Zitat des Tages: Die Entfernung eines Erdtanks als Vorwand und Enteignung der WEG

Bloggwart

In einem Schriftsatz eines sicherlich ungenannt bleiben wollenden Verfahrensbevollmächtigten lesen wir folgenden bemerkenswerten Satz:

Zitat Es ging auch nicht um die Entfernung des Erdtanks, sondern darum, dass die Xy-Partei (* Name geändert) die Entfernung als Vorwand benutzt hat, umfangreiche Erdbewegungen links vom Gebäude durchzuführen, d.h. dort das ansteigende Grundstück auf Straßenniveau zu vertiefen und die Erde abfahren zu lassen, d.h. eine Enteignung der WEG vorzunehmen. Mutterboden kostet Geld.“

Lachfaktor 12 auf der von 1 bis 10 gehenden Humorskala. Berlin, wie es singt und lacht!

Hintergrund

In einer Teilungserklärung eines kleinen, von zwei Familien mit ausgebautem Dachgeschossbüro bewohnten Hauses war geregelt worden, dass die im Erdgeschoß gelegene Wohnung(en) ein Sondernutzungsrecht an den Außen-Gartenflächen besitzt. Allerdings befand sich im Bereich dieses Gartens auch ein außenliegender 10000 Liter-Öltank. In der Teilungserklärung der Wohnanlage war demzufolge geregelt worden:

***

Zitat Bei Erforderlichkeit des Austauschs des Heizkessels bzw. der Modernisierung der Heizungsanlage wird vereinbart, dass die Umstellung und der Anschluss an Erdgas erfolgt. Zur Ordnungsmäßigkeit der Maßnahme gehört insbesondere auch das Entfernen des derzeitigen Erdtanks in umweltgerechter Art und Weise (einschließlich aller hierzu erforderlichen Folgearbeiten zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes) auf Kosten der Gemeinschaft.

Die Heizung wurde auf Gas umgestellt, der Tank musste also raus. Die „kalte Enteignung der WEG“ durch den zur alleinigen Sondernutzung des Gartens berechtigten Eigentümer, Erde abfahren zu lassen, erfolgte auf folgender Grundlage (Teilungserklärung),

Zitat Die im Erdgeschoß/Hochparterre befindlichen Wohnungen mit Gartennutzung sind in Abweichung der hiesigen Regelung zu Ziffer 1., 2. und 3. berechtigt, in ihrem Sondernutzungsbereich (der Gartenanlage) nach eigenem Ermessen gartenarchitektonisch Maßnahmen durchzuführen. Das Aufstellen von Geräte-, Garten, Teehaus- und Sauna, Spielgeräten, Grillplatzbefestigung, Stellplätzen (auch befestigt und überdacht), die Einfriedung der Sondernutzungsbereiche u.v.a. ist hierin eingeschlossen, ohne dass es hierzu einer vorherigen Genehmigung durch die übrigen Miteigentümer bedarf.

In dem gerichtlichen Verfahren geht es aber eigentlich gar nicht um den Erdtank. Der Rechtstreit betrifft die Einfriedung des Grundstücks nach vorn zur Straße raus. Merke: Rechtsanwälte habe einträgliche Zeiten, wenn Parteien sich gern streiten. Manche sind auch ‚Auftrags-Schriftsteller‘ und dann schreiben sie gern „coram publico“ (in aller Öffentlichkeit, in diesem Fall das, was die Mandantschaft gerne liest). Derartige Textbeiträge vor Gericht sind nicht unbedingt essenziell für die  Streitthematik Zaun vorn, sondern sie verstehen sich als Kolorit. Eventuell erfolgen sie auch in der Absicht, den Gegner zu unterminieren, bei Gericht in Verruf zu bringen. Nirgends wird auch so viel gelogen, wie vor Gericht. Richter sind ganz arme Menschen, weil ihnen von Parteien oft schlicht abwegiger Vortrag angeboten wird, der mit dem Streitthema gar nichts zu tun hat.

Oder überflüssiger Unsinn, ganz wie man meint. Dass aber ein Sondernutzungsberechtigter eine WEG enteignet, wenn er Mutterboden (Erdboden? Güteklasse?) nach dem Ausbau eines Tanks abfährt, um auf der Seite eine Niveaukorrektur zur Straße hin vorzunehmen, das hat auch der hiesige Berichterstatter noch nie gehört. Und daher denkt er gerade dran, ob wohl die WEG den Aushub bei ebay hätte meistbietend versteigern sollen und ob es dazu eines Beschlusses bedurft hätte?

Fragen über Fragen, man will lieber gar nicht weiter denken. Sehr lustige Idee, die sich der Herr Rechtsanwalt da einfallen lassen hat. Aber leider reine Fantasie.

Mitte der 80iger Jahre übernahm ich mal eine Wohnanlage im sozialen Wohnungsbau. Das ist lange her. Die Mieter dort führten mit der Vermieterin, die ich vertrat, einen Musterprozess über richtige Heizkostenabrechnungen. In einer Prozessakte der Vorverwalter-Kollegin stand mit Bleistift auf einem Schriftsatz eines Rechtsanwalts dünn, und daher radierbar geschrieben: „Wenn ein Anwalt nichts weiß, schreibt er Scheiß“. Ich habe diese kleine Inspirationsquelle mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen. Obwohl die kleine Begebenheit mit dem vorangestellten Fall vermutlich gar nichts zu tun hat.

Ein Gedanke zu „Zitat des Tages: Die Entfernung eines Erdtanks als Vorwand und Enteignung der WEG

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