(Teil 1/3) Interview mit einem Stalkingopfer – über die Vorgeschichte dessen

Interview

Interview mit einem Unbekannten

Interview mit einem Unbekannten

gesichtspunkte.de führte kürzlich ein längeres Interview. Befragt wurde ein Stalkingopfer nach seinen Erfahrungen. Das GewaltschutzG ist noch relativ neu (2007), wie geht die Justiz mit angezeigten Stalking-Fällen um? Geht sie überhaupt damit um? Kann -wer gestalkt wird- Hilfe erwarten? Uns ging es darum, die gelebte Praxis mal anhand ganz konkreter Erfahrungen hinterfragen. Namen des Opfers und der Täter sind aus Gründen des Personenschutzes nicht veröffentlicht. gesichtspunkte.de veröffentlicht heute nur Teil 1 von insgesamt 3 Interviewteilen, da das Interview recht umfangreich ausfiel. Die weiteren Teile erscheinen demnächst. Teil 1/3 betrifft die Anfänge einer Stalkinggeschichte und ihre Ursprünge.

(Bislang erschienen)
Teil 1 – …über die Vorgeschichte dessen (VÖ: 02.10.09)
Teil 2 – …vom Mobbing zum Stalking (VÖ: 04.10.09)
Teil 3 – noch nicht (under construction)
(Bislang erschienen)

***

Frage: Guten Tag, Herr X. (* Name geändert). Sie sagen, sie sind ein Opfer von Stalking geworden?

Antwort: Ja, genau, das fing eigentlich genau genommen schon im September 2007 an.  Die Geschichte zieht sich bin die Gegenwart hin. Ein Ende ist derzeit noch nicht abzusehen.

Frage: Was genau? Was zieht sich hin?

Antwort: Nach meinen Erfahrungen ist Stalking kein stillstehender, statischer Akt, sondern Stalking entwickelt sich mit der Zeit und ufert aus. Es gibt Ruhe- und Drangphasen, Höhepunkte, Unterbrechungen. Aber von vorn: Ich wohne im Grünen. Vor Jahren habe ich an einen alten Unternehmer ein paar Wohnungen verkauft, die er dann selbst bewohnen wollte, direkt über mir.

Frage: Was hat das damit zu tun?

Antwort: Zunächst einmal wenig. Die Sache hat sich entwickelt. Sagte ich schon.

***

Nachbarn, Nachbarn - Geschichten aus dem Alltag

Frage: Können sie das näher erläutern?

Antwort: Gern. So 1999 rum musste ich in meinem Haus ein paar Wohnungen verkaufen. Ich bekam sie nicht gut vermietet und die Hypotheken waren recht hoch. Ich hatte keine andere Wahl. Also hab ich Eigentumswohnungen draus gemacht. Dieser Mensch kaufte dann mit seiner Frau drei davon, zwei im Obergeschoss, eine weitere, ein Büro-Teileigentum- direkt darüber im Dachgeschoss.

Frage: Sie wohnten dort und er?

Antwort: Die Sache war so. Ich wohnte mit meiner Familie im Erdgeschoss, darüber zog er mit seiner Frau ein. Sie haben viel investiert in die Wohnung drüber. Und das Dachgeschoss mieteten wir zurück für unser Büro, so hatte er noch eine Einnahme und ich ein Büro.

Frage: Das hört sich alles super an, oder?

Antwort: Es war anfänglich als eine gute Lösung gedacht, würde ich sagen. Aber schon bald gab es Zwist. Erst waren sie noch wie Oma und Opa, sie kamen sogar zu unseren Kindergeburtstagen und freuten sich offensichtlich, dass wir eine intakte Familie sind. Mit großer Verwandtschaft. Sie gingen ein und aus. Die Frau fing aber immer mehr an, sich wie eine „besserwissende“ Oma zu benehmen. Erst sagte sie meiner Frau, wie man eine Waschmaschine bedient und dann mischten sie sich auch ständig ein, der Garten von uns, den sollten wir anders herrichten. Da kam irgendwann der Punkt, wo wir sagten Nein, das wollen wir nicht. Wir leben unser Leben, und die sollten ihres leben. Und sich nicht ständig in unsere Dinge einmischen. Dann beschwerte sie sich, dass ich auch manchmal abends arbeitete über ihnen. Sie hörten das.

