Landgericht Darmstadt spricht generalisierendes Recht für Gewerberaum – der BGH ist noch nicht angerufen

Rechtliches

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So was nennt man Rechtsprechungstendenzen. An einer obergerichtlichen Rechtsprechung fehlt es noch, und auch im vorliegenden Fall wird es zu einer solchen nicht kommen. Denn die Parteien haben keine Revision eingelegt, und also macht die 6. Kammer für Mietsachen des Landgerichts Darmstadt Furore. In einer Entscheidung unter dem dortigen Aktenzeichen 6 S 182/08 (= BeckRS 2009, 05657) veröffentlicht das Landgericht Darmstadt folgende, sinngemäße Rechtsmeinung:

Die Ausschlussfrist für die Abrechnung von Betriebskosten ist im Rahmen des Wohnraummietrechts geregelt. Sie soll auch für gewerbliche Mietverhältnisse gelten.

Im Einzelnen. Dort stritten die Parteien eines Gewerberaummietverhältnisses über die Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung, die dem Mieter erst nach Ablauf eines Jahres zugegangen war. Die Ausschlussfrist des § 556 III BGB gelte auch im Geschäftsraummietrecht. Zwar regelt § 578 II BGB nicht ausdrücklich auf diese Bestimmung hinüber. Gewerberaummieter seien aber nicht weniger schutzwürdig als Wohnraummieter dahingehend, dass Forderungen nach Ablauf überlanger Wartezeiten noch geltend gemacht werden dürften. Die ursprünglich nur in § 20 NMVO (NeubaumietenVO) geregelte Frist war vom Gesetzgeber später auch in das allgemeine Mietrecht (für alle sonstigen Wohnraummietverhältnisse) übernommen worden. Vielmehr sei dem Gesetzgeber zu folgen, dass er nicht etwa nur Wohnraum-Mietverhältnisse für besonders schützenswert gehalten habe, sondern alle Mietverhältnisse, also auch Geschäftsraum-Mietverhältnisse.

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So was hört man häufig von Richtern. Dass sie sich über lückenhafte Gesetze beklagen, die irgendwie undurchdacht daherkommen. Und dass man sich dann einfach seine eigene Rechtsprechungs-Schiene verlegen muss als Hilfskrücke, in der Hoffnung, jemand ruft dann mal den BGH an, damit der das dann erledigt. Bis dahin spricht man von divergierenden Rechtsmeinungen.

Die Rechtsprechungs-Kommentatoren (bspw. Neue Juristische Wochenschrift) sehen sogar teils höhere Schutzbedürfnisse bei Gewerberaummietern (Bilanzierungspflicht, Bewertung von Forderungen in zeitnaher Reihenfolge). Mag es sein, wie es sein soll. Es ist allerdings zu erwarten, sollte sich diese Rechtsprechung mit der Zeit durchsetzen, dass dann doch der eine oder andere Klägervertreter vor den BGH nach Karlsruhe zieht.

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