805/2010: Lied des Tages: Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen (My Fair Lady) – Emailregel 09.2010

 Zweiter Stock, vierter Hinterhof, neben mir wohnt ein Philosoph. (Ideal, „Blaue Augen“, 1982)

Seit in Berlin-Kreuzberg die Eigentümergemeinschaft neu durchmischt wird, ziehen immer mehr Selbstnutzer in die Wohnanlage in der Falckensteinstr. ein. Inzwischen wohnen dort überwiegend Selbstnutzer, die einstigen Kapitalanleger hatten nicht genug Kapital angelegt oder zu viel: nicht wenige hatten sich finanziell verhoben. Nachgezogen sind junge Menschen, die noch Pläne hegen. Sie wollen in erster Linie wohnen und das in attraktiver Szenelage, fußläufig ist der Wrangelkiez erreichbar. Nicht wenige davon sind kinderlos und bleiben es für eine Weile. Andere Lebenspläne. Die Kinder in die Welt gesetzt haben, möchten jetzt deren Lebensbedingungen verschönern.

_seitentrenner Flugzeug


My Fair Lady – Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen (via Youtube)

Seit die Kinder diese Größe erreicht haben, dass man sie auch mal im grün gestalteten, neuen Innenhof spielen lassen kann, dürfen sie nach unten. Anders als 100 Jahre früher, hat der Hof nicht mehr lediglich nur die Größe und Gestaltung, die die Berliner Feuerwehr mindestens vorschreibt: Sprungtuchgröße, falls es brennt und sich Menschen fallen lassen müssen. Heute ist der Hof offener, im Krieg sind Seitenflügel gefallen, und der Hof ist jetzt „offenporiger“, er atmet im Fadenkreuz eines bezirkseigenen Bolzplatzes mit einem Quantum Ballspiellärm, einer weiteren Hinterhofsituation mit zwei weiteren Grundstücksnachbarn, deren Innenhof ebenfalls offenen Blick gestattet. Nicht einmal ein Zaun trennt die links gelegene, weitere WEG (Wohnungseigentümergemeinschaft) ab. Hinter dem Haus ist seit ein paar Jahren eine internationale Modelschule eingezogen. Wo früher Kinder „beschult wurden“ in „berlinisch Backstein“, reüssieren heute junge, hübsche Menschen, oder solche, die mal so aussehen möchten.

Es ist Frühjahr. Rechtzeitig im Winter, während noch die Eismassen aufs Dachgebälk drückten und bizarre Stalaktiten von den Regenrinnen herab wuchsen, verabredeten die Wohnungseigentümer einen Spielsandaustausch im wohnanlageneigenen Buddelkasten. Eigentlich müssen die Eigentümer dafür regelmäßig sorgen, es hat bislang nur keine Rolle gespielt und ist auch nicht ganz billig. Die nachwachsenden Kinder waren noch nicht groß genug, doch das hat sich geändert. Vor vier Wochen hat die Verwalterin zwei bis drei Garten- und Landschaftsbaubuden angefragt. Ein paar Einfassungs-Palisaden, die beschädigt sind, sollen ausgewechselt werden. Und der Spielsand: in dem Sandkasten sind das übrigens 2 Tonnen Sand! 2 Tonnen! Nur das man mal eine Vorstellung hat.

Die zwei bis drei Garten- und Landschaftsbauer sind angefragt. Einer von dreien verschwand in der Versenkung. Er schickte nie ein Angebot, kam nicht vorbei und sah sich nichts an. Zwei von dreien waren emsig, fleißig, bemüht. Einer davon hat’s längst erledigt. Er hatte das Angebot binnen drei Tagen an die Verwalterin geschickt. Die hatte das Angebot zur Mitbeteiligung an diejenige Wohnungseigentümerin übersendet, die die Außenanlagen so ein bisschen freiwillig unter ihre Fittiche genommen. Seit zwei Wochen liegt die Rechnung vor, sie wird gerade bezahlt.

