654/2010: Glättegipfel: Berlin ist nicht Haiti. Klaus Dieter Tschäpe ist sexy oder jedenfalls ‚most wanted‘

screenshot RUWE Homepage

screenshot RUWE Homepage

 Wir sind nicht verpflichtet, den Schnee zu beseitigen, sondern wir bekämpfen den Schnee.‘ (Klaus Dieter Tschäpe, RUWE-Mastermind, Interview Radioeins)

Ein Anruf bei der Fa. RUWE am Hauptsitz ihrer Verwaltung verläuft freundlich, aber komplett automatisiert. Die Beschwerde betrifft ein Haus in Pankow. Die Telefonstimme verspricht rund fünf bis zehn Minuten, dass zwar alle Mitarbeiter gerade im Gespräch sind, aber das ist erstens auch nicht verwunderlich. Man spricht in Berlin dieser Tage „gern“ mit der Fa. RUWE. Wer diese Geschäftsführermacke hat, lässt sich zum Chef durchstellen. Allerdings wird das kaum noch funktionieren. Klaus Dieter Tschäpe, Chef von RUWE, ist dieser Tage sexy ein gefragter Mann. Sogar im Radio wird er interviewt, wir hatten den Radiobeitrag hier veröffentlicht. Bekanntlich gibt es kein Bier auf Hawai, in Berlin ist dafür dieser Tage Salz selbst in Supermärkten ausverkauft.

***

Deutschland - ein Wintermärchen (Hausmüll-Entsorgung)

Deutschland - ein Wintermärchen (Hausmüll-Entsorgung)

Zweitens muss Tschäpe sich überall immer stärker rechtfertigen. Der Winterdienst sei komplett zusammengebrochen, sagen die Bewohner verschiedener Häuser, die das Unternehmen mit der verwechselbaren Corporate Identy betreut. Die Fa. RUWE gehörte früher Jens-Peter Gabriel, doch das ist lange her. Vor Jahren machte Gabriel einen „big deal“ und verkauft die Fa. RUWE, die sich mit Garten- und Landschaftsbau und Winterdienst befasst, an die Berliner Stadtreinigung (BSR). So kam es auch, dass die Fa. RUWE ein neues Outfit verpasst bekam. Die Trendfarbe orange folgte  nach der Übernahme des Unternehmens durch die BSR. Die öffentlich rechtlichen Orangen (Slogan: We kehr for You!) kamen mit ihrer neuen Unternehmenssparte offenbar nur „suboptimal“ (Schröders Jargon) klar. Es erschien Klaus Dieter Tschäpe zuerst auf der Bildfläche und dann auf dem Betriebshof. Und nun hat er den Kopf voll. Klaus Wowereit mag die ganze Situation auch nicht sonderlich gern leiden. BILD sprach zuerst mit den Frostflächen.

 Auf BILD-Nachfrage zum Eis-Chaos reagierte Wowereit eisig: „Kein Kommentar!“ Dafür präsentierte er Schnee-Spikes, die unter seinen Lederschuhen (Lloyd: 130 Euro) angebracht sind. Dann läuft ja alles glatt, Herr Wowereit!“ (Bildzeitung, Online am 12.02.2010, hier)

Klaus Wowereit meint, das Technische Hilfswerk (THW) könne man dieser Tage nicht einsetzen, schließlich hätten wir hier keine Verhältnisse wie auf Haiti. Das stimmt: dort liegt kein Schnee. Eine OP-Schwester aus dem Krankenhaus Köpenick berichtet, dass dem Krankenhaus der Gipsvorrat ausgeht. Die Zahl der verarzteten Knochenbrüche übersteigt die Vorräte an Materialien im Krankenhaus bei weitem. Das Unfallkrankenhaus Marzahn operiert jetzt auch nachts. Es ist was los in Berlin und das ist auch gut so!

***

screenshot Youtube "Bier auf Hawai"

screenshot Youtube "Bier auf Hawai"

Wem das Bier auf Hawai tatsächlich fehlt, besungen vom Berliner Urgestein Paulchen Kuhn,  z.B. weil der Winterdienst darbt, erhält auf Youtube aus aktuellem Anlass die hier abgebildete Fehlermeldung (hier, wenn´s wieder funktioniert, war die Mission nicht impossible). Also ist es eigentlich egal: Woran es hapert, ist wurscht, Hauptsache wir haben eine Mission. Eine Mission Impossible namens gutem Winterdienst. Die Rückkehr zum Thema ist damit eingeleitet und deshalb:

***

In allen Berliner Stadtteilen ist RUWE präsent und gehört damit zu den Riesen der Branche. Dass es hier und dort nicht gut klappt, melden die Hausbewohner den Hausverwaltungen. Erst gibt es Trendmeldungen, etwa des Inhalts, dass die ganze Straße super gekehrt sei, aber „unser Haus nicht“. Es gäbe nun eine ganz neue gesamtgesellschaftliche Ausgrenzung, man unterscheide in der Straße nun zwischen denen und uns, aber wir werden durch die Fa. RUWE betreut. Die Trendmeldungen rödeln eine Weile ergebnislos vor sich hin, doch dann ist der Beruf des Verwalters aufs Neue gefragt: überwiegen die negativen Trendmeldungen, gerät er zu dem des Trendsetters: Dann wird der Dienstleister durch Kündigung abgeschossen und ein anderer kommt für die nächste Saison auf Probe unter Vertrag. Doch das ist morgen und heute ist gestern: Es wurde nicht ordnungsgemäß gefegt.  