Frage: Das hört sich nach Zurückweisung an? Ich meine, diese Oma-/Opa-Geschichte und die Verweisung in bestimmte, persönliche Schranken….

Antwort: Ja, sowas. Ich denke, sie wollten, was sie selbst nicht haben, von uns haben: eine intakte, funktionierende Familie.

Frage: Das hatten die selbst nicht?

Antwort: Jedenfalls nach meinem persönlichen Eindruck eher nein. Gut, sie haben zwei erwachsene Kinder, aber denen müssen sie auch heute noch unter die Arme greifen. Ob die was geworden wären, wenn denen nicht immer wieder ihre Eltern geholfen hätten? Ich bin da zumindest unsicher. Die Frau des Unternehmers jedenfalls wünschte sich nichts sehnlicher, als irgendwann einmal Großmutter zu werden. Doch bei den Kindern klappten diese Dinge nicht. Sie funktionierten nicht wunschgemäß. Hinzu kamen persönliche Probleme der Kinder, nicht funktionierende Partnerschaften, immer wieder Wechsel in den Beziehungen. Nichts Kontinuierliches hatten die in ihrem Leben, aber einen Kokon ‚Familiennetz‘ schon, also ein durch den Vater unterstützen, dem Sohn Aufträge verschaffen, die Tochter anstellen und solche Dinge. Der Vater hat es sicher zu was gebracht, im Leben. Die Mutter war nur Mutter und hauptsächlich Unternehmergattin.

Frage: Wie alt sind denn diese Leute?

Antwort: Er ist Anfang der 30iger Jahre geboren, die prägenden ersten Jahre seines Lebens in Nazideutschland. Sie kommt vom anderen Ende der Welt, ist Mitte der 30iger Jahre geboren. Irgendwann 1960iger holte er sie nach hierher nach Norderney. Er gründete mit seinem Bruder hier eine Firma für irgendein Baunebengewerk, was mit Maschinen, ist ja auch egal. Die Kinder sind in den 60ern geboren, eine ganz gewöhnliche Familienchronik. Nichts Weltbewegendes…

Frage: Kommen wir zum Fragekern zurück, wie ging die Geschichte mit aufgedrängten ‚vermeintlichen‘ Großeltern weiter?

Antwort: Nachdem wir sie höflich, aber bestimmt in ihre Schranken gewiesen hatten, haben wir auch erste Eigentümerversammlungen gehabt. Denn das Haus war ja jetzt Wohnungseigentum. Gleich in einer der ersten sagte er zu mir, er habe so viel Geld investieren müssen, beklagte sich darüber. Seine Wohnungen wären viel zu teuer gewesen. Ich hätte ihm was verschwiegen und einen zu hohen Kaufpreis bekommen.

Frage: Stimmt das?

Böse Nachbarn unerwünscht!

Böse Nachbarn unerwünscht!

Antwort: Nach meinem menschlichen Ermessen nein. Der Mann hat viel Geld. Ein jeder ist seines Glückes Schmied. Kaufpreise sind im Nachhinein nur noch begrenzt reversibel. Ich kann ihn auch verstehen: er hat schon viel bezahlt. Er wollte sich die Wohnung so richtig nett renovieren. Er hat alles sehr aufwändig gemacht. Auch die Terrassen. Er sagt, allein dafür hat er 70.000,- DM ausgegeben. Das mag sein, ich hätte die gleiche Arbeit sicher für die Hälfte bekommen. Später merkte ich bei einer anderen Sache, dass er sich von den Bauleuten auch ein bisschen hat ausnehmen lassen. An einen Maurer, den er eine Nachbarmauer verputzen ließ, ohne uns zu fragen, sollte er 8.500,- DM zahlen. Die Arbeit war nicht mehr als 2.000,- DM wert.

