheit. Nur nicht hochmütig werden! Was behandelt wurde, ist abgeschlossen. Hoffentlich. Denn es gibt auch unschöne Seiten, so wie es schöne Seiten im Beruflichen gibt. Wegen des Geschriebenen habe ich sogar vereinzelt Feinde! Viel Feind, viel Ehr. Von beidem -Freud und Leid in meinem Beruf bzw. in meiner Berufung- weiß ich heute zu berichten.
Glück im Unglück: Die hier namentlich Bezeichneten werden mir mit Sicherheit nichts wegen „übler Nachrede“ anhängen! Denn sie agieren stets hinterlistig, im Verborgenen, Heimlichen und Widerlichen. Diese vier sind jetzt öffentlich bekannt. Übrigens: Während ich diesen Artikel schrieb, spammte noch ein Fünfter. Den habe ich sofort gelöscht.
Bereits seit längerem fallen regelmäßig Internetverbrecher über diese Seite her und üben nichtsexuellen Missbrauch aus mit der Kommentarfunktion dieses Blogs. Ich lösche nahezu täglich eine Vielzahl von dämlichen Einträgen, die inhaltsleer sind oder mit solchen Aussagen, dass einem erst bei mehrmaligem Lesen klar wird: Der/die will „in Dein System rein“. Und dann sozusagen das System von innen heraus angreifen. Denen, diesen Idioten, widme ich heute ein paar Zeilen.
Weil sie nur Mist schreiben, den niemand braucht, gebe ich mir nicht die Mühe, diesen Mist hier nochmals aufzuschreiben. Ein Screenshot belegt die Sinnlosigkeit ihrer Mitteilungen.
(groß: aufs Bild klicken)
Niemand braucht solche Einträge und sie werden gnadenlos gelöscht. Sie sind bereits Geschichte. Aber keine „Geschichtspunkte“.
Und derjenige, der gewissenhaft, engagiert und fortgesetzt versucht, ein gutes, aussagekräftiges Blog mit Content zu füllen, denkt bei sich, wenn ich die Namen der Spammer und ihre IP-Adressen hier veröffentliche, werden sie vielleicht aufhören damit? Der Gedanke daran ist naiv und nicht weiterführend. Spammer schämen sich nicht. Weshalb alle Anderen im Internet sie schlicht ignorieren und weglöschen. Spammer sind die Plaque in meinen Blogaterien.
Hingegen gibt es „Geschichtspunkte“, sogar erfreuliche: Ganz anders kommt der Anruf ohne jeden vorherigen Internetkontakt, wie heute üblich, der gestern bei mir aufschlägt. Herr Krause aus Mainz ist 75 Jahre alt, irgendwie leise und vorsichtig, schlicht im Auftreten und ohne jeden Triumpf in seiner Stimme. Im Moment seines Auftritts in telefonischer Form ist das schon sympathisch. Er beginnt das Telefonat mit einer einführenden Entschuldigung, er habe nun vor, angerufen zu haben, um in einer eigenen Privatsache mal einen weiteren „Lückenschluss“ zu versuchen. Aha.
Sein Vater habe so ca. 1907 in dem Haus in der Falckensteinstr. in Berlin-Kreuzberg gelebt. Vorderhaus, 3. Stock. Ob links oder rechts? Er weiß es noch nicht. Ich kann eingangs dieses Telefonats sehr schnell bestätigen, dass dem heute nicht mehr so ist. Kein Herr Krause ist hier noch verzeichnet. Er sagt dazu nicht jenes „Ach was“, das wir von dem Grand Seigneur des deutschen Humors Loriot in den festen Sprachschatz Deutschlands eingeführt bekamen. Nein, nein, das ist ihm klar. Der habe auch nur kurz dort gewohnt.
