1028/10: Kommunikation: Es ist schwierig. Verwaltung, Mieter, Wohnungseigentümer – alles Menschen!

Es kann einem wirklich leidtun, wenn Wohnungseigentümer als Vermieter an Mieter geraten, die nichts besseres zu tun haben, als nachts seitenlange Stellungnahmen darüber aufzuschreiben, wie die Welt wirklich ist, wie mängelbehaftet, wie unfotogen (Beweis: x Digitalfotos) einerseits. Wie unzuverlässig, dumm, faul und mopsig andererseits die Hausverwaltung ist und natürlich nicht die Vermieterin selbst, denn es ist nicht in erster Linie das Bestreben dieses Mieters, die Miete zu mindern. Nein, sein Ziel, so sagt der Mieter doch tatsächlich schriftlich, ist: „dass das Haus und das Grundstück in einem Zustand gehalten wird, wie dies Mieter und Vermieter sich sicherlich gleichermaßen wünschen.“

Wir schwimmen durch die verschiedenen Gewässer des Lebens und ob wir unter Wasser was sehen, das ist eine ganz andere Frage. Wie im Falle der Kommunikation zwischen verschiedenen Menschen. Handwerker kommen und reparieren etwas. Mieter wohnen in Berlin-Wilmersdorf und meinen, Ansprüche zu besitzen. Wohnungseigentümer haben Wohnungen gekauft und fürchten Mietminderungen ihrer Mieter, wenn nicht alles 100% klappt. Die Hausverwaltung verwaltet das Haus, genauer alles das, was außerhalb der Wohnungen (Gemeinschaftseigentum) liegt.

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Der Querulant

Der Querulant

Und alle reden aneinander vorbei.

Mieter mobbt Hausverwaltung, mit der er nichts zu tun hat. Mieter mobbt Eigentümer, indem er angibt, Hausverwaltung zu mobben. Mieter mobbt Umwelt. Mieter ist Schriftführer gegen den allgemeinen Zustand der Wohnanlage selbst. Eigentümer fühlt sich überfordert: Das Leben ist zu kompliziert. Leitet als Durchlauferhitzer Korrespondenz des gerne schreibenden Mieters an die Hausverwaltung weiter. Diese antwortet binnen weniger als eine Stunde per Email und bittet darum, weitere Korrespondenz des Mieters nicht mehr weitergeleitet zu bekommen, sondern klare, fassbare, sachliche Aussagen, die die gemeinschaftl. Verwaltung betreffen. Gott, wer hätte das geahnt?

Der Mieter, das ist so ein Eloquenter, ein Gescheiter. Oder hält er sich nur für gescheit? Ist jemand gescheit, der so ist wie er? Er ist nur einer von zwei Mietern! Beide zusammen verfassen Emails, aber in den Emails unterscheidet er durch Hinzufügung des Wortes „Verfasser“ und hebt in der Email-Signatur hervor, wer von beiden verfasst hast und wer nicht! Schon das ist ganz bemerkenswert. Er spricht und redet hauptsächlich für sich selbst, würde man jetzt vermuten wollen. Ist wenn einer sich als Verfasser geriert, der Andere ein Dulder dessen? Oder ein Akzeptanzler? Oder findet dieser dann diese Seite des Verfassers im Grunde abstoßend? Bzw. besonders erfolgversprechend? Egal.

Wenn einer von mehreren Vertragsparteien einen Salm zu einer Sache schriftlich abgibt, so kann man für gewöhnlich diese Äußerungen auch dem anderen zurechnen, der sie selbst nicht geschrieben hat, vielleicht nicht einmal kennt. Es gilt Gesamtschuldnerschaft. Oder etwa nicht? Das bedeutet: Wer sich als Mensch gern besonders stark hervortut, sollte sich in Teamzusammenhängen wie diesen im Vorhinein vergewissern, dass es dem weiteren in diesem Konstrukt gefällt, was man tut, zu tun beabsichtigt. Denn ist das nicht der Fall, so ist gleichwohl ein etwaiges Fehlverhalten eines starken, unverbrüderlichen Schriftstückeverfassers dem weiteren Vertragspartner mit zuzurechnen, auch und sogar dann, wenn es sich um ein mietvertragliches Fehlverhalten handelt. Hinzu kommt noch der Aspekt der Schämung: Fremdschämen, Schämen, den Gedanken unangenehm finden, ….aber findet man das heut noch?

Er schreibt sehr gern nachts. Bei Kerzenschein und einem guten Glas Rotwein? Die Email, die er absetzt, ist lang und wohldurchdacht, psychologisch raffiniert, scheinbar sehr freundlich und er setzt sie -vielleicht nach ein paar Gläsern Wein?- um 2:38 Uhr PM (nachts) ab. Er beginnt sie mit der vertraulichen Anrede „Liebe Frau..“., das ist die Wohnungseigentümerin. Alles was er schreibt, hat viel zu viel Hand und Fuß, es ist nicht, wie die Wirklichkeit war und ist, sondern wie sie sein soll, festzementiert. Ich schreibe, also bleibe ich, ich kommuniziere, also kann ich Beweise erbringen, wie es ist.

Seit unserem Telefonat am letzten Mittwoch habe sich „wenig verändert“, sagt er seiner Vermieterin. Die Elektrofirma habe ihn nicht zurückgerufen, trotzdem er auf dem AB der Firma eine Nachricht hinterlassen hätte. Seit Donnerstagabend funktioniere die Klingel wenigstens wieder. Anders herum gesagt: Es hat sich viel geändert. Die Klingelanlage war ausgefallen. Die Elektrikerfirma hatte noch am Mittwochnachmittag (dem Tag der auftretenden Störung) den Schaden messtechnisch in einer ganz bestimmten Wohnung des gesamten Elektrostranges festgestellt. Man kann das machen: 2. OG. links, die Wohnungssprechstelle, da ist die Ursache. Das geht bei modernen Anlagen.