Die Berliner Orangen! BSR

Die Berliner Orangen! BSR

Wir  hängen als kultivierte, nicht unmotivierte Beschwerdeführer in dieser unkultivierten Warteschleife herum und warten, sinnieren, grübeln, zuerst über die Firmengeschichte der Fa. RUWE in Berlin, dann über geballte Unzufriedenheit der Bewohner vieler Häuser.  Eigentlich rufen wir ohnehin ungern an. Das frisst Zeit.

Kann man die Leistung der Firma tatsächlich als schlecht bezeichnen oder sind es nur die besonderen, einmaligen Umstände dieses Winters? Alles Quatsch: es ist schlicht Winter. Tschäpe  im Interview mit RadioEins: ‚Etwas mehr Gelassenheit wäre besser‘, und er fügt hinzu: ‚Räumpflicht besteht auf 1 m Breite auf dem Gehweg‘ und ansonsten geht’s  ‚im Wesentlichen um das Aufbringen von Streugut‘. ‚Wir sind nicht verpflichtet, den Schnee zu beseitigen, sondern wir bekämpfen den Schnee.‘ (Gelächter bei Robert Skuppin und Volker Wieprecht, RadioEins). Den liegen gebliebenen Schnee haben die Fußgänger festgetreten, meint Tschäpe. Die Räumfahrzeuge können es nicht gewesen sein:  die waren auch mittags noch nicht da und kommen teils erst, nachdem sich jemand beschwert. Beschwert sich keiner, passiert gar nichts. Ob die Einsatzleitung auf Plus-Temperaturen spekuliert und auf die Einsparung ganzer Sonderschichten? In den letzten Tagen ist es ‚arschpoglatt‘ (berolinisch). Blaue Flecken und Blessuren, Verletzungen, mancher Popo ist mit  lila Hämatomen übersät.

Blaue Flecken und Blessuren

Blaue Flecken und Blessuren

Jetzt! Die Warteschleife ist zu Ende, dieses Blog hat einen Artikel mehr: darüber, dass Klaus Dieter Tschäpe sexy ist, weil er ein moderner ‚most wanted‘ unserer Zeit ist: Er ist der Schneemann vom Dienst, aber die Mohrrübe steckt anderen im Gesicht! Hätte Berlin keine Telefon-Warteschleife wie diese, ich hätte gar nicht die Zeit zu schreiben. Auch ich bin dieser Tage sexy! Auch mich rufen viele Leute an und wollen immer nur das Eine von mir: (endlich) Schnee- & Eisbeseitigung! Ich teile mir meinen persönlichen Attraktivitätszugewinn mit Tschäpe. Plusquamperfekt, vorbei die Geheimnisse.  

***

Keep it under control!

Keep it under control!

Dass die Warteschleife bei der gewerblichen Winterdienstbranche nicht zur Brummschleife verkommt, hat sich indessen Michael Müller (SPD) auf die rote Fahne geschrieben. Sie ist gut sichtbar nach draußen gehängt. Müller fordert droht gesetzgeberischen Überarbeitungsbedarf an. Das ist ein anderer Gesichtspunkt, den gesichtspunkte.de versteht befürwortet. Auch wenn Müller Mitglied im Lottobeirat ist: es kann nicht sein, dass die Auswahl des richtigen Winterdienstes auf mathematisch ähnliche unvorhersagbare Weise zum Glücksspiel verkommt, wie ein Sechser im Lotto. Klar ist: weitergehende Verpflichtungen werden mehr Geld kosten.  Wo viele nach Dienstleistungen rufen, ist Eigeninitiative gefragt. Schippe in die Hand nehmen, Eimer mit Sand oder (hier) Splitt von der BSR. Denn wenn es auf bisheriger Basis nicht klappt, stellt sich die Frage, ob wir weiterhin alten Menschen das Rausgehen aus dem Haus verleiden wollen dürfen, die sich dieser Tage schlicht nicht mehr aufs Gehwegpflaster trauen.

Lustig oder nicht? Der Artikel ist fertig. Jetzt ruft ein weiterer Verwaltungsbeirat aus Wilmersdorf an. Es geht wieder um RUWE. Auch heute ist das Telefonat kurz, aber präzise: ‚Sie können sich denken, warum ich anrufe?‘ Meine Antwort: ‚Der Winterdienst?‘ Er: ‚Genau!‘ Ich: ‚Ach, kein Problem, ich denk grad zufällig dran!‘  – Und schon bin ich zum zweiten Mal in der Warteschleife. Ich warte auf Godot. Frau Buchholz (Fa. RUWE) gibt es nach weiteren fünf Minuten Wartezeit an die Einsatzleitung weiter: Von Winterdienst noch nichts gesehen – 11:45 Uhr! Mir gehen inzwischen die Themen aus: wenn ich rechnerisch jeden Tag zwei bis drei Beschwerde-Warteschleifen verplanen muss, kann ich über Hinz & Kunz (berolinisch „jedermann“) schreiben und habe immer etwas zu tun. Der Berliner Glättegipfel, den die BILD-Zeitung herbeischreibt, wäre ein weiteres, interessantes Thema.  Na prima.

Michael Müller, SPD

Michael Müller, SPD

***

Weiterführend