684/2010: Berechtigter Einwand? „Ja, wo soll ick denn den Schnee hinschüppen?“

Terrasse mit liegengebliebenem Schnee

Terrasse mit liegengebliebenem Schnee (Berlin-Wedding)

Am 12.01.2010 hatte gesichtspunkte.de u.a. folgendes berichtet, Zitat (Quelle: hier)

 Sie sollten wissen, dass es zur Sorgfalt und Obliegenheit des jeweiligen Wohnungsinhabers gehört, die begehbaren Außenflächen im ausschließlichen Einflussbereich des Wohnungsbesitzers (Mieter oder Eigentümer) schneefrei zu halten. Schneefrei meint das regelmäßige Abfegen derartiger Flächen, um diese von einer cm-dicken Schneelast und -decke zu befreien. Das Ziel muss es jetzt sein, und das ist m.E. unaufschiebbar, dass die Terrassen unproblematisch abfließen bzw. abschmelzen können, mit der Folge, dass es zu keinen drastischen Wassermassen und Feuchtigkeitseinbrüchen in die bspw. darunter belegenden Wohnungen kommen kann.“ (Aus einem Rundschreiben der Verwalterin, ausgehängt im Umland von Berlin)

Zu den hier fettgedruckt hervorgehobenen Zuständen kam es dort (im Umland) wie in Berlin (in diesem Fall Berlin-Wedding). Gut, solche Aushänge haben Hinweischarakter. Ihre Grundregeln, die zu befolgen obligatorisch ist, gelten aber auch ohne derartige Aushänge. Anders verhält es sich bei dem Versuch, mit aktuell veranlassten Aushängen Haftungsfreistellungen zu versuchen. Nach dem Motto: ‚Ich habe doch gesagt, dass…..‘ meint der Hinweisgeber (z.B. der Verwalter) den „Verwalteten“ (schreckliches Wort) gesagt zu haben, sie hätten damit rechnen können, es werde ein Schneebrett auf sie niedergehen, ein Eiszapfen werde sich von hinten in den Rücken des Opfers bohren und unter den Fußsohlen wieder austreten….

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Schneemann Berlin-Wilmersdorf (danke, Frau Dreyer)

Schneemann Berlin-Wilmersdorf (danke, Frau Dreyer)

Beispiele solcher Versuche, aus aktuellem Anlass die Haftung per Aushang abzulehnen bzw. auf  Unachtsame zu überbürden können hier und hier, aber auch dort beispielhaft aufgezeigt werden. Haftungsfreistellung: Dieses Wort findet sich bis heute und bis zum Erscheinen dieses Beitrags nicht auf gesichtspunkte.de. Ob man Haftungsfreistellung für geboten hält, ist eine andere Frage. Dass sich die Berliner Politik über die Schnee- und Eisbeseitigung durch Grundstückseigentümer aufregt, darunter auch alte und gebrechliche Menschen, die private Firmen dafür beauftragen, ist mehrfach bekannt. Die Politik will an der Verpflichtungsschraube neu drehen und per Gesetz vorschreiben, dass alles viel gewissenhafter erfolgen muss. Jedenfalls hier ist etwas anderes ganz neu bekannt geworden: Wenn die Politik Gesetze maßschneidert, setzt die Verwaltung sie manchmal vollkommen entgegengesetzt um. Die Lämmer haben geschwiegen, aber der Löwe, der hat gut gebrüllt. Insofern sind wir, was das betrifft, up to date in unserer Berichterstattung aus den Irrungen und Wirrungen des Berliner Winters 2009/2010. Wir waren hier und da „not amused“ und haben uns aufgeregt wie eine Tüte Mücken. Die wichtige Berliner Tageszeitung hatte schon 2007 den 1. Berliner Mückenatlas veröffentlicht. Sie hatte die prekäre Frage gestellt: Wo mückt Berlin am juckigsten? und strich dafür von uns den 1. Berliner Innovationspreis ein. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass diese Dinge insgesamt nur kurze Halbwertzeiten besitzen. Weder sind die in der Ursprungsmeldung angegebenen weiterführenden Links noch weiterführend, noch hatte der Mückenatlas mit den Aufregungen dieser Tage sonderlich viel zu tun.

Aktuell meldet Frau Strothermeier (* Name geändert) aus Berlin-Wedding „Wasser aus Wand“, genauer aus der Decke. Über dem Wandixel, direkt am Anschluss zwischen Mauerwand und Deckenkonstruktion, hat sich ein großer, feuchter Fleck gebildet. Direkt darüber ist die Terrasse der Wohnungseigentümerin Hertha Klein (* Name geändert). Der Blick auf die Terrasse von Frau Klein, die im Dachgeschoss wohnt, Foto ganz oben, zeigt Schneemassen, wie sich in vorsorglichen Rundschreiben -siehe ebenfalls oben- deutlich problematisiert sind.