Frage: Woher wissen sie das?

Antwort: Ich habe beruflich ständig mit solchen Dingen zu tun. Ich kenne die Preise, die man aufrufen darf. Ich kenne die Tricks, wie Handwerker zu ihren Gunsten abrechnen. Die ganze Art, wie der Auftrag erteilt wurde, ohne vorheriges Kostenangebot und dann zu einem ausufernden Stundennachweis, so hätte kein vernünftiger Hauseigentümer die Sache angegangen. Später hat er ihn noch gedrückt auf irgendwas mit 5.000,- DM. Aber auch das war zu teuer. Das sagte ich ihm auch.

Frage:   Hmmmhhh, zurück zur Geschichte bitte…

Antwort: Okay, okay, die 70.000,- DM für die Terrassen, da stellte er sich vor, die sollte ich ihm zurückzahlen…, irgendwie so wegen ‚verschwiegener Mängel‘. Ist das ‚arglistische Täuschung‘?

Frage: Haben sie sich geeinigt?

Antwort: Nein, das ging nicht. Ich bin da sofort sehr ehrlich mit ihm umgegangen.

Frage: Das sagen alle…

Antwort: Doch, doch, wirklich. Ich habe ein paar Dinge dazu gesagt, gleich in derselben Sitzung. Ich hab ihm gesagt, ich habe die Wohnungen an ihn aus Gründen wirtschaftlicher Not verkaufen müssen. Ich hätte das Geld von ihm nicht in meine Taschen gepackt, sondern ich musste es damals komplett an die Hypothekenbank abführen. 70.000,- DM sind eine ganze Menge Geld. Ich hab ihm im selben Gespräch dann auch noch gesagt, ich hätte keine weiteren Ersparnisse, weder in dieser noch einer geringeren Größenordnung. Mit zwei Kindern und Frau müsse ich scharf rechnen. Er solle sich erkundigen über meine Verhältnisse. Er sei doch Mitglied einer solchen Organisation.

Frage: Und?

Antwort: Das hat er dann getan. Er hat eine negative Auskunft über mich bekommen, die auf diese Sache zurückging. Als er dann einfach eine Mauer verputzen ließ und von mir die Kosten von 8.500,- DM, geteilt durch drei Beteiligte, wiederhaben wollte, habe ich damals erstens gesagt, er hätte die Mauer nicht verputzen dürfen, denn die gehört einem Nachbarn. Und ich habe ihm vorgehalten, er sei nicht Verwalter des Hauses und dürfe Aufträge auslösen, zumal der Preis viel zu hoch war.

Frage: Wurde in dieser Sache eine Einigung mit ihm erzielt? Wie ging die Sache mit den Terrassen aus?

Antwort: Nein. Mit dieser Geschichte fing ein Drama ziemlichen Ausmaßes an. Er verweigerte sich regelrecht einer vernünftigen Vereinbarung mit mir und dem betroffenen Nachbarn. Der Nachbar ist ein ganz verdienter, friedliebender Mensch, ein Mediziner im Ruhestand, der hat ein Bundesverdienstkreuz am Bande und ist ein herzenswarmer, lieber Mensch. Der war richtig sauer wegen dieser Eigenmacht. Schließlich hat er einen Anteil zähneknirschend übernommen. Mit mir versuchte der Unternehmer gar nicht erst, eine abschließende Vereinbarung zu treffen. Stattdessen schrieb er nun den Mediziner an und warnte diesen schriftlich vor mir und sagte ihm, es lägen negative Auskünfte über mich vor. Der Mediziner hat mich damals zu sich und seiner Frau zum Kaffee eingeladen. Er war vollkommen fassungslos über diesen „Geruch des Bösen“, der in diesem Brief lag. Die Sache mit den Terrassen, da wendete ich dann später gegenüber seinem Rechtsanwalt erfolgreich die Einrede der Verjährung nach mehr als einem Jahr ein. Der hat ihm sicher gesagt, dass ich recht habe.

