In der Kundenbeziehung eines WEG-Verwalters gilt das Mehraugenprinzip

Das Mehraugenprinzip

Das Mehraugenprinzip

Aus einer Email an verschiedene Wohnungseigentümer:

ZitatAnbei Rechnungsvorgang, bereits durch Architekt geprüft an sechs weitere Augen mit der Bitte um weitere Freigabe durch vier Augen….Danke. Frau Xy nimmt die Freigabe entgegen und weist dann den Rechnungsbetrag an.“

So oder so ähnlich laufen eine Vielzahl von Vorgängen in einer Art fast automatischem workflow.  Ein Architekt hat die Handwerkerrechnung geprüft. Er gibt sie in einer Weise frei, die Prüfvermerke enthält. Die dann übersendete Handwerkerrechnung (mit Prüfvermerk) gibt der Verwalter -sicherheitshalber- noch einmal an „dazu berufene Wohnungseigentümer“ (der Anlage in Zehlendorf) weiter. Denn mehrere Augen sehen mehr als nur zwei, die sich anschicken, Rechnungen zu bezahlen. Sicherheit durch Transparenz.

Diese Rechnung wird angewiesen aus innerlicher Akzeptanz, aus der Mitkenntnis (mehrerer) relevanter Miteigentümer und mit einem guten Gefühl, dass sie nun bezahlt wurde. Am Ende dürfte da auch ein Handwerker sein, der mit seiner Kundin und ihrer guten und gewissenhaft anmutenden Zahlungsmoral positiv angesehen wird. Alle sind zufrieden. Nichts lief versehentlich, nichts geschah ohne Mitwissen relevanter, freiwilliger Teamworker.  Ein ganz anderes Beispiel.

***

Ein Wohnungseigentümer hat sich an ein Spezialgericht gewandt, mit dem WEG-Verwalter nur selten zu tun haben. Sein Ziel ist es, Leistungen vom Jobcenter irgendeines Berliner Stadtbezirks durchzusetzen, damit er die lfd. Kosten seiner Eigentumswohnung bezuschusst bekommt. Die Verwalterin der Wohnanlage (in Kreuzberg ansässig) bekommt eine Anfrage dieses Gerichts, die sie innerhalb einer gesetzten Frist beantworten muss. Die Angaben sind für die Entscheidung erheblich. So ist es zu vermuten.

Die (sachlich erforderliche) Stellungnahme geht über eine übliche Anfrage weit hinaus, so stellt sich heraus. Gegenüber Gerichten sind ‚wir alle‘ zur Wahrheit verpflichtet. Wir dürfen nicht lügen, wir müssen Dinge sagen, die dazu gehören. Auch wenn sie nicht direkt im Fragekern des anfragenden Gerichts liegen. Weil die Vermutung besteht, dass die umfassend richtige Stellungnahme dem Verfahren die offensichtlichen Verfahrensmängel nimmt, die der Antragsteller dort (eventuell) verschwiegen hat.

Der Gerichtssprengel eines solchen Gerichts ist ein weites Feld. Der betroffene Wohnungseigentümer, dessen Lage wir genauestens seit Jahren schon kennen, hat uns vorher nicht gefragt. Er hat diesen Antrag einfach so gestellt. Man sagt dazu, ins Blaue hinein. Er muss uns auch nicht fragen, wir antworten eben einfach ohne ihn und so, wie wir es für richtig halten. Doch Stopp: Vorsicht ist geboten! Denn was ein Verwalter in solchen Fällen zur Aufklärung eines Falles vorzutragen beabsichtigt, ist (nach hiesiger Auffassung) für die verwalteten, übrigen Wohnungseigentümer von Belang. Sicherheit durch Transparenz. Entscheidungen wie diese auf mehrere Schultern verteilen: ein anderes geläufiges Prinzip.

Was die Verwalterin dazu zu erklären hat und was nicht, ist daher eine Frage des Mehraugenprinzips. Ein Schriftsatz ist entworfen. Nun kursiert er (in diesem Fall) unter den 10 bis 12 Augen, die sich mit dem Vortrag der Verwalterin intensiv auseinandersetzen. Eine Miteigentümerin der Anlage, die betroffen ist, hat noch jede Menge gute, hilfreiche Gedanken dazu. So dass es eine Geschichte wird, die den richtigen Dreh hat, Schmackes, durchdacht. Die Verwalterin schmort im eigenen  Saft. Vor anderen Sorgen schon ganz grau.

Wieder anderes aber fügt die Miteigentümerin hinzu, es sind weitere Gesichtspunkte, die zu vergessen sogar gewissermaßen dämlich wäre. Das Beste an allem: mit der sorgfältigen Befassung eröffnen sich weitere Ausflüge in verschiedene Dezernate der Berliner Justiz. Einige davon machen Zivilrecht, andere WEG-Recht, in seltenen Fällen hat man mit Sozialgerichten zu tun oder auch mit Strafrechtlern. Keiner kennt den Menschen ganz, der hinter diesem Antrag ans Sozialgericht steckt. Bzw. die Menschen. Der ganze bunte Blumenstrauß der Paragraphenwelt wird nun wie hier in ganz wenigen Ausnahmen insgesamt vernetzt. Der Antragsteller wird erkannt. Sein Credo, erst die anderen bluten zu lassen, und schliesslich auch die öffentliche Hand, weil er erst jetzt die Sache öffentlich macht. Es ist für die Antragstellung viel zu spät. Zu viele andere haben jetzt schon Kenntnis, wie alles gelaufen ist. Und: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Am Ende ist es ein Filetstück „mit Saft und Kraft“, dieser Schriftsatz. Und -vegetariergerecht ausgedrückt:  ein ganz hübscher Salat mit leichtläufiger Sauce. Er wird für positive Veränderungen im Leben vieler Menschen sorgen. Die WEG-Verwalterin ist beruhigt. Sie ahnt instinktiv: Es war richtig, mehr als nur die eigenen zwei Augen auf  so ein Dossier schauen zu lassen. Hinterher bekommen alle Beteiligten die endgültige Fassung dessen, was ans Gericht abgeschickt wurde. Alle freuen sich. Das Mehraugenprinzip hat wieder einmal bestens geklappt.

Im Unterschied zum Mehraugenprinzip kann der einzelne durchaus der Einäugige sein, oder auch der Blinde, denn er hat einen Nachteil: Es kann nicht teilen. Deswegen gilt in einer modern geführten (WEG-)Verwaltung das Mehraugenprinzip. Ganz einfach. Damit ‚die Einäugigen‘ und die ‚Blinden‘ von den ‚Sehenden‘ überholt werden, die die Leidenden sind. Gemeint sind nicht Sehbehinderte, sondern solche sehenden Auges.

Ein Gedanke zu „In der Kundenbeziehung eines WEG-Verwalters gilt das Mehraugenprinzip

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