Gesichtspunkte einer Versammlung, vom Vorbereiten einer guten Versammlung

Positionen

Wilhelm R. Frieling, Verleger, Autor, Weblogger

Wilhelm R. Frieling, Verleger, Autor, Weblogger

Eins muss man sich mal klar machen: Es gibt ein Zeitfenster vor Stattfinden der Versammlung. Dieses Zeitfenster nennen wir die Ladungsfrist. Wir senden Papier ab, die Tagesordnung. Es tritt Kenntnis ein. Und nun denken Menschen nach und melden sich. Vielfach auch schon zeitlich vor der Versammlung. Man klopft die Dinge ab, ordnet sich und will dann gut vorbereitet auf die Versammlung kommen. Eine Dame mailt aus Moskau, nun könne sie nicht teilnehmen, weil zwischen Ladung und Versammlung nur rund 2,5 Wochen sind und sich auf diese Weise Flüge nicht kostengünstig buchen lassen. Das ist richtig, aber auch teils nicht zu ändern. Dafür gibt es ja die Ladungsfristen und nicht immer stehen Termine für Versammlungen ein halbes Jahr vorher fest. Können sie auch gar nicht. Denn die Dinge sind im Fluss, und wenn uns die Heizkostenablesefirma einen Strich durch die Rechnung macht, dann ist zufällig genau vierzehn Tage vor der Versammlung noch nicht einmal die Heizkostenabrechnung fertig. Das ist nur ein Beispiel. Dynamik hat das ganze Leben und so vor allem auch die Frage, wie eine gute Versammlung einberufen werden kann.

Die Gesichtspunkte einer einzuberufenden Versammlung von Wohnungseigentümern können sich stündlich ändern, ausweiten, reduzieren und in vollkommen andere, unerwartete Bahnen schlagen. Gruppendynamik. Die Versammlung hat weitreichendes zu beschließen. Wir hören dieser Tage von der internationalen Finanzkrise und es nimmt für uns Wunder, das sich die größten der großen Geschäftsbanken offenbar leichtfertig von sogenannten ‚faulen Krediten‘ trennen dürfen. Auch wenn Finanzminister Steinbrück es eine Weile kategorisch ausgeschlossen hat, so ist doch mittlerweile Stand der Dinge, dass die Banken eigene ‚bad banks‘ ausgründen dürfen, um sich von ‚faktischem Mist‘, schlechten Papieren trennen zu dürfen. Ganz anders verhält es sich trotz aller Reformbestrebungen mit den Wohnungseigentümergemeinschaften.

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Mann mit Hut - Nachdenken

Mann mit Hut - Nachdenken

Jubelten vor kurzem noch die WEG-Kenner, durch das neue WEG werde es zunehmend leichter, sich von ‚faulen, insolventen Wohnungseigentümern‘ zu trennen, so stößt dies doch in der Praxis auf eine Menge Umsetzungsschwierigkeiten. Um beispielsweise 5% des Einheitswerts einer versteigerten Wohnung in Erfahrung zu bringen, birgt das Steuergeheimnis der Finanzverwaltung Fallstricke, und die Finanzverwaltung verweigert die Auskunft. Wir hatten darüber berichtet, denn die FDP-Fraktion des Bundestages fragte ja nach eineinhalb Jahren WEG-Reform gezielt nach. Dass die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft auch den Erwerb von Grundbesitz zulasse, sei obergerichtlich noch nicht endgültig entschieden. Rechtsanwälte weisen uns darauf hin, dass in einem Grundbuchbezirk Rechtspfleger Angebote von WEGs nicht zulassen, in anderen sei dies problemfrei. Wie finanzieren wir dieser Tage all unsere großen Vorhaben:

* Jeder gebäudetechnische Sanierungsfall kommt vor die Kriterienabklopf-Checkliste des beruflichen Hausverwalters. Forderungen der Energie- und Einsparverordnung (ENEV) sind zu berücksichtigen, wenn die Fassade instandgesetzt wird. Wir haben dieser Tage Investitionen von 50.000,- EUR für die putz- und malertechnische Instandsetzung einer Gesamtfassade eines Hauses in Kreuzberg im Vergleich zu 330.000,- EUR für eine vergleichbare Fläche, die mit einer Wärmedämmung (Wärmedämmverbundsystem) eingepackt wird. Ein Eigentümer wendet beispielsweise ein, das sei viel zu teuer. Nun schlägt der technisch nicht versierte Miteigentümer Schulz (* Name geändert) eine vollkommen neue Technik des Wärmedämmens vor. Die Antwort des Architekten ergibt, das System ist siebenfach teurer, als die angebotene Variante konventioneller Wärmedämmung.

* Der ‚faule Eigentümer‘ Maschadopulous (* Name geändert) wird zwangsversteigert. Die WEG überlegt, die Einheiten des Eigentümers zu erwerben, damit nur ja endlich der ersehnte Schnitt erfolgt. Wie soll das finanziert werden? Ist das rechtssicher auszugestalten? Braucht die WEG einen Kredit? Geben Banken Kredite dafür? Ist das überhaupt administrierbar, müssen 30 Selbstauskünfte eingereicht werden, und was ist, wenn einer von den Wohnungseigentümern Hartz IV bezieht? Zieht das die Bonität der übrigen Wohnungseigentümer auf ein schlechteres Rating?

Nein, die Wärmedämmung kommt gar nicht in Frage, derzeit. Der abzuwickelnde Maschadopulous steht eindeutig im Vordergrund. Er ist das wesentliche Problem der WEG. Die Tagesordnung zeigt schon deutlich, es sind sechsstellige Investitionen da, aber die Rücklage darf für derartiges nicht angegriffen werden. Also wird eine Sonderumlage beschlossen, das macht für eine normale Wohnung 5.500,- EUR, fällig und zahlbar wie Wohngeld, binnen 14 Tagen. Schluck. Doch eins merkt man heute: die Tagesordnung greifen die Wohnungseigentümer diesmal sehr aktiv auf und melden sich. Nun steht -nach alledem und noch viel mehr geführten Gesprächen: Die erste Tagesordnung war gut gemeint, sie wird durch eine endgültige Fassung nochmals verändert werden. Die weiteren, festgestellten vier Gesichtspunkte müssen auf jeden Fall noch in die Tagesordnung rein, damit es nicht rechtswidrig ist, über sie zwar zu beschließen, über ihre Behandlung aber hinterher vor Gericht streiten zu müssen, nach dem Motto: ‚Das war für mich komplett überraschend, dass das auch noch mit beschlossen werden sollte! Hätte ich das gewusst, dann hätte ich ….(beliebiges Argument bitte hier gedanklich eintragen….)

Zitat Wenn man sagt, dass man einer Sache grundsätzlich zustimmt, so bedeutet es, dass man nicht die geringste Absicht hat, sie in der Praxis durchzuführen. (Otto von Bismarck)

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