Rechtsanwalt 2.0 – Von Quark und Jauchekübeln, Latein und den Litaneien

Rechtsanwalt 2.0

Strafrechtsreform (c) Klaus Staeck, 1969

Strafrechtsreform (c) Klaus Staeck, 1969

 

gesichtspunkte.de hat schon häufiger von Verfahren bei Gericht erzählt und auch über beteiligte Rechtsanwälte.  Eine Sache, die einem WEG-Verwalter oft passiert, ist die personelle Zuspitzung von Streitstoffen auf Personen. Eine solche Zuspitzung ist beispielsweise, wenn es in einem Verfahren darum geht, ob ein Wirtschaftsplan-Beschluss aufgehoben werden muss oder nicht? Und während der mündlichen Verhandlung kann man eigentlich gleich ganz zu Anfang des Termins ausdrücklich festhalten:

(1) Die rechtl. Argumente der Parteien sind über Schriftsätze bereits ausgetauscht. Der Streitstoff ist auch so ‚aufregend‘ und ‚ungewöhnlich‘ nicht. Ein Wirtschaftsplan ist ein Wirtschaftsplan ist ein Wirtschaftsplan und sonst gar nichts. Oder nicht?

(2) Dem Vorsitzenden (der oder dem RichterIn) wird nun für gewöhnlich ein Zeitfenster eröffnet, den Streitgegenstand mündlich darzutun und (nach neuerem Recht) eine Güteverhandlung (nach ZPO) durchzuführen.

Bei bestimmten, immer wieder auftretenden Parteien wissen aber die Vorsitzenden schon, dass es schlicht Zeitverschwendung wäre, nach wechselseitiger Güte zu forschen. Und doch müssen sie es tun.

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Skuril 03.09 - Rechtsanwaltsempfehlung

Skuril 03.09 - Rechtsanwaltsempfehlung

In einem fiktiven, aber tatsächlich geführten Prozess (WEG-Recht) zum Thema Wirtschaftsplan ist das Problem fehlender persönlicher Distanz ganz gut zu beschreiben. Landgericht Berlin, WEG-Verfahren nach altem Recht (es herrscht noch kein Anwaltszwang):

Die Gegenseite tritt mit einem von drei namensführenden Rechtsanwälten einer Kanzlei in Berlin-Wilmersdorf auf, den wir heute hier mal Schulz (* Name geändert) nennen. Der Vorsitzende (Richter) hat seine Rechtsmeinung zu der sofortigen Beschwerde dargetan, und ist nun mit seinem ‚üblichen Latein‚ am Ende (seiner Ausführungen). Nun tritt Rechtsanwalt Schulz (*) auf.  Er könnte nun auch sagen: ‚Gut, die Sache ist nicht grundsätzlicher Art, mag das Gericht entscheiden!‘ – Doch sein Mandant hat ihm eine Art Generalplazet gegeben, in einer Übereinkunft mit seinem streitlustigen Mandanten ist der Wirtschaftsplan nur ein klitzekleines Puzzle-Teil eines ganzen Wandgemäldes. Das Gesamtgemälde ähnelt dem von Picasso gezeichneten ‚Guernica‘. Es geht seinem Mandanten um die Vernichtung seines Gegners. Und dabei soll ihm sein Rechtsanwalt helfen.

Das weiß Rechtsanwalt Schulz und für viel Geld (seines Mandanten, Anwaltshonorar) weiß er sich mit seinem Mandanten einig, dass die Sache an sich nicht die Sache an sich ist, die heute hier zur Behandlung ansteht. Wir sagten zuvor, der Richter sei mit dem ‚entsprechenden Latein am Ende‘ (seiner mündlichen Ausführungen) gewesen. Und zu Latein gesellt sich gern -in solchen Fällen, Litanei. Nun folgt eine bezahlte Litanei des Grauens: Anwalt Schulz zieht eine verstaubte Schublade in seinem Gedankenschreibtisch auf, dort hat er alle erdenklichen Erinnerungen, Erfahrungen, Vorurteile, Halbwahrheiten, Fehlinformationen und bruchstückhafte Verzerrungen gehortet. Aus denen schöpft er nun in wortreichen Tiraden über den hier anwesenden Gegner.  Weil sein Mandant ihm bereits ganz viele Euros bezahlt hat.  Rechtsanwalt Schulz hat zwar nicht viel zum Streitstoff (Wirtschaftsplan) vorzutragen, der ist ihm auch schnurzpiepe, aber die mündliche Verhandlung ergießt sich über einen Zeitrahmen von leicht 60 Minuten und länger.  So wird aus einer der banalsten Sachen der Welt eine emotional anheimelnde, gemütliche Schwätzerei über viel wortreichen Unsinn, Angriff und Wiederrede, und so weiter und so fort.

Rechtliches

Ein vollkommen zeitverschwenderisches und vor allem unnützes Szenario.

Am Ende fragt sich der Verfahrensbeobachter, wo ist die Zeit geblieben? Worum ging es im Kern? Was veranlasst eigentlich Rechtsanwälte wie Schulz (*), auf die Gegenseite Audiomüll auszuschütten, der -streng genommen- eine unhöfliche Grenzüberschreitung bedeutet? Es ist ganz einfach zu erklären: Ein solcher Rechtsanwalt ist eine bezahlte Hure seines Mandanten und will -wegen der Bezahlung- der Mandantschaft gefallen. Deswegen redet Rechtsanwalt Schulz seiner Mandantschaft nach dem Mund, die Juristen nennen das:  ‚Coram Publico‘. In einem Lied der Berliner Band Ideal (ca. 1982) hieß die Textzeile eines Songs, der dazu passt: ‚Ich rede, was Du gerne hörst, und Du fällst gerne darauf rein!‘ Der Rechtsanwalt Schulz (*) kübelt und kübelt, und der angegriffene Gegner hält sich irgendwann demonstrativ die Ohren zu. Verklebe mir nicht die Gehörgängen mit diesem Unrat. Rechtsanwalt Schulz (*): Bitte genüge Deinen standesrechtlichen Anwaltspflichten und verunglimpfe den Gegner nicht, sondern achte und respektiere ihn. Mache den törichten Streit Deiner Mandantschaft, der in Wirklichkeit das Motiv für immerwährenden Streit ist, nicht zu Deiner eigenen Sache und halte emotional Distanz zum emotional aufgewühlten Seelenleben Deiner Mandantschaft. Springe nicht auf diesen fahrenden Wagen, nur weil er Dich ernährt.

Ein guter Rechtsanwalt bleibt auf wohlwollender Distanz zu seiner Mandantschaft. Und erteilt Ratschläge, die in der Sache nützlich sind. Davon jedenfalls, so viel steht heute fest, ist Rechtsanwalt Schulz (*) aus der Rechtsanwaltskanzlei Schulz, Schulz & Schulz (*) weit entfernt. Und deswegen ist Rechtsanwalt Schulz kein guter Rechtsanwalt.

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