Frage: Wie ging es weiter?

Antwort: Ich habe ihn dann verklagt auf Unterlassung, was den Nachbarn betrifft. Es schlossen sich einige weitere Dinge an. Parallel erklärte mir der Unternehmer ‚den Krieg‘.  Der dachte irgendwie so: ‚Den werde ich kleinkriegen.‘ Den Auftrag dazu bildete er sich ein, von seiner Frau bekommen zu haben. Seine Frau litt sehr unter der ganzen Situation. Ich denke, es waren psychosomatische Beschwerden. Erst versuchten sie doch tatsächlich, hinter meinem Rücken mit meiner Hausbank zu verhandeln. Sie hatte sogar schon neue Nachbarn für sich ausgesucht. Er wollte die Wohnungen von der Bank ankaufen. Ich habe das damals allerdings besser als er gelöst. Ich verhandelte ebenfalls mit der Bank und sorgte dafür, dass er die Wohnungen nicht kaufen konnte. Er ging ziemlich töricht vor. Ich war besser als er. Schließlich musste er sich geschlagen geben. Es hagelte immer Briefe von ihm: ich bin ein Betrüger, ich muss den Garten aufräumen und lauter so Zeugs, wo sich vernünftige Menschen irgendwann fragen, mit wem sie es da zu tun haben? Irgendwann zogen sie dann -Gott sei Dank- aus dieser Wohnung aus. Das war wirklich seit langem mal eine richtige Entscheidung von denen. Ich fühlte mich damals regelrecht erlöst und erhoffte eine Beendigung des immerwährenden Streits. Weil doch insbesondere ältere Menschen oft so gestrickt sind, dass sie sich einen friedfertigen, würdigen Lebensabend wünschen. So eine Art Schluss-Strich unter diese unangenehme Geschichte.

Frage: Und, war es so?

Antwort: Leider nein. Der Auszug war irgendwann 2003. Die gaben ihre Wohnungen und die Büroräume im Dach dann ihren Kindern, die dort einzogen.

Frage: Das hört sich doch nach einer vernünftigen Lösung an?

Antwort: So schien es auch. Ich verband große Hoffnungen mit dieser Lösung. Zumal ich mit dem Sohn mal früher zur Schule gegangen bin. Ich vermutete, er wäre sozusagen eine Brücke zu den nicht mehr mit uns redenden Eltern. Wir versuchten es beide redlich, er und ich. Allerdings war da auch das Problem, dass diese Eltern ihre beiden Kinder schon zuvor jahrelang nur unvollständig über ihre ganzen Attacken auf unsere Familie informiert hatten. Sie erzählten ihren Kindern immer nur diejenigen Anteile der Geschichte, die sie in ein positives Licht stellten. Um sich nicht rechtfertigen zu müssen. Der Sohn hat mir mehrmals gesagt, er wüsste, dass seine Eltern schwierig sind. Darauf habe ich gebaut, ich habe versucht, eine Vertrauensbasis mit ihm und seiner Schwester aufzubauen.

Frage: Und das gelang aber nicht?

Antwort: Genau. Ich wurde immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, aus denen ich sehen konnte, wie wenig sie überhaupt wussten. Sie waren ganz einfach unaufgeklärt. Und ich hätte ihnen den unbekannten Teil der Geschichte niemals vermitteln können. Das hat auch was mit Familiensolidarität zu tun, ich kann das verstehen.

Frage: Danach ging es weiter? Wie?