Unser Gespräch führt mich in einen Aspekt meines beruflichen Lebens, von dem manch Berufskollege meinerseits sicher sagen würde: „Das ist nicht meine Baustelle.“ Es geht um Historie, Geschichte, Vergangenes, Erlebtes, nicht Erlebtes, Interessantes. Einen Gesichtspunkt, der eher so daherkommt wie ein „Geschichtspunkt“. Ein menschlicher Farbfleck, in bestimmten Jahren eingeordnet, in der Geschichte jenes Hauses. Von dem die Frage sein dürfte, was davon weiß eigentlich ein Haus- und Grundstücksverwalter auf Nachfrage zu erzählen? Denn ist dieser Beruf zugleich auch Verpflichtung, das soziale Gewissen eines Hauses zu sein? Sollen wir auch menschliche Schicksale verwalten, uns ihre ganze Tragik aneignen? Vielleicht in Teilbereichen. Ein jeder lebt und arbeitet nur zu seiner Zeit, das ist der „mainstream“, heutzutage. Aber wie viel vom Rückwärtigen, Interessantem, ggf. auch Widerwärtigem darf oder muss ein Haus- und Grundstücksverwalter verinnerlichen, sich nachträglich erarbeiten und ggf. auf Abruf bereit halten?
Die Antwort ist einfach: nicht viel. Die Wahrheit ist: Es interessiert „keine Sau“. Wenn es aber da ist, findet es fast jeder schön.
1886 wird die verwitwete Maurermeisterin Augusta Klingner, geborene Burg, als Eigentümer genannt. Eine Auflassung für Max Wünsche ist im Grundbuch eingetragen. #Geschichtspunkte
Im Zeitpunkt der Verwaltungsübernahme für ein älteres Mehrfamilienhaus spielen Fragen der Gegenwart eine maßgebliche Rolle. Archiviert wird nur zu Übersichtszwecken. Es ist gang und gäbe, dass dabei ältere Unterlagen anfallen. Ansonsten ist der dienstliche Blick des neu beauftragten Haus- und Grundstücksverwalters erst einmal streng nach vorn gerichtet: das Projekt stinkt nach Zukunft. Man arbeitet sich ein, versteht die für die Zukunftsbewältigung erforderlichen Schritte einzuordnen, zu sortieren, sich selbst zu organisieren und schließlich hat man den eigenen Dienstplan „Zukunft“ richtiggehend eingeatmet. Mit dem Dienstplan Zukunft wird nun künftig Geld verdient. Was die Vergangenheit betrifft, zahlt niemand etwas für die Erarbeitung derselben, weil Vergangenheit zu bearbeiten Geld kosten würde und niemand bereit ist, in die Vergangenheit zu schauen. Was also das Einatmen angeht, ist dabei Ausatmen angesagt!
1933-1945: Auf Nachfrage bei der Gedenkstätte deutscher Widerstand stellt sich heraus, dass in diesem Haus zu keiner Zeit Juden gewohnt haben, von denen nachweislich bekannt ist, dass dies ihr letzter Wohnort vor dem Abtransport in ein Nazi-Konzentrationslager gewesen wäre. Zu jener Zeit war dieses Haus „judenfrei“. Schade, sagen einige, denn damit ist das Haus „stolpersteinfrei“, eine Verlegung eines dieser Gedenksteine hätten sie gern gehabt, weil das Prinzip „schwer in Ordnung“ ist, mit Hilfe von Stolpersteinen Opfern zu gedenken. Glück gehabt, sagen andere, dass wenigstens hier niemand wohnte, der dann vergast wurde. #Geschichtspunkte (Suchbegriff: Stolpersteine)
An manchem Haus klebt eine Gedenktafel, eine offensichtliche Würdigung, so wie an dem Haus in der Sanderstr. in Berlin-Neukölln, in dem einst „Deutschlands dienstältester Rock´n Roller“, der Hesse Jacob „Jacky“ Spelter wohnte, bevor er 2004 verstarb. Den Lückenschluss -siehe oben- für das Gedenken an diesen Neuköllner übernahm vor kurzem das Berliner Blog blackbirds.tv.
Oder an der ehemalige Friedenssynagoge in einer Seitenstraße vom Kurfürstendamm (Foto oben), wo die Nazis in der Reichsprogromnacht die Tempelgebäude nachhaltig in flammende Brände verwickelten. Hinterher wurde eine Autowerkstatt auf dem Schuttgelände betrieben: von Nazis, die das Judentum erbeuteten. Tja, Beute war seinerzeit keine Kunst, erst später sprach man von Beutekunst, in ganz anderem Zusammenhang.
