»Es ist eine Lyrik, die man weinend vor Aufregung liest: so rein, so schön, so hell und so bedroht.« Unsererseits provisionsfreie Kaufempfehlung: Selma Meerbaum-Eisinger – Ich bin in Sehnsucht eingehüllt. Herausgegeben von Jürgen Serke, Verlag Hoffmann & Campe hier – im übrigen gilt: Der Bloggwart bekämpft den deutschen Blockwart in uns! Letztere sind die, die neben uns wohnten und unsere geliebten Nachbarn an die Schergen verpfiffen, dann wurden unsere Nachbarn abgeholt und waren nimmer mehr gesehen! Der Blockwart hingegen verlebte noch viele schöne Jahre.
Mit der videotischen Wiedergabe des Orchesterstücks „Brundibár“ (zu deutsch: „Die Hummel“) von Hans Krása beenden wir eine Art Schwerpunkt-Berichterstattung über die diesjährigen Sommerkonzerte am 31. Mai/01. Juni 2011 am Droste-Hülshoff-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf. Aus dem Stück ist die „Suite für Orchester“ (Gesamtlänge des Videos: 18:44 Minuten) zu sehen bzw. zu hören.
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Brundibár (Hans Krása) – gespielt vom Orchester I des Droste-Hülshoff-Gymnasium, Sommerkonzert 31.05.11- via Youtube
Hans Krása (* 30. November1899 in Prag; † 17. Oktober1944 im KZ Auschwitz-Birkenau, Polen) war ein tschechisch-deutscher Komponist. 1938 schrieb Hans Krása die Kinderoper Brundibár für einen Wettbewerb des Ministeriums für Schulwesen und Volksbildung. Wegen des deutschen Überfalls auf Polen gelangte dieser nicht mehr zur Auswertung. 1941 wurde diese Oper heimlich im jüdischen Waisenhaus uraufgeführt. Am 10. August 1942 wurde Hans Krása ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort wurde Brundibár über 55-mal aufgeführt. Im Film Theresienstadt („Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“) wird auch eine Aufführung von Brundibár gezeigt. Im Lager war er mehrere Monate mit Eliška Kleinová verheiratet, um deren Deportation als alleinstehende Frau zu verhindern. In der Nacht zum 16. Oktober 1944 wurde Hans Krása in einen Eisenbahnwaggon mit Ziel Auschwitz verladen. Dort wurde er als „älterer“ Mann sofort nach der Ankunft in der Gaskammer ermordet. (Quelle: Deutsche Wikipedia, hier)
Manche Geschenke sollte man für sich behalten. Sie passen dem Beschenkten nicht recht gut. Manches erweist sich als „der Untergang“, so wie Theresienstadt. Nur mit Zynismus kann man den Menschen auf diese Weise eine Stadt schenken, so wie Theresienstadt. Theresienstadt? Nein danke. Regelrecht erlesen hingegen sind die in diesem Artikel enthaltenen Geschenkempfehlungen in Form von kleinen, silbernen Scheiben, die zu Herzen gehen werden, soviel ist sicher! Jedenfalls für die, die sich noch spüren!
Wenngleich der Inhalt der Oper auf den ersten Blick frei von Politik ist, betonen überlebende Mitwirkende aus Theresienstadt immer wieder, dass Brundibár, der fortgejagt wird, für sie Hitler darstellte, den sie so in der Oper durch ihr Zusammenhalten verjagen konnten. Insofern bekommt die Oper bei genauerer Betrachtung eine zweite, tiefere Ebene als die schlichte Geschichte der Kinder, die Milch für ihre Mutter brauchen. (Quelle: Deutsche Wikipedia, Artikel „Brundibár“ hier)
Das ist das Schwerste: sich verschenken
und wissen, daß man überflüssig ist,
sich ganz zu geben und zu denken,
daß man wie Rauch ins Nichts verfließt.