Antwort: Ein gefühlter Höhepunkt war dann folgende Geschichte 2003. Irgendwann erschienen so Leute in Blaulingen, Arbeitskleidung, von seiner Firma. Sie schleppten metallene Bauzaunelemente an. Zweimal passierte das. Er hatte seinen Mitarbeitern den Auftrag gegeben, in der Garage mit einem Platz für uns und einem von denen in der Mitte einen massiven Käfigzaun im Beton zu verschrauben. Ich verhinderte das zweimal, indem ich mich selbst dort hinstellte, wo der den Käfig errichten mochte, und die Polizei holte. Die sagte dem was davon, er müsse sich einen Titel bei Gericht holen, wenn er so was bauen will.

Frage: Na, um die beiden Plätze voneinander abzugrenzen, was ist dabei?

Stop Stalking - Nachbarn

Stop Stalking - Nachbarn

Antwort: Die Sache hatte mehrere Haken. So ein massiver Zaun in einer Doppelgarage, das ist eine Sache, da muss der weitere Eigentümer vorher zustimmen. Denn das ist so massiv, dass du dann deine eigene Garage nicht mehr ordentlich benutzen kannst. Du musst dir Sorgen machen, dass dein Auto verkratzt wird. Du bekommst die Tür nicht mehr richtig auf. Und auf seiner Seite der Garage ist auch der Gartensprenghahn, wo ich mir Wasser nehmen kann. Der Heizkörper ist auf seiner Seite. Den kann ich nicht mehr erreichen. Das dritte Mal baute er dann den Zaun, indem er eine Reise von uns nach Mallorca ausnutzte. Dabei hatte ich schon vor meinem Urlaub den Antrag auf eine Einstweilige Anordnung gestellt, die der damalige Richter nicht erlassen hat, ihm zu untersagen, dass er das ohne Genehmigung von uns bauen kann. Später ordnete dieser bemerkenswerte Richter noch an, der Zaun dürfe stehenbleiben, weil er ja Streitkontrahenten wirksam voneinander trenne. Etwa so sinngemäß, dann kann man wenigstens nicht mit einem Messer durchstechen, ach so, das ist ironisch…

Frage: Hmmmh…, sowas wie „kalte Aussperrung“?

Antwort: Richtig. Die Tür zum gemeinschaftlichen Treppenhaus ist versperrt. Was aber am schlimmsten war. Der Mann hat sich einfach eine ihm genehme Hälfte errechnet. Wir mussten für insgesamt fünf Jahre mit diesem Käfig leben. Wir haben bis zum Kammergericht geklagt und beim Landgericht und Kammergericht Recht bekommen. Der Mann hat nachweislich unseren Garagenplatz einfach teilweise okkupiert und einen beträchtlichen Anteil unseres eigenen Sondereigentums mit seinem dämlichen Käfig seinem zugeschlagen. In dieser Zeit bekam ich einen regelrechten Hass gegen den Amtsrichter, der in diesen Fällen einfach nicht durchblickte. Die Fälle waren eindeutig, der Amtsrichter trieb einen ziemlichen Schabernack mit unseren Anträgen. Hat dadurch noch vieles verschlimmert. Wir fühlten uns alleingelassen.

Frage: Wie hat sich das angefühlt?

Antwort: Wie Gewalt, psychische und körperliche Gewalt, begleitet von amtsgerichtlicher Duldung. Ich habe einen sehr großen, ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich konnte nicht verstehen, wie man sich derartiges herausnehmen kann und dann auch noch jahrelange Prozesse mit hochbezahlten Anwälten über derart offensichtliches Unrecht führen konnte? Ich fühlte, Gerechtigkeit kann in Deutschland auch „verwaltet“ werden, in diesem Falle bei Gerichten, die fünf Jahre brauchen, um einen so offensichtlich rechtswidrigen Umstand komplett ins Recht zurückzuführen.

Frage: Diese Geschichte, das war alles?

