Berlin hat gute Erfahrungen: Die Zuständigkeit der Abteilung 21 – doch Opfer melden Kritik an

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Screenshot parlamentsferien.de

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Zitat Die Verfahren werden in der Abteilung 21 der Amtsanwaltschaft geführt. Diese Zentralisierung der Bearbeitungszuständigkeit hat sich bewährt. Sie ermöglicht eine besonders effektive und nachhaltige Verfolgung jener Verstöße. Die Zusammenarbeit zwischen der zuständigen Abteilung der Amtsanwaltschaft Berlin, dem Familiengericht und der Polizei gestaltet sich gut.“ (Quelle: Drucksache 6/12 132, Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD), Antwort vom 05 Juni 2008, Justizsenatorin von der Aue, vollständiger Wortlaut der Anfrage hier)

Sven Kohlmeier (SPD) wollte vom Senat wissen, welche Erfahrungen das Land Berlin mit dem (2002 eingeführten) Gewaltschutzgesetz (GewSchG) gemacht hat? Die seit 2002 bis 2007 geführten Verfahren gibt der Senat wie folgt an (auf Bild klicken) Anzahl Verfahren GewSchG 2002-2007  (Quelle: Senat Bln)

Anzahl Verfahren GewSchG 2002-2007(Quelle: Senat Bln)

Anzahl Verfahren GewSchG 2002-2007(Quelle: Senat Bln)

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Allerdings sind die Maßstäbe für die Datenerhebungen während des Erfassungszeitraums unterschiedlich gewesen.

Die kursiv gesetzten Zahlen beziehen sich auf Verfahrenserledigungen; Eingangszahlen liegen zu einem aufschlussreichen Vergleich daher nicht vor. Eine Erfolgs- bzw. Trefferquote also auch nicht. Die Zahlen für die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren umfassen auch Erledigungen durch Abgabe oder Verbindung. Zu dem Anstieg der Erledigungen ab dem Jahr 2005 und dem Rückgang im Jahr 2007 ist zu bemerken, dass dies vornehmlich aus der Änderung der Erfassung der Eingänge bei der Amtsanwaltschaft resultiert. Erst im Laufe des Jahres 2004 wurde damit begonnen, die von der Polizei gebildeten Sammelvorgänge nach der Zahl der verbundenen Einzeltaten zu erfassen. Diese Praxis wurde im Jahr 2007 wieder aufgegeben. Man sieht also, die Art der Datenerhebungen wechselte immer wieder mal. Und noch mehr: Nicht einmal der Anteil an weiblichen und männlichen Antragstellern wurde ermittelt. Die Zahlen sind also so wirklich aussagekräftig (noch) nicht.

Sven Kohlmeier (Quelle: Homepage)
Sven Kohlmeier, SPD (Quelle: Homepage)

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Zu überlegen ist tatsächlich, ob nicht einmal ein refresh dieser Anfrage sinnvoll wäre? Denn die Art und Weise der uneinheitlichen Datenerhebung lässt noch zu wenige Rückschlüsse allgemeiner Art zu, wie z.B. Aussagen über die Erfolgsquoten, tatsächliche Verteilung über den Geschlechterproporz und vieles mehr. Dass die Bildung der Spezialabteilung komplett abgeschlossen ist, könnte ein Gerücht sein. Bei Anfragenden wird am Telefon schon mal gesagt, das sei ja eine ganz neue Abteilung, die erst dieses Jahr an dieser Stelle beheimatet ist.

Zitat „Die meisten kommen durch sanften Druck zu uns“, so der Psychologe Gerd Hafner von der „Mannsarde“, einer Beratungsstelle für Männer. Kommt eine Beratung zu Stande, geht es fast immer darum, dass „die Männer erst mal lernen, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen“. (Quelle: Berliner Mieterverein, hier)
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Hinzu kommt die Forderung nach transparenten Bearbeitungszeiten bei der Amtsanwaltschaft. Bei Hilfesuchenden ist der Eindruck einer betätigungs- und wirkungslosen Bearbeitung entstanden. Diese erstreckt sich manchmal noch nach einem Monat lediglich nur auf die Bekanntgabe eines Aktenzeichens. Der Emailzugang zur Amtsanwaltschaft gestaltet sich kryptisch. Wer auf Autoreply-Antworten der Amtsanwaltschaft nachfragend reagiert und meint, diese Textbausteine unverständlich zu finden, erhält keine Antwort. Ob es konkret besser sei, eine derartige Anzeige bei der Amtsanwaltschaft einzureichen oder lieber bei der Polizei? Keine Antwort. Die behördlichen Abläufe folgen einem festen, für den Laien unbekannten Schema. Nach Wochen (und teils Monaten), wenn das Aktenzeichen (endlich) vergeben wurde und mitgeteilt ist, entscheiden Amtsanwälte, ob noch Ermittlungen zur Sache erforderlich sind. Diese werden nicht von ihnen selbst angestellt, sondern von der Berliner Polizei. Die Berliner Polizei hat auf diese Weise in konkreten Stalkingsituationen auf diese Weise bei entsprechender Vorkenntnis des Petenten schon Vorgänge auf dem Tisch, die sie einem Vorgang der Amtsanwaltschaft nicht zuordnen kann. Diese ‚kopflosen‘ Aktenüberstücke sind Fremdkörper in einer Flut anderweitiger Ermittlungsvorgänge. Die Sachbearbeiter haben zudem Nacht- und Außendienste abzuleisten und finden nicht genug Zeit für die Arbeit am Schreibtisch. Opfern wird daher bedeutet, die Zahl der Eingaben anlassunabhängig auf dem geringstmöglichen Level zu halten. Was menschlich verständlich ist, aber keine adäquate Ermittlungsarbeit mehr ist.

Zudem erfahren weitere Anzeigen, die zur selben Sache hinzukommen, eine vorläufige Chaos-Strategie:  Erledigung durch Zeitablauf und liegen lassen. Ganz entgegen aller Kommentare zur Rechtsquelle selbst, raten in dem Spezialgebiet nicht geschulte Polizeibeamte Opfern schon mal, vorläufig umzuziehen. Wie sagte die Bundesjustizministerin bei Einführung dieses Gesetzes: Der Täter geht, das Opfer bleibt. Pustekuchen.

Weiterführender Link

Tagesspiegel v. 29.05.09 – (eine) Täterbeschreibung

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