Dem Berliner Frank Zander, Sänger, hat noch niemand eine Gedenktafel an das Haus am Karl-Marx-Platz in Neukölln hingehängt, weil er dort geboren wurde. „Hier lebte Frank Zander“…, das ist noch kein Thema. Auf Nachfrage bei der Stiftung, die die Berliner Gedenktafeln beschließt anzubringen, erfuhr ich, das hätte einen ganz einfachen Grund: Frank Zander lebt noch. Die bislang unterlassene Ehrung Grund genug, die „Kriterien für den Ausgang von Berliner Gedenktafeln“ abzuändern. Frank Zander ist hochverdient und richtet jährliche Obdachlosen-Weihnachtsfeste aus, dass es zum Weinen ist, vor Glück und mit Dankbarkeit.
1886: 12 Hausclosets, 23 Etagenausgüsse, 1 Hofpissoir, 4 Kellerausgüsse, 1 Gully
1891: 25 Hausclosets, 61 Etagenausgüsse, 1 Hofpissoir, 4 Kellerausgüsse, 5 Gullys
1892: 37 Hausclosets, 84 Etagenausgüsse, 1 Hofpissoir, 4 Kellerausgüsse, 5 Gullys
1896: 37 Hausclosets, 88 Etagenausgüsse, 1 Hofpissoir, KEINE Kellerausgüsse, 5 Gullys, 7 Regenrohre ohne Syphons,5 Regenrohre mit Syphons #Geschichtspunkte
Die Berliner Gedenktafeln interessieren die Berliner tatsächlich. Unangefochtene Spitze – „most views“ meiner Beiträge – ist der über Hans Kapelle, der in der Weserstr. in Berlin-Neukölln lebte. Heinz Kapelle, aufgeschrieben von mir, wurde so „post mortem“ zu meinem persönlichen Hit, und genau das war auch mein Ziel: Ich wollte etwas über Heinz Kapelle schreiben, weil was ich fand für mich unbefriedigend war. Das war -siehe oben- mein Versuch zu einem sinnvollen Lückenschluss. Der Artikel ist hier. Seit längerem unterstützen wir aktiv das Berliner Projekt „Stolpersteine“, wir berichteten verschiedentlich, ich verlinke nichts davon, man kann es bei Interesse auch über die Such-Funktion finden.
Herr Krause aus Mainz erkundigt sich nun nach seinem Vater, der ca. 1907 in Berlin-Kreuzberg an obiger Adresse wohnte. Wir arbeiten uns am Telefon ab, der eine mit dem Anderen. Ich kann einiges dazu beitragen, finde ich. Ich weiß sehr gut Bescheid, fällt mir auf, mehr, als ich dachte, als ich seinerzeit beschloss, die „Geschichte dieses Hauses“ ebenfalls verstehen zu wollen. Ich wollte erfahren, wann genau es gebaut wurde, wie es gebaut wurde, was der Krieg Numero Zwo an diesem Haus kaputtgemacht hatte und wie es wiederaufgebaut wurde, mit öffentlichen Mitteln. Summa summarum war das mein persönlicher Lückenschluss, die „Geschichte dieses Hauses“ zu recherchieren.
1905: Am 17. März geht eine Beschwerde der Nachbarn Nr. XY bei der Bauaufsicht ein, in der moniert wird, dass das Hofpissoir einen üblen Geruch auf ihrem Grundstück hinterlasse. Es befindet sich direkt hinte r dem Hofdurchgang an der Mauer zum Na chbargrundstück. Die Bauaufs icht stellt fest, dass das Pissoir ohne Genehmigung errichtet wurde und stellt eine Frist von 3 Wochen, in der die Anlage befestigt werden muss und nachträgl i ch zu genehmigen sei. #Geschichtspunkte (Quelle: wie vor)
Wir reden über ein Haus mit „innenliegendem Grundstück“, ein Innenhof in den Maximalabmessungen eines Sprungtuchs der Berliner Feuerwehr. Drumherum drapierten sich die Gebäude. Damit die Bewohner bei Feuer aus dem Fenster springen können. Aufs Tuch. Größer musste ein Innenhof nicht sein und Belichtung von Wohnungen, das war noch kein so wichtiges Thema. Wir reden über das Thema „Innenhofpissoirs“ im Hof, über Remisen, Ställe, Pferde, Droschken, nicht „Drutschen“, über die Anzahl von Ausgussbecken, Podesttoiletten, das Vorderhaus, den rechten und den linken Seitenflügel, wovon noch der rechte steht, das Gartenhaus. Heute sind dort ca. 32 Wohnungen, früher waren es „bis zu achtundsechzig“. Früher war alles hochverdichtet, so um 1900 bis 1906 herum, maximale Ausnutzung des Grundstücks nach einem berlinweit üblichen „Arrondierungs“- bzw. Parzellierungsvorhaben und den dort ortsüblichen Grundstücksgrößen.