Antwort: Mitnichten. Wir können eine sehr lange, weitere Schilderung jahrelanger Erfahrungen zum Besten geben. Abgesehen von den beleidigenden, gewalttätigen Briefen, die wir teils im Wochenrhythmus bekamen, die keinerlei Substanz enthielten, wurden wir auch mit weiteren schlimmen Dingen malträtiert. U.a. verweigerte er uns, das Kabel zu unserer eigenen Satellitenanlage (auf dem Dach) zu erneuern, das schon immer durch einen Schacht nach oben geführt wurde. Noch besser: Er schnitt die Kabel dorthin mit einem großen Bolzenschneider dreimal durch, damit wir kein Fernsehen mehr haben. Dann baute er eine Videosprechstelle von uns aus dem Klingeltableau aus, beschlagnahmte die einfach. Der Amtsrichter hat dann schon wieder Unsinn getrieben und eine Anordnung erlassen, die diese widerrechtliche Eigenmacht noch belohnt. Hat noch Datenschutz falsch angewendet, von wegen Videoüberwachung. Erst mit Hilfe des Datenschutzbeauftragten konnte die Rechtslage zutreffend angewendet werden. Einmal hat der Nachbar an einem Tag dreimal die Schlösser zur Garage ausgebaut, um ein eigenes einzubauen, damit ich nicht mehr durchkam. Beim dritten Mal bin ich direkt in den Keller gegangen und hab ihm gesagt, wenn er jetzt nicht sofort aufhört, dann würde ich über meinen eigenen Schatten springen müssen und Dinge tun, die wir beide später bereuen.

Frage: Unglaublich. Ist die Polizei eingeschritten?

Antwort: Wir haben die Polizei in diesen brachialen Dingen immer wieder geholt. Ob es den Käfig betraf, ob es die Satellitenanlage betraf. In diesen Dingen machten wir die Erfahrung, dass uns die Polizei überhaupt nicht hilft. Diese Schlösser-Aktion, da kam ein Einsatzkommando mit zehn bewaffneten Polizisten. Die haben dann sehr schnell verstanden, dass der alte Mann da mit den Schlössern einen eindeutig widerrechtlichen, hartnäckigen Schabernack treibt. Er hat da in dem Flur gestanden und den verdutzten Beamten immer wieder lauthals bedeutet ‚Ich habe einen Titel!‘ Die haben den schließlich einfach stehen gelassen. Einer der Beamten zeigte ihm einen Vogel, das durfte er aber nicht sehen.

Frage: Also, dann hat die Polizei geholfen?

Antwort: Ich persönlich finde, eher nicht. Sie sagt gern solche Dinge, wie das ist ein Nachbarschaftsstreit. Wenn du Strafanzeigen wegen solcher offensichtlich rechtswidrigen Sachverhalte machst, erstreckt sich die Reaktion der Justiz lediglich darin, nach Wochen oder Monaten ein Aktenzeichen mitzuteilen. Wenn du so viele Strafanzeigen machst, wie ich das in den letzten Jahren tun musste, hast du schon Schwierigkeiten, die kryptischen Mitteilungen der Staatsanwaltschaft überhaupt der richtigen Strafanzeige zuzuordnen. Die schwimmen so in ihrem eigenen Saft, dass sie sich beispielsweise weigern, mein dazu angelegtes Aktenzeichen anzugeben. Du kannst nicht einmal telefonisch nachfragen, weil da niemand erreichbar ist. Das wird dann mit Personalknappheit und solchem Scheiß begründet. Du kannst natürlich dann auch Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. In Norderney (* Ort wurde geändert, Hinweis der Redaktion) ist die größte Staatsanwaltschaft von ganz Europa am werkeln. Deswegen ist sie aber nicht unbedingt besonders effizient. Da gilt dieser Beamtenwitz: ‚Du kannst einem Beamten nicht böse sein, er tut ja nichts.‘

Frage: Habt ihr auch Strafanzeigen kassiert?