(Letztes Gedicht im Gedichtsband von Selma Meerbaum-Eisinger, kurz vor ihrer Deportation)
So wie die Musik von „Brundibár“ ihre ganz eigene, umfassende Geschichte hat, die nun für immer auch mit dem KZ Theresienstadt verbunden bleiben wird, so hat der Schweizer Welt- und Jazzmusiker David Klein die Wurzeln der (nur) 18 Jahre alt gewordenen, jüdischen Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger „wiedergefunden“, für sich und mit persönlichen Motiven:
Als Jude haben der zweite Weltkrieg und der Holocaust seit ich denken kann eine Faszination auf mich ausgeübt. Erst als ich im Nachlass meines kürzlich verstorbenen Vaters Oscar Klein einen Brief entdeckte, begann ich zu ahnen, warum das sein könnte. Es war der letzte Brief meiner Urgrossmutter mütterlicherseits aus dem KZ Theresienstadt, kurz bevor sie umgebracht wurde. Die Eltern meines Großvaters haben sich, nachdem sie erfuhren, dass sie nach Auschwitz deportiert werden sollen, umgebracht. Mein Vater hatte darüber nie gesprochen. Er lebte übrigens die letzten zwanzig Jahre seines Lebens in Deutschland und fühlte sich da sehr wohl. Er war auch Musiker und sagte in einem Interview: „Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtsextremistische Gewalt, das ist die Fratze Deutschlands, ihr Gesicht jedoch, ist die Toleranz.“ (Quelle: selma.tv – über „David Klein“ – hier)
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David Klein, Jahrgang 1961, wohnhaft in Basel, Schweiz (weitere Infos: hier), hatte Vorfahren, die durch Theresienstadt gegangen waren. Das verbindet ihn „für immer und seit dem er denken kann“ mit dem zweiten Weltkrieg und dem Phänomen des Holocaust. Selma Meerbaum-Eisinger war Jahrgang 1924, Ilse Weber Jahrgang 1903.
Das Projekt „Selma“ sei „aus Liebe entstanden, und mit Liebe haben wir es produziert und aufgenommen“, sagt Klein. Im Laufe der Arbeit ergänzen und formen sich Faszination und Genialität, geben sich letztlich überraschend schnell die Hand. Selten hat ein Album insgesamt musikalische und literarische Ansprüche so vereint wie diese Produktion. Dem ‚World Quintet‘ ist es meisterhaft gelungen, die Gedichte Selma Meerbaum-Eisingers aus dem mörderischen Braun deutscher Geschichte behutsam musikalisch herauszuheben bzw. im wahrsten Sinne des Wortes zu betonen. Auf der CD „Selma – in Sehnsucht eingehüllt“ haben mit ihren unverwechselbaren Stimmen Sänger wie Xavier Naidoo, Ute Lemper, Reinhard Mey, Sarah Connor, Inga Humpe und Hartmut Engler zwölf ungewöhnlich ausdrucksstarke Gedichte der jungen Lyrikerin interpretiert. Rezensent „Wolle“ via Amazon
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Tauer – World Quintet feat. Herbert Grönemeyer (erschienen 2003) via Youtube
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Das Gedicht „Trauer“ von Selma Meerbaum-Eisinger wurde -sozusagen in einer Art Vorstufe zum großen Hauptwerk „Selma – Ich bin in Sehnsucht eingehüllt“ von David Klein und seinem World Quintet mit Herbert Grönemeyer produziert. Das Hauptwerk, die Umsetzung eines von langer Hand geplanten Vorhabens, erfolgte schliesslich 2005 und bringt einen bunten Blumenstrauß nationaler Gesangs- und Schauspielergrößen auf die Gedichte der jüdischen Poetin. Dem Youtube-Nutzer Funtomas5000 danken wir für die Illustrierung des Liedes!
Eine ganze Zeit ging flöten, aber mit ihr nicht die Musik dieser Zeit, angefüllt mit allem, was gute Musik benötigt. Was David Klein betrifft, so hat er die Musik wesentlich später, um 1995 herum, nachträglich auf die bemerkenswerten Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gesetzt und bekannte Protagonisten der Musik gebeten, ihre Stimmen zu leihen. Wie auch immer die Rückschau in die Vergangenheit ausgehen mag und mit welchen Mitteln sie vonstatten geht: Mit einer Idee schwanger zu gehen ist die Wiege der Tat!
Das Droste-Hülshoff-Gymnasium hat einen bemerkenswerten Stoff aufgegriffen, eine Thematik, an der niemand mit Gewissen vorbeikommt und die Sommerkonzerte 2011 waren daher zusammgefasst äußerst schwanger: bedeutungsschwanger. Ach ja, übrigens: 2012 ist wieder ein Jahr und die Sommerkonzerte des Droste-Hülshoff-Gymnasiums…und vergleicht man das einmal mit der Idee einer Dichterlesung von Wiglaf Droste…
- Video: Wenn das so weitergeht, werden wir alle untergehen….
- Videos: Ilse Weber in Theresienstadt – interpretiert von ….
- Positionen: Heinz Eggert glaubt an Weihnachtswunder und erinnert sich an den 09.01.1984
- Lied des Tages: Take Five – und das Orchester der Droste-Hülshoff-Schule
- Trauer: Mit der eigenen Traurigkeit umgehen! Vom Versuch, Trauer in Worte zu fassen!
- Personen: Selma Meerbaum-Eisinger – eine jüdische Poetin
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