Für Korrespondenz, Rückrufe und Trallala mit einem Mieter, dessen Wohnung mitbetroffen ist, hatte der Elektriker keine Zeit. Das wird ihm auch nicht bezahlt. Ihm wird bezahlt, dass er „an der Front“ die Ursache sucht, und nicht die Verwaltung zärtlicher Rückrufanliegen. Wo lebt denn dieser Mieter? Alles aufgebauscht, aber nichts dahinter. Es gehört zur Ehrlichkeit, der Wohnungseigentümerin, die diesen Mieter hat, das zu sagen. Der Mieter lebt nachts um 2:38 Uhr in einer Scheinwelt des Schriftlichen und konstruiert die Versäumnisse der Umwelt.

Mit System: Die Email vom Sonntag ist in der Nacht um 02:38 Uhr abgesetzt. Eine weitere, ebenfalls lange Textmail setzte er ein paar Tage zuvor nachts um 02.12 Uhr ab.

Und es hat den Anschein einer gewissen Scheinheiligkeit, eine Art gestelzte Freundlichkeit. Liebe Vermieterin, ich werde dich jetzt mal unterrichtet halten über alle Aspekte des Lebens in meiner Mietwohnung, geschrieben nachts um 02:38 Uhr. Damit die Vermieterin aber nicht nur zufrieden ist, dass seit Donnerstag die Klingelanlage wieder in Ordnung ist (Mittwoch zu Donnerstag war sie also aus), bemängelt er nun noch die Beleuchtung unten an der Straße am Klingeltableau. Nach „seinem Ermessen“ deutet das darauf hin, dass die Klingeltasten überhaupt nicht mit Energie“ versorgt werden. Wieso nach seinem Ermessen?

Er hat nun erneut eine Nachricht auf dem AB der Elektrikerfirma hinterlassen und mit „größtmöglichem Nachdruck darauf hingewiesen“, er erwarte, dass dieser Defekt am Montag beseitigt und er habe „keinerlei Verständnis mehr“. Auch habe er (den Anrufbeantworter!) darauf hingewiesen, dass er die Miete mindern werde.

Ich kann als Verwalter mit einiger Berufserfahrung nur sagen, dass das ja ein nettes Menschenkind zu sein scheint. Null Verständnis für die schwierige Situation, null Empathie, Einfühlungsvermögen, ein rücksichtsloser Mensch, der lediglich nur „sein Ding“ im Kopf hat, und das aufs Geratewohl durchzieht. Sprachlich hangelt sich die noch bei weitem längere Email immer wieder an Freundlichkeiten entlang, die man bei genauerer Aufschlüsselung der „harten Fakten“ nur noch als pure Unfreundlichkeit gegen die Vermieterin auffassen kann. Er liefert die Wohnungseigentümerin mit seinen Forderungen, Fotos vom Wetter draußen (ja, Wetter, Wetter, Wetter) ans Messer einer ausstehenden Streitigkeit, anstatt sich nicht zu sorgen, sondern zu leben!

Es war der Künstler Max Liebermann, dessen folgendes Zitat weltberühmt wurde:

„Ach, wissen Se, ick kann jar nich soville fressen, wie ich kotzen möchte.“ (Link) – Zeitgemäss übersetzt müsste es nun der Mieter auf sich selbst bezogen umformulieren und schreiben:“Ich kann gar nicht so viel emailen, wie ich kotzen möchte.“ – Der Unterschied: Mit fast demselben Satz kann der eine ein Kotzbrocken sein und der andere ein Verfolgter, ein Gejagter.

Ja, die Zeiten haben sich stark verändert.

Jetzt fehlt nur eine Doku-Soap irgendeines Privatfernsehsenders, der die Serie „Du und dein Vermieter“ in Episodenform ausbreitet.

Es gab zwar schon immer große Briefeschreiber, die es ablehnten zu leben, anstatt zu schreiben! Aber es ist viel leichter geworden, jegliche Meinungsäußerung nur noch schriftlich einzufassen, sie formlos abzusenden und damit jemand anderem seine persönliche Messlatte vor die Füße zu …. – doch auch das bedeutet noch nicht, dass es richtig ist, viel von solchen Meinungsäußerungen abzusondern. Wer Texte absetzt, hat diese Erfahrung schon x-mal gemacht: Nicht in der Menge eines Textes, sondern in der Kraft der einzelnen Sätze liegt das Geheimnis erfolgversprechender Kommunikation. Und leider ist es so: Je mehr einer Text absondert, desto mehr hat ein Leser auch die Möglichkeit, dieses ganz besonders absonderlich zu finden, vor allem in den Nebensätzen.

Vor jede schriftliche Meinungsäußerung zu Fragen wie diesen gehört zu überlegen! Ob es nicht besser wäre, bestimmte Sachen lieber gar nicht erst zu sagen. Es hätte ja in diesem Beispielfall auch eine SMS gereicht: Hallo, hier Mieter, Klingelschildbeleuchtung noch defekt, bitten um Veranlassung! Danke, schönes WE, Ihr Mieter. Der Ton macht die Musike.

Halt die Klappe! Ich hab Feierabend! (sagt Schildkröte)

Halt die Klappe! Ich hab Feierabend! (sagt Schildkröte)

Ein Gedanke zu „1028/10: Kommunikation: Es ist schwierig. Verwaltung, Mieter, Wohnungseigentümer – alles Menschen!

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