Update: Die Haft wurde verbüßt. Wenn Wohnungseigentümer lieber in den Knast gehen….

Update

gesichtspunkte.de hatte vor ein paar Tagen über die Anordnung zum Haftantritt eines Wohnungseigentümers aus Kreuzberg hier berichtet. Nun steht fest: Der Schuldner, der sich weigerte, Versorgungsleitungen für Wasser und Heizung in seiner Wohnung absperren zu lassen, hat die Haft angetreten und abgesessen. Die komplizierten Aufnahmebedingungen (wir berichteten) wurden offenbar richtig verstanden. Nun ist er vorübergehend wieder ein „freier Mann“, und auch schon wieder regelmäßig zu sehen, auch an ganz unpassenden Orten. Wie viel darf ein Schuldner einer Wohnungseigentümergemeinschaft an Frechheit zumuten? Wie viel darf ihn die Justiz gewähren lassen? Wie viel Zeit hat so ein Mensch, sich nach Belieben wegsperren zu lassen, um danach weiterhin einer irgendwie unklaren Existenz nachzugehen? Solche Fragen sollen manchmal Verwalter den Betroffenen erklären, und klar ist, nicht auf jede solcher Fragen hat eine Verwalterin passende Antworten. Denn ein derartiges Fehlverhalten ist ja gerade eines, dass nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wie der berufliche Fachjargon es auf der juristischen Ebene häufig in „gut“ oder „schlecht“ (für die WEG-Verwaltung aller Wohnungseigentümer) kategorisiert.

Mit der Verbüßung einer Haftstrafe durch den Schuldner ist beim besten Willen noch nichts zu Ende gebracht. Denn die Haft war ja als Erzwingungsmittel angelegt zu erzwingen, dass der Schuldner sich dem Urteil des Amtsgerichts hingibt, dieses akzeptiert und dessen Umsetzung möglich macht. Das Mittel der ‚Haft‘ ist daher in den bürgerlichen Vorstellungen der ‚bürgerlichen‘ Welt eine äußerst weitreichende, drakonische Maßnahme. Das mag anderen anders gehen. Diese fassen es möglicherweise eher als eine ‚ganz neue, hochinteressante Lebenserfahrung‘ auf und in künftigen Stammtischgesprächen fragen sie triumphierend in die Runde: ‚Warst du schon mal im Knast?‘ Dann sei doch ruhig….‘

***

Handschellen

Handschellen

Man fragt sich an dieser Stelle aber, wie es weiter geht? Der unmissverständliche, weitere Ablauf der Sache ist jetzt so: Er erhält wieder ein Schreiben eines Rechtsanwalts und wird aufgefordert, nunmehr -nach Verbüßung der Haftstrafe- den Zutritt zu seinen Räumlichkeiten zu dulden. Er möge bitte mitteilen, ob er das tun werde. Reagiert er dann wieder nicht, erfolgt ein nächster Antrag. Das Gericht kann dann -eingedenk der gesamten Vorgeschichte- darauf hingewiesen werden, dass die Verhängung eines weiteren, diesmal deutlich höheren Zwangsgeldes (im ersten Fall waren es 1.000,- EUR) gar nicht erst in Erwägung zu ziehen. Diesmal könne gleich eine Haftstrafe angedroht werden, die über die ersten angeordneten zehn Tage deutlich hinausgehe. Und dann muss der Schuldner sich erneut entscheiden. Haft oder Zutritt? Die Frage ist tatsächlich, wie hoch die Leidensschwelle eines solchen Wohnungseigentümers eigentlich ist? Wie viel Tage wird er noch als angemessen empfinden, und ab wie viel Tagen Haft beginnt er zu zweifeln, ob sich der fortwährende Widerstand überhaupt lohnt? Kann man angesichts dessen Wirtschaftlichkeitsrechnungen erwägen? Oder ist das eher eine Sache der Blindwütigkeit und des Trotzes, es einem imaginären Gegner zu zeigen, man biete ihm die Stirn. Gläubiger, du kannst gar nichts bewirken, denn ich passe nicht in das bürgerliche Schema eines Menschen, der die Strafantritte in Gefängnissen scheut. Es macht mir schlicht nichts aus, denn dort wird geheizt und auch Frischwasser kommt, so viel ich will. Sogar für ein Anstaltsessen ist jeweils pünktlich gesorgt, nach einer jahrelang bewährten Anstaltsordnung und mit eigener Kantine.

Wir berichten der verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft hiervon im Rahmen einer geschlossenen Newsgroup, auf die nur Wohnungseigentümer dieser Anlage Zugriff haben. Schon kommt die erste Rückfrage einer Verwaltungsbeirätin, sie schreibt: „Klingt interessant. Zimmer mit Heizung, Wasser, Vollpension zum Nulltarif?“ – Ehrlich gesagt: Wir stellen uns etwas anderes vor als sinnvolle Beschäftigung, als Haftstrafen zu verbüßen. Aber wir sagten es ja schon: Was sind schon unsere bürgerlichen Vorstellungen gegen eine vollkommen andere Grundeinstellung eines Menschen, der weder Tod noch Teufel scheut, um sich gegen seine Gegner aufzulehnen. Wird der Schuldner einstmals, in höherem Alter vielleicht, seine weit über Grenzen hinausgehenden Erfahrungen schriftstellerisch aufarbeiten und bei Amazon zum Ankauf anbieten? Wie ist ein guter Buchtitel dafür? ‚Allein gegen alle – Erfahrungsbericht eines Wohnungseigentümers?‘ und Untertitel ‚Durch die deutsche Hölle der Zwangsvollstreckung!‘

Fensterplakat in einem Berliner Mehrfamilienhaus

Fensterplakat in einem Berliner Mehrfamilienhaus

2 Gedanken zu „Update: Die Haft wurde verbüßt. Wenn Wohnungseigentümer lieber in den Knast gehen….

  1. Pingback: Praxisbericht: Der Schuldner hat die Haft abgesessen, nun droht erneut Verhaftung… | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…

  2. Pingback: Verfahrensbericht: Es wird zunehmend kälter in Deutschland, und die Ausfrierung kommt! | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.