Antwort: Jede Menge. Einmal sind Mitarbeiter des Landeskriminalamts gekommen. Sein Rechtsanwalt hat behauptet, wir hätten bei der Verwaltung des Hauses betrogen. Die Unterlagen waren dann bei einem so genannten Wirtschaftsdezernenten, das ist ein Sachverständiger der Staatanwaltschaft, der prüft dann anhand der Vorwurfspunkte, ob ein strafrechtlicher Vorgang da ersichtlich ist.

Frage: Was war das Ergebnis?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft hat nach vier Jahren Aktenbeschlagnahme zur Abholung der Unterlagen aufgefordert. Das Verfahren wurde eingestellt, und zwar, weil die Strafanzeige insgesamt vollkommen haltlos und unbegründet war. Strafrechtlich war überhaupt nichts zu beanstanden an der gewissenhaften und nachvollziehbaren Aktenführung durch uns. Noch Jahre später schreibt der frühere Nachbar immer wieder, wir hätten uns wie Straftäter verhalten, er denunziert uns als Serientäter und gibt vollkommen haltlose Dinge, wie diese Mauergeschichte oder andere Vorgänge an, die strafrechtlich absolut Null Relevanz besitzen. Richtig ist, dass der Mann sein gesamtes Weltbild so stark verinnerlicht hat, dass er unfähig zu einer ‚weicheren‘ Sicht der Dinge ist.  Eine weichere Sicht, nach dem Motto, es lohnt nicht, an derartigem festzuhalten, lass es los, finde einen Weg, Frieden mit dir selbst und deinem Nachbarn zu schließen. Vielleicht aufgrund seines Alters. Vielleicht aufgrund seiner Einstellung, er sei etwas besseres, er habe es im Leben zu etwas gebracht, zu Wohlstand, Reichtum – ein Leben als erfolgreicher Unternehmer. Wobei das noch nicht einmal den Tatsachen entsprechen muss. So ist das mit ‚verrückten‘ Selbstbildern, sie sind gefährlich.

Frage: Was war dann das Ergebnis derartiger Entwicklungen? Gab es da nicht ein Gefühl von Sinnlosigkeit irgendwann?

Antwort: Ich entwickelte einen großen Sarkasmus und wendete mich anderen Dingen zu. Ich analysierte intensiv das Selbstbild dieser Familie und entschloss mich, es zu karikieren. Es so zu überzeichnen, dass es ins Absurde abdriftet. Gleichzeitig bekam ich immer heftigere Zweifel, dass der deutsche Staat tatsächlich ein Rechtsstaat ist. Dass es in unserem Staat folgenlos möglich ist, anderer Leute Eigentum mit einem Käfig zu überbauen, und das man das nicht einstweilig sofort aus der Welt schaffen kann.

Das ist so, als wenn jemand gewaltsam in deine Wohnung eindringt und sich mit Rigips ein Stück Flur abzäunt, um dort zu leben. Nichts anderes. Sowas wird vom Staat fein delegiert zurück auf Streithähne, die ihre Konflikte nicht angemessen aus der Welt schaffen können. Sie nennen es die ‚zivilrechtliche Klärung‘. Bei sowas besteht kein ‚öffentliches Interesse‘. Strafrecht und Zivilrecht: beides ist so hundsgerecht, dass dieser Zustand ‚illegale Käfigüberbauung‘ fünf Jahre andauert, in diesem Fall 2003 bis 2008. Wenn einer fremde Kabel dreimal hintereinander absichtlich mit einem Bolzenschneider durchschneidet, gilt auch nichts anderes. Das liegt wieder fünf Jahre, nur weil der einen gutbezahlten Anwalt hat, der das deckt.