1894: Das Vorderhaus bestand, wie auch heute noch, aus je zwei Wohnungen pro Etage. Das Erdgeschoss wurde gewerblich genutzt. Die beiden Seitenflügel dagegen hatten auf jeder Etage fünf Einheiten bestehend aus Stube und Küche. In jeder Einheit wird eine Familie gewohnt haben. Das bedeutet auf fünf Wohngeschossen je Seitenflügel: 50 Wohnungen. Mit den 10 Einheiten des Quergebäudes (je 1 Stube u. 1 Küche) und den 8 Einheiten des Vorderhauses : insgesamt 68 Wohnungen! (Oder auch 60 Familien in den hinteren Wohnlagen, die sich 25 WCs teilen) #Geschichtspunkte (Quelle: Baugeschichte des Hauses, erarbeitet von Architektin)
Dies ist irgendwie eine Geschichte dieser Zeit und über die reden wir. Es gibt Pläne von 1890 und welche von 1905, daneben gibt es Pläne von 1978, als der stadtweite Sanierungsrun in Berlin-Kreuzberg einsetzte. Großartig klingende Immobilieninvestoren beseitigten die Kriegsfolgen. Dem Krieg war der linke Seitenflügel zum Opfer gefallen, das Dach erhielt nach Bombenschäden und einem nicht näher untersuchbaren Brand eine neue, weit weniger großzügige Eindeckung. In den Innenhof schoss die Stadtplanung eine „Schneise der Lüftung, Öffnung und Hofbarmachung“. Der öffentlich-rechtliche Lückenschluss erfolgte anders herum: Man verfügte in den Siebzigern die Hofentkernung, und den Abriss des einen Seitenflügels. Mut zur Hoflücke.
16. Mai 1914: „Ich bitte Sie eventuell mit Herrn Kollegen Clouth freundlichst Rücksprache nehmen zu wollen, ob dem Betreffenden (Bernstein) nicht geholfen werden kann….sollte dies nicht möglich sein, so beabsichtigt Bernstein, von äußerster Not getrieben, ein Gnadengesuch bei Seiner Majestät dem Kaiser einzureichen. Er ist ein 72 jähriger Mann, durch Operation auf einem Auge völlig erblindet und hat auf dem anderen nur die halbe Sehkraft. Wenn hier dem strengen Buchstaben genügt wird und wie gesagt, keinerlei Vorteile sonst zu erzielen sind, so wird es sich um ein Menschenleben handeln. Ich bitte Sie, da jeder weiss, welcher Tiefstand zur Zeit auf dem Geldmarkt herrscht, um freundliche Unterstützung dieses Gesuches…” (schreibt der königlich Baurat Franz Jaffé, nachdem später die gleichnamige Nachnamenstr. am Eichkamp benannt wurde) #Geschichtspunkte
Der König, seine Majestät, wurde aktenkundig mit dem genannten Vorfall nicht mehr behelligt.
Nur wenig später, am 28. Juni 1914, wurde in Sarajevo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet. Dies löste den 1. Weltkrieg aus. Der Eigentümer des Hauses Bernstein wurde zu einer Sache von nachrangiger Bedeutung. Für Behördenkriege keine Zeit, der Weltkrieg beschäftigte die Deutschen, ihre Losung „Auf in den Kampf, mir jucket die Säbelspitze!“ – Der 1. Weltkrieg endete mit Unterzeichnung der Dokumente im Eisenbahn-Salonwagen in Compiégne, nördlich von Paris, am 11. November 1918. Wenige Monate zuvor, am 25. Juli 1918, hatte der Hauseigentümer Bernstein das Haus mit notariellem Kaufvertrag veräußert.
Franz Jaffé liegt heute auf dem Friedhof IV der Gemeinde Jerusalems- und Neue Kirche. An der nach ihm benannten Straße im Eichkamp soll 2011 die Deutschlandhalle abgerissen werden.