Wilder Westen: Von großen Finalen und vom Duellieren im Kellergeschoss

Sein Sohn sagt über ihn, er sei ‚der alte Haudegen‚. Heut will er wieder einer sein. Das Prozessthema ist ‚Spiel mir das Lied vom Tod.‘ Die Beklagten sollen heute hingerichtet werden. Jedenfalls hinsichtlich ihrer illegalen Büronutzung.

Die Sache war zunächst beim Amtsgericht, doch da ging der Schuss gleich nach hinten los. Der Amtsrichter fand den Stoff nicht schwierig und die Klage Unsinn. Er wies sie gleich ab. Eine absurde Klage. Sie sei eine Contrahage aus ganz anderen Gründen gewesen, berichtete gesichtspunkte.de im April 2009.  Der Fall ist nicht so schwierig. Dem Landgericht reicht es aus, wenn einer von drei Senatsrichtern den Fall allein löst. Er ist nicht weit ab angelegt vom wohnungseigentumsrechtlichen mainstream. Dass derartiges überhaupt eingeklagt wird, ist unter Fachleuten mit Begriffen wie ’sinnlos‘ besetzt, eine Art Rohrkrepierer.

Die Kellerräume, deren Nutzung die Beklagten zu unterlassen hätten, sind auch weiterhin nur in begrenzten Rahmen nutzbar, nicht dauernd, nicht rund um die Uhr. Das will auch niemand. Das reicht den Klägern jedoch nicht aus, sie wollen, was dort stattfindet, komplett aus dem Haus verbannen. Das Prozessziel der Kläger ist in hohem Maße emotional und kaum sachlich überprüfbar. Sie wollen jemanden bestrafen, der es ihnen nicht wert ist, den sie niemals ernstnehmen werden. Sie werden jetzt  einen Platzverweis gerichtlich durchsetzen, bzw. sie versuchen das. Raus aus dem Haus, fort, schließt die Pforten, beendet die Illegalität. Die Kläger bilden sich ein, sie könnten Gerichte und Behörden mit ihrer Auffassung beeindrucken. Die sind genervt.

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Auf erstaunlich unspektakuläre Weise findet nun der Vorsitzende beim Landgericht, dass dieser Fall seitens der Kläger ‚vollkommen aussichtslos‘ sei. Eine sehr einfache Begründung: Er habe sich die Grundakten, das Grundbuch angesehen. Die Einheit, um die es geht, sei bereits am Anfang aller Anfänge  Teileigentum geworden. Da gibt es nichts zu rütteln. Wohnungseigentumsrechtlich muss das abgewogen werden. Die Kläger argumentieren aber immer in einer Art Melange aus bauaufsichtlichen Erwägungen und eigenen (Fehl-)Interpretationen dessen, was die Beklagten tatsächlich tun. So lassen sich Prozesse nicht gewinnen.

Man könne -aus Kostengründen- die sofortige Beschwerde zurücknehmen, empfiehlt der Landgerichtsrichter den Klägern. Dann spart man Geld. Man könne sich auch vergleichen, aber dafür fehlt in diesem Streit jeder denkbare Ansatz. Denn die Kläger wollen sich nicht vergleichen, mit nichts und niemandem.

Sie wollten den finalen Fangschuss abfeuern auf die Beklagten, auf Menschen, die sie betrogen, getäuscht und hinters Licht geführt hatten. Auch wenn’s gar nicht stimmt. high noon, der Moment, wenn die Sonne am höchsten steht, wurde letzten Freitag um zwei Stunden nach hinten verlegt. Die Hinrichtung war längere Zeit schon geplant, heute ist Vollstreckungsstunde. Die Hinrichtung erscheint jetzt plötzlich aussichtslos.