Irgendwann habe ich angefangen, die Sachen nur noch ironisch-lakonisch zu betrachten. Ich habe darüber eine Internetseite gemacht, die äußerst lustig war. Beim Erstellen derselben habe ich Tränen gelacht. Einige Freunde nicht minder, die den ganzen Irrsinn die ganzen Jahre über mitbekommen haben. Es waren vollkommen absurde Seiten, so absurd, dass man noch nicht einmal von einer Beleidigung sprechen konnte. Eine sich drehende Kuh stellte ich dar und nach einem tropfenden Wassertropfen schilderte ich den Vorwurf, ‚der hätte kein Geld‘ für eine Terrassensanierung. Mein Fehler war allerdings, dass ich dazu eine Domain mit dem Namen des Herrn nutzte, die daher (und nur deshalb) eine Persönlichkeitsrechts-Störung wäre. Das entdeckte einer der beiden Anwälte von dem und die untersagten mir bei der 30. (* Abteilungsnummer geändert)  Kammer des Landgerichts (Pressekammer) derartiges. Ich hab das eingesehen, das war meinerseits eine Grenzüberschreitung, die ich nach alledem allerdings auch  nach Meinung des Landgerichts in „pointierter Kritik“ öffentlich gemacht hatte. Die Anwälte von dem haben daran gut verdient.

Frage: Hatte das noch weitere Auswirkungen?

Antwort: Ja, unter anderem die sehr lustige, dass bei Entdeckung dieser Website die Zugriffszahlen aus Australien immens anstiegen. Es folgte auch noch ein Prozess, um mich zu Schadenersatz zu verurteilen. In diesem Prozess haben die allerdings verloren. Das Gericht mochte keinen Schadenersatz zusprechen. Aber die Anwälte von dem, die haben daran wiederum gut verdient. Überhaupt: Die Anwälte von dem haben immer gut verdient. Die haben zwar viel Murks gemacht und einiges verloren, aber in Deutschland werden Anwälte bezahlt, egal, ob sie ihre Arbeit gut machen oder ob sie versagen. Ich hoffte schon häufiger insgeheim auf ein amerikanisches Honorarmodell für Rechtsanwälte.

Frage: Nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen?

Gesichtspunkt Höflichkeit (Quelle: RAe Janke & Kloth)

Gesichtspunkt Höflichkeit (Quelle: RAe Janke & Kloth)

Antwort: Ja, richtig. Das hat mich gelehrt, Kritik nur in berechtigter Form vorzubringen, und wenn ich das öffentlich mache, die Grenzen des Persönlichkeitsrechts strikt einzuhalten. Meine Kritik an denen halte ich aber nach wie vor für genau auf den Punkt. Was die uns in den Jahren alles zugemutet haben, das kann doch alles nicht wahr sein. Der Teufel scheut nicht nur das Weihwasser, sondern insbesondere auch, sein Treiben unter Beobachtung einer kritischen Öffentlichkeit. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, die Öffentlichkeit zu informieren. Es stärkt einem den Rücken gegen Intrigantentum und persönliche Verfolgung. Außerdem erleichtert es einem die Seele. Feedback von anderen Menschen, Zuspruch, interessierte Fragen. Es kommen andere Gesichtspunkte, andere Blickwinkel hinzu. Die Öffentlichkeit ist kein schlechter Ratgeber. Diese Art von permanenten Tätern gegen alle Regeln menschlichen Anstands müssen hingegen sehr aufpassen.

Frage: Wann fing das Stalking an? Sie sagten eingangs, das wäre im September 2007 gewesen? Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das noch nicht Stalking, was da beschrieben wurde bis hierher?

(wird fortgesetzt)

***

Teil 1/3 des geführten Interviews behandelte die Hintergründe und Vorläufe zu der Stalking-Geschichte der interviewten Person. Die beiden weiteren Teile des Interviews werden hier demnächst veröffentlicht. Bitte habt für die weitgehende Anonymisierung der Personen, Ort und Abläufe Verständnis. Sie sind aus Gründen des Persönlichkeitsrechts absichtlich vorgenommen worden.

(Bislang erschienen)
Teil 1 – …über die Vorgeschichte dessen (VÖ: 02.10.09)
Teil 2 – …vom Mobbing zum Stalking (VÖ: 04.10.09)
Teil 3 – noch nicht (under construction)
(Bislang erschienen)