3132/16: Tückisch für Anfänger: Einzugsermächtigung, Ministererlaubnis, Rigaer Str. 94 und Patientenverfügungen

Einzugsermächtigung - Sepa-Mandat

Das Sepa-Mandat hat den Zahlungsverkehr einigermaßen verlangsamt. Dabei wird doch umgekehrt proportional zum Anhäufeln immer neuerer Vorschriften und Regularien die Verfügbarkeit süßen Lebens verunmöglicht. Man hat dafür schlicht keine Zeit mehr: Erst noch die Liste der (neuen) Vorschriften abarbeiten. Nur jetzt ja keine Formfehler begehen. Uff,

Inzwischen muss man, um recht zu handeln, Fristen und (immer weiter ausufernde) Regularien einhalten. Dafür besucht man auch Fortbildungsseminare. Nicht alle übrigens: Wer sich korrekt verhalten will, darf als Bundesminister Ausnahmegenehmigungen nicht in vertraulicher Atmosphäre aushandeln und EDEKA und Tengelmann zusammenbringen. Erzengel Gabriel tat es und wurde richterlich zurückgepfiffen. Die Räumung der Rigaer Str. 94 (Friedrichshain) erfolgte rechtswidrig, urteilt heute das Landgericht. Eine Hausbesetzung ist kein austauschbares Casting für beliebige Filmrollen. Es geht um ganze Lebensentwürfe. Nicht weniger.

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Soweit in den Medien gestern berichtet wurde, geht es den Anwohnern im Rigaer Kiez um das Bewahren letzter alternierender Bewohnermodelle. Es sind kaum noch Häuser besetzt: Der Status der Altfälle ist auf „Vermietungsmodell“ umgeswitcht und damit längst legalisiert. Ross und Reiter nennen: Hausbesetzungen sind seit den Siebziger Jahren immer wieder als Reaktion auf verfehlte Stadtentwicklungsplanungen von Behörden vorgekommen. Sie nahmen ihren Ursprung im Westteil der damals geteilten Stadt.

Gott, was ist die Welt fair geworden. Juristisch vollkommen überbetont: Oder undurchsichtig. Alles geht in Richtung Verschriftlichung. Das ganze Leben, gut aufgehoben zwischen Textbausteinen aller Art. Rechtsanwälte und Notare sind so und sagen, sie wollten sich da nur absichern. Ärzte auch. Eine gesundheitliche Anamnese wird heute nicht mehr vom Arzt ausgefüllt, sondern vom Patienten und ist als rechtliche Freistellungsbescheinigung des Patienten für Kunstfehler aller Art theoretisch zu erwägen Und Architekten. Erst recht Steuerberater. Und die Banken: Schlimm.

Der eingetretene Haftungsfall war vorher allerdings nie besprochen worden: Er kam im subtilen Gedankenmodell des Einzelfalls leider doch nicht vor. Kommt er hingegen erstmals vor, so wird daraus so vollständig als möglich die Konsequenz gezogen. Wenn es die Deutsche Notarzeitung empfiehlt, sind schon morgen sämtliche Textbausteinbibliotheken um diesen einen weiteren Satz ergänzt. Die Lücke ist geschlossen. Bis zur nächsten.

Die übersichtlich große Hausverwaltung entwickelt permanent Textbausteinkästen voll gekonntem Textgerüst. Es geht um Aufgabenerledigung, ohne jedes Mal zu individuellen Formulierungen greifen zu müssen.

Die Folge: Immer mehr Menschen schreiben sich Texte, die man unterschiedlich auffassen kann und in größeren Teilen für überflüssig erachtet. Gut, schlecht, hundsmiserabel oder oberlehrerhaft. Ein Notar verlangt vom Verwalter schriftlich zu versichern, dass gegen den Verkäufer der Wohnung keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Wohngeldrückständen eingeleitet wurden. Das ist kaum seine Aufgabe. Aber es wirkt kompetent und engagiert. Dies nennt man zu schreiben coram publico. So tut es auch der Verwalter. Und weist den Notar in seine Schranken. Was erlauben Verwalter?

Immer schön auf Trab halten. Bitte nicht mich. Es gilt, das Leben der Anderen zu beschleunigen.

Oder zu verlangsamen. Wie beim Sepa-Lastschriftmandat, das man früher Lastschrifteinzugsermächtigung nannte.

Die Einzugsermächtigung des Wohnungseigentümers in Berlin-Wilmersdorf wurde von ihm am 10. Mai als pdf-Formular ausgefüllt und unterschrieben. Der Mann hat das richtige Formular an der richtigen Stelle (im Formulartiger genannten download der Verwalterwebsite) gefunden. Es ist am Bildschirm ausfüllbar, sofern man einen Adobe reader besitzt. Nun trägt das Formular auch ein Kopffeld, in das man sich als Eigentümer richtig eintragen soll, damit die Verwaltung weiß, von wem die unleserliche Unterschrift weiter unten stammt.

Die Mitarbeiterin des Wohnungseigentümers ist zuverlässig. Er sagt, sie weiß vieles besser als er selbst. Der Anruf bei ihr offenbart profunde Sachkenntnis. Wir lernen im Telefonat über die Vorzüge aktueller Aktenverwaltung: Beachte stets beim Bildschirmlesen von Dokumenten, ob hinter Seite 1 noch Seite 2 anhängt. Dass der Eigentümer eine Wohnung hat, für die es eine neue Bankverbindung gibt, nötigt die Frage auf, ob er für das Wohngeld, aber auch für den zusätzlichen Stellplatz die Bankverbindung ändern möchte? Die Frage stellt sich als unnötig heraus. Frau Gewissenhaft (* Name geändert) hat zwei Formulare geschickt. Der Verwalter kann das ja mal übersehen. Sie weiß es noch.

Sie ist durch und durch korrekt. Wie Peitschenhiebe sind ihre Sätze und angefüllt mit Detailwissen. Sie weiß alles, ganz fotografisch genau.

In einem Fall hat sie sich geirrt. Sie hat das Feld für die Bezeichnung des Absenders für den Eintrag des Empfängers benutzt und zweckentfremdet. Dann hat sie da die alte Büroanschrift der Hausverwaltung eingetragen, die 2012 anderswohin gezogen ist. Der Fensterumschlag kam zurück. Informationsmist. Am 12. Juli 2016 (Datum: 10. Mai) geht die neue Einzugsermächtigung ein. Also erfolgt die Umstellung zum 1. August. Weil das doch so ist.

Man muss Fristen einhalten.

Das Leben ist kompliziert geworden. Und verhuscht. Hier und da. Deswegen, weil es so verhuscht, eilig, vollgefüllt mit dringend zu erledigenden Aufgaben ist, liest man vielleicht auch vorgefasst „Türkisch für Anfänger“, dabei heißt der neue Hashtag, einfach aus Spaß an der Freude tatsächlich #tückischfürAnfänger. Spielt auf diese Weise mit unserer Lebenseile und der Tatsache, dass nur noch Bruchteile der Menschheit überhaupt mehr als nur Schlagzeilen lesen und sich ein vollkommenes Bild von einem Menschen, einer Website, einer Zeitung, einer angeblichen Alternative für Deutschland oder was weiß ich gibt. Der moderne Mensch im Informationszeitalter hält sich für gut informiert, dabei ist dieses Wissen oberflächlich, von Überschriften und Hashtags geprägt, die man sich gerade noch merken konnte und ist daher auch nur scheinbar aufgeklärt.

Ich hab es jetzt gut erklärt. Bitte merken.

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