Die Aussichtslosigkeit der Kläger ist richterlich dargelegt. Der Richter fragt noch einmal: ‚Wollen sie die Beschwerde zurücknehmen, wollen sie es bei meinem mündlich begründeten Urteil belassen oder wollen sie ein ausführliches, schriftlich begründetes Urteil?‘ Sämtliche Teuerungsstufen dieses Verfahrens liegen nun vor den Füssen der Kläger, in einer Art gedanklichen Scherbenhaufens. Der Richter fügt noch hinzu:‘ Sie wissen, die Revision zum BGH ist nicht zugelassen!‘

So ist das noch bis zum 30.06.2012, es besteht eine gesetzliche Revisionssperre (§ 62 WEG n.F.)  und WEG-Recht wird in diesen Jahren nur in zwei, anstatt in drei Instanzen gesprochen. Sie beraten sich noch einmal, Sitzungsunterbrechung. Kurz darauf entscheiden sich die Kläger für ein schriftlich, ausführlich begründetes Urteil: volle Kosten, egal, wie viel es kostet, Hauptsache es ist schriftlich da. Auch insofern spricht viel für einen martialischen Charakter der Kläger.

Honig saugen - Foto: Simon T., Fotocommunity

Honig saugen - Foto: Simon T., Fotocommunity

Etwas Schriftliches kann man sich hinter den Spiegel klemmen, man kann es Dritten schicken, die das gar nicht interessiert und man kann Honig saugen (Fotograf Simon T., hier).  So könnte es eventuell doch noch interessant sein, einen aussichtslosen Rechtsstreit geführt zu haben. Man bekommt zwar eine Watsche links und eine rechts, aber in den schriftlichen Gründen, da steht vielleicht etwas, dass man sonst nicht hätte, um anderen gegenüber auszulegen, was das Landgericht allen Belehrungen zum Trotz hatte sagen wollen. Eventuell lassen sich gerichtlich ausgeführte Begründungen dafür um nutzen, um andere nun auf diese Weise ins Bockshorn zu jagen?

Die Daten, die sie sich sonst noch beschafft haben, möchten sie gern aufbereiten, um an einer anderen Stelle vorstellig zu werden. Dazu fügen sie das Urteil bei, in dem steht, es sei nichts gegen die Nutzung der Räumlichkeiten einzuwenden. Weder sei relevant, wie viele Personen sich dort aufhalten, noch sei maßgeblich, ob dort gearbeitet würde, noch sei sonst irgendein Grund dargetan, warum derartiges dort nicht stattfinden dürfe. Ob der Rechtsanwalt der Beklagten noch die vorsorgliche Widerklage weiter verfolgen würde, wonach die Kläger entsprechend der Teilungserklärung nunmehr ausdrücklich zuzustimmen hätten? Das findet der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten nicht, nun, nachdem alles so klar ist.

Zusammenfassend war es alles andere als ein spannender Musterprozess. Stofflich, so ist zu vermuten, hat es das Landgericht eher gelangweilt, in welcher anstrengenden Weise die Kläger ihren Verfahrensbevollmächtigten zum Vortrag verpflichtet hatten. Der Vortrag erschien so ein bisschen künstlich, für Fachleute verdreht. gesichtspunkte.de hat sich kürzlich sehr mit Rabulistik beschäftigt. War das auch Rabulistik? Denn das ist nicht sicher: Der Rabulistiker unter den Anwälten, das war bislang stets der zweite von zwei beschäftigten Advokaten im Auftrag ihres Herrn. Heute ist aber der erste von zwei Anwälten da, wird der nun unfreiwillig ähnlich angezählt?

Das große Finale, der große Belcanto, das Duell fand am high noon, nachmittags um 14 Uhr statt. Die Beklagten haben zuerst geschossen: ein großer Unsinn ist tot und liegt zwischen den Bahnschwellen an der Zugstation. Und über allem Unsinn, der hier gesagt wurde, liegt bleiern die sinnstiftende Musik von Ennio Morricone: ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘ – es kam ganz anders, als die Kläger wollten. Nicht die Beklagten sind tot, sondern die fixe Idee der Kläger. Gut so. Weiter arbeiten…

2 Gedanken zu „Wilder Westen: Von großen Finalen und vom Duellieren im Kellergeschoss

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