Auf unseren Vorhalt gibt Hertha Klein, die die Wohnung oben allein bewohnt, eine kurze, klare Antwort:

 Wo soll ick denn den Schnee hinschüppen?“

Na, weg. Wir erörtern das und spielen die Möglichkeiten durch. Von wegen: Entdecke die Möglichkeiten. Die Terrasse ist klein und die Nutzschicht ist verfliest. Die Terrasse hat zur gedachten Mitte hin ein Gefälle, wo sich Wassersäcke bilden können. Sie sagt, das Gefälle ich nicht richtig. Vor fünf Jahren hat die Gemeinschaft die obersten Terrassen sicherheitshalber neu verfliest. Das geschah, um die darunterliegenden Schichten zu schützen. Es war bekannt, dass dort mehrere Eigentümer ihre Terrassen seit Jahren nicht begangen haben. Einer der vier war sogar insolvent und konnte sich nichts mehr leisten. Als Kuriosum ist in Erinnerung, dass auf der Dachhaut (im sechsten Stock, geschätzte 24 Meter über Straßenniveau) eine Birke aus der Dachhaut gewachsen war. Die Verfliesung geschah entgegenkommenderweise durch die WEG. Verpflichtet war sie dazu nicht, denn derartige Nutzbeläge stellen (nach dieser Teilungserklärung) Sondereigentum dar. Hertha Klein war damals noch Mieterin.

Sie hat immer gesagt, dass da Mängel sind. Was das mit der aktuellen Frage zu tun hat, warum jetzt bei Frau Strothermeier Wasser eindringt, bleibt zunächst einmal unverhandelt. Richtig bleibt, dass kaum eine von Deutschlands Terrasse richtiggehende Schneeschichten von 15, 20 oder gar 30 cm Schichtendicke, eventuell zu Eisplatten gefroren, richtig ab kann. Das bleibt aber oft für längere Zeit unbekannt, bis dann die Schneeschmelze einsetzt. Und so weit ist es jetzt. Wassermassen marsch, Land unter (Quelle: Das verwalterische Terrassengesetz, Eigenerfindung). Die Frage: ‚Wo soll ich denn Schnee hinschüppen?‘, ist allerdings richtig. Hier findet auch ein schlauer Verwalter zunächst keine klare Sofortlösung. Die Frau ist alleinstehend.

Ausriss Standardmietvertrag, Schnee

Ausriss Standardmietvertrag, Schnee

Richtig sind vielleicht folgende Gedanken:

  • Es ist und bleibt die Alleinzuständigkeit der Wohnungseigentümerin, ihre Terrasse sofort und ohne Verzögerungen von Schnee- und Eismassen freizuhalten. Selbst in diesem Winter waren die Massen fallenden Schnees nicht so groß, als das nicht sofort jeweils -und zwar Tag für Tag- hätte gehandelt werden können. Nach einer verschnittenen Nacht (Ausdrucksweise quer) ist der stehen gelassene Außenschrubber zum Soforteinsatz noch am frühen Morgen zu bringen, vor Abfahrt zur Arbeit und nach Rückkehr am Abend wieder. Dies vorausgesetzt, wäre die Terrasse im Wesentlichen schneefrei gewesen. Das Herunterfegen frischen Schnees stellt kein Problem dar. Selbst wenn ansonsten kaum „Abwurffläche auf den Dachschrägen“ eines typischen Berliner Altbaudachs zur Verfügung stehen (hier der Fall). Problematisch wird erst das Liegenlassen von Schnee, der verharscht, Eis bildet und sodann als Schneebrett abgeht, auf Köpfe von Passanten, denen das nicht gut tut.
  • Da hilft jetzt kein Jammern und kein Zetern: Die Situation ist, wie sie ist. Notfalls stellt die Verwaltung zwei Helfershelfer, die der Dame „bei der Hand“ (berolinisch) gehen, damit sie das jetzt schafft.
  • Stehen Abwurfflächen oder -korridore nicht zur Verfügung, erfolgt die Beseitigung auf die Schrägdachfläche. Das geht allerdings (besser) nur, wenn das Dach auch sogenannte Schneefanggitter hat. Nur dann ist sicher, dass der Schnee nicht von dort unkontrolliert auf Passanten auf dem Straßenland herabfallen kann.

shit happens

Es ist jetzt, wie es ist, und jetzt ist es nicht mehr zu ändern. Es ist geschehen und shit happens bekanntlicherweise.

Im nächsten Winter sind wir schlauer. Die Frage, wo man Schnee hinschüppt, ist damit beantwortet. Die Hausaufgabe bis zum nächsten Wintereinbruch im kommenden Winter 2010/2011 lautet: Mach dir schon jetzt mal Gedanken darüber. Über Risiken und Nebenwirkungen eines derartigen Vorgehens fragen sie ihren Haus- oder Grundstücksverwalter.

Weitere Veranlassung:

  • Handwerkerauftrag: Begehe die Terrasse und suche „Leckagen“, Sollbruchstellen und Undichtigkeiten und benenne diese der Verwalterin. Avanti popolo!

Weblotse

 

 

 

 

3 Gedanken zu „684/2010: Berechtigter Einwand? „Ja, wo soll ick denn den Schnee hinschüppen?“

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