Roger Willemsen (17jährig, auf Sardinien, Privatfoto)

3100/16: Nachruf: Roger Willemsen (* 15. August 1955 in Bonn, † 8. Februar 2016 in Wentorf bei Hamburg)

Kerze

Roger Willemsen (17jährig, auf Sardinien, Privatfoto)

Roger Willemsen (17jährig, auf Sardinien, Privatfoto)

Als erste Strafe versagte Zeus den Sterblichen das Feuer. Um das Feuer für die Menschen wiederzuerlangen, hob Prometheus einen langen Stängel des Riesenfenchels in den Himmel, um ihn am vorüberrollenden funkensprühenden Sonnenwagen des Helios zu entzünden. Mit dieser lodernden Fackel eilte er zur Erde zurück und setzte einen Holzstoß in Flammen. (Aus Wikipedia zu Prometheus, hier)

Der Krebs hat ihn fortgerissen. Es ist noch kein Jahr her, da bekam er eine solche Diagnose und zog sich zurück ins Privatleben. 60 Jahre alt wurde er, kein Jahr älter. Dabei war er ein Lichtblick, ein Leuchtgeschenk für intelligente Menschen, ein Zeusfeuer am Himmel der verkommenen Journaille. Er war auch Freak, mochte Jazzmusik und für gute Literatur legte er sich mächtig ins Zeug.

Roger Willemsen konnte einem so eine Art Wunschfreund sein.

Schon nach wenigen Sätzen, die er sagte, zog einen sein freundlich vernünftiges und von großer Klarheit geprägtes Wesen in einen magischen Bann.

Dann plätscherten die wesentlichen Gesichtspunkte einer von ihm behandelten Angelegenheit nur so aus seinem Gesicht und fast als hätte man vorher wochenlang in der Wüste gedürstet, machte man den Mund weit auf und versuchte, diese Perlmutttropfen sorgsam aufzufangen. Sein Wissen stillte intellektuellen Hunger und ließ einen doch ganz bei sich selbst bleiben.

In einer Fernsehsendung sagte er kürzlich, dass jedes Fortkommen in persönlicher Hinsicht, aber auch gesellschaftliche Entwicklungen stets mit immensen Anstrengungen verbunden sei und dass ihm diese Art von Anstrengung großen Spaß mache.

Insofern sei er ein rastloser Themensucher gewesen, immer auf der Suche nach dem gerade noch notwendigen Buchthema, das es gälte noch zu schreiben, weil es fehlt.

Mühsam zog er die Themenstrippen an Land, um sie dann zum Trocknen auf dem Literaturmarkt auszubreiten. Während sich die anderen fetzten, war er schon wieder ein Stück weg, in Asien beispielsweise. Kosmopolitisch war er und feingeistig, am tatsächlichen Detail in jeder Ecke der Welt immens interessiert und wenn es sein musste, ein bohrender Frager, der sich nicht mit Plattitüden abspeisen ließ.

Kinder- und ehelos teilte er sein Leben auf Nachfrage in zweieinhalbjährige Liebesphasen ein und verachtete den Gedanken lebenslanger Gewöhnung und Wortlosigkeit. Er sagte besitzlos, es sei nicht nötig gewesen, sich zu vermehren, also Kinder auf die Welt zu setzen. Sein Geist war nicht besitzergreifend, sondern großzügig. Sein Interesse galt der Ansichtenteilung und ihrer Erörterung zum Zwecke des Wissensgewinns.

Ja, es war einem jetzt noch einmal so richtig klar geworden, dass er einem ein guter humanistischer Freund hätte gewesen sein sollen. Ich werde ihn sehr, sehr vermissen.

Er war innovativ, sinnlich, tiefgründig, biss sich an Themen fest, die anderen abstrus vorgekommen wären und hielt nicht inne, Grenzen zu überschreiten. Dabei welt- und wortgewandt wie kaum ein zweiter, setzte er Maßstäbe für Qualitätsjournalismus. Ein großer intellektueller, scharfsichtiger Geist ist gegangen.

Traurig.

Weblotse

 

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