619/2010: Goldene Worte: Über das glimpfliche Ende eines Rechtsstreits über Wohngeld in Berlin

Portal Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg

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 In dem Rechtsstreit WEG Irgendwostraße in Berlin-Nirgendwo (* Ort geändert)
78 C512/09 WEG (* Verfahrensnummer geändert)

teilt die Beklagte mit, dass sie die Zahlung der Hauptforderung nebst Zinsen zur Erhaltung des Rechtsfriedens am Donnerstag, dem 14. Januar 2010 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin geleistet hat. Die Beklagte ist gerade erst in das Haus eingezogen und zieht es vor, die mögliche Zerrüttung mit der Wohngemeinschaft aufgrund des Rechtsstreits durch Zahlung des geltend gemachten Betrages zu vermeiden. … Die Beklagte kündigt ferner an, für den Fall, dass die Klägerin die Erledigung des Rechtsstreits erklärt, auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“ (Quelle: Schriftsatz einer Rechtsanwältin)

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Allerdings: So kann man das zwar sehen, der Realität wird das nicht gerecht. Und der hiesige Rechtsstreit spielt auch nicht in Tempelkreuz (berolinisch für den Amtsgerichtsbezirk Tempelhof Schrägstrich Kreuzberg), sondern in der Außenstelle Lichterfelde des Amtsgerichts Schöneberg. Die neue Wohnungseigentümerin hatte die Einheit in der Zwangsversteigerung billig erworben, wenn man die Preise dort, in sehr guter Wohnlage, miteinander vergleicht.

Das Lamento (Definition: hier)

Dass Wohnungseigentümer mit Wohngeld ausfallen, ist bekannt. Dass ausfallende Wohngelder bei fruchtloser Zwangsvollstreckung sodann ausgebucht werden müssen, weil sie nicht mehr betreibbar sind, ebenfalls. Darüber dann als neuer Wohnungseigentümer lamentoartig Schriftverkehr (auch mit der neuen) WEG-Verwalterin führen zu wollen, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, wenn brieflich hinreichend nachgelesen werden kann, dass sich eine neue Wohnungseigentümerin expressis verbis weigert, die auf ihr Sondereigentum entfallende Sonderumlage zu entrichten. Denn dies Geld wird zur rechtssicheren und nachhaltigen Bewirtschaftung der Wohnanlage dringlich benötigt. Um wegen Wohngeld zu streiten, kommen manche Kontrahenten gar auf die Idee, ein Kontrahage zu führen. Etwas Ähnliches stand nach Einschätzung der (neu im Amt befindlichen) Hausverwalterin auch hier unmittelbar bevor.

Serie: Plattitüden: Starker Tobak

Serie: Plattitüden: Starker Tobak

Zu dieser Einschätzung war sie gelangt, weil vorgerichtlicher Schriftverkehr des Lebensgefährten der Wohnungseigentümerin in vagen Ankündigungen verweilte. Ob beispielsweise eine Sonderumlage zur rechten Zeit gebildet worden sei und nicht etwa rechtsmissbräuchlich und in der (fiesen) Absicht, seine Lebensgefährtin in Folge vorwerfbaren, zögerlichen Zuwartens auf einen günstigen Zeitpunkt ….(vorsätzlich) zu schädigen, usw. und so fort. Die Briefe kamen vermeintlich kluggemeint daher, für den kenntnisreichen Leser aber eher possierlich und ließen einen latenten, bedrohlichen Unterton kaum überhören. Gedankenspiele eines Lebensgefährten, der strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der übrigen Wohnungseigentümer zu sehen meint, dies nennt man in Plattitüde ausgedrückt ‚einen starken Tobak‚. Betroffen hier aber auch: Nichtraucher. Die dazu passende Bauernregel aus der niemals ausgestrahlten Folge Verwalter sucht Frau zwecks Zahlung von Wohngeld… lautet: Die Enten sind am Ende fett.

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Und weil die Dame trotz aller ernstgemeinten Mahnungen nicht gezahlt hat, und erst dann, ist nunmehr Klage auf Zahlung erhoben worden. Mit überraschend schnellem Einlenken der Gegenseite, die -wie oben nachgelesen werden kann- nicht nur die Hauptforderung ausgeglichen hat, sondern auch angekündigt hat, die Kosten dieses (vermeidlichen) Rechtsstreits zu übernehmen. Einen Menschen, der sich für Computer begeistert, nennen die Menschen gern PC-affin. Wenn Wohnungseigentümer sich so verhalten, kann man das als brav bezeichnen, denn es führt tatsächlich zur Befreiung von solchen Prozessen, die überflüssiger als flüssig sind. Oder man nennt es bravin. Oder bravurös? Egal, die Sache findet Erledigung. Die Liste der vermeidbaren Verfahren ist kürzer geworden, eins davon ist abzuhaken: Erledigt.

Die Mitarbeiterin der hier ungenannt bleibenden Hausverwaltung sagte noch, sie hätte angesichts dieses Schriftsatzes lächeln müssen. Wir auch.

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