706/2010: Bundesgerichtshof kippt Verwalterpraxis hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage (WEG)

Bundesgerichtshof

Leitsatzzitat – Veröffentlichung am 16.02.2010

WEG § 28 Abs. 3, § 21 Abs. 4

a) Tatsächliche und geschuldete Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage sind in der Jahresgesamt- und -einzelabrechnung weder als Ausgabe noch als sonstige Kosten zu buchen. In der Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage, die in die Abrechnung aufzunehmen ist, sind die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Rücklage als Einnahmen darzustellen und zusätzlich auch die geschuldeten Zahlungen anzugeben.

b) Die Entlastung des Verwaltungsbeirats widerspricht einer ordnungsgemäßen Verwaltung und ist nach § 21 Abs. 4 WEG rechtswidrig, wenn Ansprüche gegen den Verwaltungsbeirat in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten. Dieser Fall ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die von dem Beirat geprüfte Abrechnung fehlerhaft ist und geändert werden muss (Fortführung von Senat, BGHZ 156, 19).

BGH, Urteil vom 4. Dezember 2009 – V ZR 44/09 – LG Koblenz AG Koblenz

 

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Rechtliches

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Besprechungsteil

Im besprochenen Einzelfall einer Wohnanlage im Gerichtsbezirk Koblenz hatte die Verwalterin einen Betrag von 13.440,- € (Ansatz lt. Wirtschaftsplan des betreffenden Jahres – ergo: Sollbetrag) in die Jahresabrechnung als Ausgabe eingestellt und dem entsprechenden Miteigentumgsanteil des klagenden Wohnungseigentümers anteilig angelastet. Soweit zur Praxis in ganz Deutschland, wie sie üblich ist. In einer „guten“ WEG (Wohnungseigentümergemeinschaft) kein Problem: Wenn alle zahlen, wo ist das Problem? Problematisch erwies sich im entschiedenen Fall jedoch, dass einige Wohnungseigentümer mit ihren Wohngeldern ausblieben. Demzufolge konnte, was in der Praxis ebenfalls häufig der Fall ist, die als Sollbetrag kalkulierte und im Vorhinein (gem. Wirtschaftsplan) festgesetzte Instandhaltungsrücklage (jährlicher Ansparbetrag) tatsächlich nicht in voller Höhe zugeführt worden. Es mangelte an Liquidität im Verwaltungsvermögen.

Und deswegen haben jetzt die obersten Richter des Landes scharf nachgedacht und eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, die in Verwalterkreisen für einigermaßen Haare raufen sorgen dürfte. Aber auch der Entlastung des Verwaltungsbeirats als dem Verwalter treu ergebener „klüngelnder“ Ergebenheitsbeirat wurde ein Rüffel erteilt: Die Entlastung des Beirats zu beschließen, wenn kein  Grund ersichtlich sei, auf mögliche Ansprüche zu verzichten, käme insbesondere dann nicht in Frage, wenn die von dem Beirat geprüfte Abrechnung fehlerhaft ist und geändert werden muss. Hanebüchen.

Insbesondere eine Verwaltungsbeiratshaftung für die Richtigkeit von Jahresabrechnungen begegnet nach hiesiger Rechtsmeinung erheblichen Bedenken, denn die Tätigkeit ist regelmäßig ehrenamtlich und setzt keine besondere Vorbildung der Beiräte voraus. Das macht auch sauer auf die Gerichte, die Verwaltungsbeiräte als Garanten gerichtsfester Abrechnungen verantwortlich machen, die es in der Praxis eben gar nicht gibt, wie allein der hiesige Richterspruch eindrucksvoll unter Beweis stellt. Allerdings, und das ist festzuhalten, ist daher die Verwalterpraxis des Büro Gotthal auch im Hinblick hierauf wegweisend, weil auf der dortigen Website folgendes wörtlich zur Beirats- und Verwalterentlastung erklärt wird:

  • „Die Entlastung des Verwalters und/oder des Verwaltungsbeirats kann beschließen, wer das mag. Wir haben dazu eine andere Meinung: Wir glauben, dass die Entlastung als Beschluss nicht mehr zeitgemäßer Verwaltung entspricht. Verboten ist es sicherlich nicht, derartiges beschließen zu wollen. Es macht nur keinen Sinn.“ (Quelle: Homepage, Büro Gotthal, Berlin – Stichwort: Verwalterentlastung)
 
 

Prinzip: Geschäftsführung ohne Auftrag

Prinzip: Geschäftsführung ohne Auftrag

So dumm ist dieser Gedankengang dann nicht! Ein Pluspunkt. Zurück zum Urteilsspruch aus Karlsruhe: Und um Wiederholungen zu vermeiden gewissenhafte Lotsentätigkeit ins Netz und Hinweis auf die Möglichkeit, den obergerichtlichen Spruch bei uns kostenlos als pdf downzuloaden. Sicherlich wird sich die Redaktion „in Bälde“ noch genauer mit dem Richterspruch zu befassen haben.

Ob es in Zukunft klarere Abrechnungen gibt? Wir wissen es noch nicht. Fest steht: es gibt jetzt einen denkbaren neuen Einwand, der tatsächlich in vielerlei Hinsicht deutschlandweit als Regel verbreitet ist. Insofern war und ist hier wieder eine Assoziation mit Augenzwinkern denkbar: So sehr doch Wohnungseigentümer hier und da zu Gericht gehen, um Dinge durchzusetzen, so wenig ist doch glaubhaft, dass dies allein und nur „der Gerechtigkeit dient“ (historischer Spruch, Quelle hier). Und wer nach Karlsruhe geht, um dieses Problem „zu lösen“, der mag möglicherweise nichts anderes im Sinn gehabt haben, als ein Jemand, der Geschäftsführung ohne Auftrag begeht? Die weitere, ernsthafte Befassung mit dem noch an Druckerschwärze frischem Beschluss des BGH wird zeigen, ob tatsächlich alles viel besser geworden ist. Denn bekanntlich sind Juristen nur in äußerst wenigen Zusammenhängen jemals als gute Kaufleute, Buchhalter und Zahlenmenschen bekannt geworden. Aber das sagten wir schon, auf dieser Website.

Weblotse

2 Gedanken zu „706/2010: Bundesgerichtshof kippt Verwalterpraxis hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage (WEG)

  1. Pingback: 762/2010: Wohnungswirtschaftliches Hearing: Die Rechtsanwälte Wanderer & Kollegen luden ein | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…

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