Der zweite von drei Garten- und Landschaftsbauern allerdings, der hat heute Morgen noch einmal eine Email geschickt. Man kann es so zusammenfassen: Der Mann ist so „busy“, dass er am Ende gar nicht gemerkt hat, wie sehr die Zeit verstrichen ist. Er hat eine Firma mit einem Namen, der sich aus der Farbe der Garten- und Landschaftsbauer (grün) und dem Gedanken an Teamarbeit zusammensetzt. Die Teamarbeit allerdings ist offenbar arbeitsintensiv. Er ist vielbeschäftigt. Heute Morgen hat er sich das so gedacht:

Wenn ich jetzt dies Angebot abgeben soll, dann muss ich vorher nochmal den Auftraggeber fragen, wie er das genau haben will. Ein paar Fragen habe ich noch. Denkt er. Und anstatt anzurufen, baut er den nächsten Fallstrick in seine feste Absicht ein, das Angebot schnell, unkompliziert und attraktiv einzureichen. Er schickt eine Email. Die bekundet, am Sonntag um 16:30 Uhr, wenigstens am Wochenende den übervollen Schreibtisch einmal besichtigt zu haben und jetzt -weil Sonntag ist- Zeit und Muße für „Bürokram“ gehabt zu haben. Natürlich ist die Hausverwalterin am Sonntag um 16:30 Uhr nicht da, da lassen sich Fragen nicht klären. Sie sitzt auch nicht im Wartezimmer des Monats.

Schuss in den Ofen
Fachbegriff: Prokrastination, den hatten wir schon häufiger am Wickel. Und weil der Chef der Garten- und Landschaftsbauer am Sonntag um 16:30 Uhr meint, ohne dass noch Fragen beantwortet würden, sei er zu einem Angebot nicht in der Lage, soll ihn die Hausverwalterin am darauffolgenden Montag bitte zurückrufen. Und zwar auf seiner Handynummer, denn er ist am Montag früh nicht an seinem Schreibtisch und über Festnetz erreichbar, sondern natürlich „im Grünen“, das ist da, wo Geld verdient wird. Die Hausverwalterin soll sich nicht gedrängt fühlen.

 Sag doch mal nen Satz mit X. Ja, okay, das war wohl nix.“ (Berliner Redensart)

Fühlt sie sich auch nicht. Sie beschließt, den Mann nicht zurückzurufen. Ihn gar nicht anzurufen. Da ist der Erkenntnisgewinn möglicherweise noch grösser:

  • Ruft der Mann selbst bei uns an, könnte er sich wenigstens merken, dass er selbst ein Bedürfnis nach Kommunikation hatte, und auch wenn diese hier nicht erfolgreich ist, so würde ein Anruf doch für ein gewisses Maß an Gewissenhaftigkeit sprechen, ein Pluspunkt.
  • Dass jemand seine Absicht, ein Angebot abzugeben, auch wenn es vielleicht gar nicht zum Auftrag führt, mit Kostenverlagerung abarbeitet, indem er Handygebühren dem Anfragenden aufdrückt, kann gewissermaßen nicht erfolgreich sein. Denn wer ein bisschen wirtschaftlich denkt, ruft niemanden auf seinem Handy an, den er nicht anzurufen verpflichtet ist. Kostenersparnis: 100%. Ja, die Mär von der Handyflatrate ist nur einseitig funktionierend. Wer Handyflats bucht, denkt deshalb noch lange nicht an die Angerufenen und die Auslösung kafkaesker Kostenlawinen bei den Gesprächspartnern.
  • Ruft der Mann hingegen nicht mehr an, so passiert genau so viel wie bisher: Es passierte bisher nichts. Die Anfrage nach einem Angebot ist seit mehr als vier Wochen unerledigt, wird hin- und hergeschoben, verwaltet und wabert als „offener Posten“ durch die Bürogalaxie. Richtig aber ist: Der Auftrag ist längst an den Zweitgrünfritzen von dreien vergeben, abgerechnet und erledigt. Es gibt null Gesprächsbedarf über Angebote, die mehr als vier Wochen Bearbeitungszeit benötigten.

Einzig und allein interessiert uns noch, den Emaileingang zu bereinigen um solchen Spam. Zeit wird’s für eine weitere Emailregel, insoweit Erinnerung an den Versuch, sinnvolle Emailregeln in die Welt zu setzen. Heute lautet sie wie folgt:

***

Weblotse

Ein Gedanke zu „805/2010: Lied des Tages: Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen (My Fair Lady) – Emailregel 09.2010

  1. Pingback: 1421/11: Ämter & Behörden: Beim Grünflächenamt F-K wiehert nicht einmal der Amtsschimmel, es ist “Totenstille” | gesichtspunkte.de – Rettet das Mehrfamilienhaus!

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.