1293/11: FotoPodcast: Wie man aus Kleidung, Frisur & der Attitüde leicht zu schlußfolgern weiß und sich irrt!

Das Leben der anderen...

Merke: Die Attitüde und die Verkleidung eines Menschen mit bestimmten stilbildenden Ausdrucksmitteln ist das eine. Ob das, was du darunter verstehst, also die Message, auch richtig ausgedeutet ist, ist damit noch nicht gesagt. So ertappt sich der nachdenkliche Mensch eigentlich andauernd wieder dabei, dass er etwas sieht, dass er in einen ihm bekannten Zusammenhang (Kontext) stellt: Und wenn sich der Stilbildner bzw. Mensch umdreht und den Mund aufmacht, ist man eigentlich nur noch überrascht. Alle vorherigen Vermutungen brechen justamente in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Der Stilbildner-Beratungsmodus in unserem Kopf macht „huch“ und wir erkennen eine Stilblüte, in voller Blüte.

Wir wollen stark sein und unabhängig, individuell und anders als die Anderen.

Und dann werden wir beobachtet und was andere an uns beobachten, gefällt uns eventuell gar nicht. Wir werden es allerdings auch eventuell nie erfahren. Es sind nur Gedanken. Niemand sagt uns seine Gedanken, wenn keine Veranlassung dazu besteht. Bei denjenigen, die Sachen aufschreiben und veröffentlichen, ist das allerdings anders. Das erfahren wir mit etwas Glück. Und dann denken wir, es kam hinterrücks. So wie die starken Gedanken und Emotionen, die der Mann mit dem Irokesenschnitt und dem T-Shirt auslöste. Nein, nicht Sascha Lobo, Blogger und Oftfernsehgast in Deutschland´s quälenden Talkshowterias.

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Radiohead – House of Cards (via Youtube)

Früher gab es die Bedeutung von festen Zeichen, die sich Menschen als Ausdruck einer bestimmten Einstellung hart erarbeiten mussten: und es gab den Inhalt, für den die Zeichen standen infolgedessen. Diese Zeit ist längst vorbei, wir dürfen also gar nicht konservativ die Welt betrachten, sondern müssen sie progressiv sehen.

David Gilmour (Pink Floyd)

David Gilmour (Pink Floyd)

1967, 1968 undsoweiter, da wuchsen die Haarlängen der Männer. Dann zogen sich plötzlich alle aus und zusammen feierte man „nackicht“, Ruprecht Frieling erzählt in seinem Buch vom „Rudelbumsen“ der 68iger, es ging um „APO, Rock´n Roll, Sex“ und dies alles wurde uns in Gegenwart einer Eule im Spreestern in Kreuzberg erzählt, interessant. Immer mehr Superbands kamen auf den Plan, die Haare immer länger: Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin, dann Genesis, Pink Floyd. Niemand konnte diesen Bands das Wasser reichen und irgendwann machte es „ratsch“ und die Jugendlichen waren dessen überdrüssig. Also schnitten sie sich die Haare ab, ganz kurz und stachen sich Sicherheitsnadeln durch die Ohren und Lippen, ins Gesicht und sie rempelten sich an und skandierten, die Königin von England möge sich bitte rasieren: „God shave the Queen“. Hoho, was war das komisch. Die Punks gerieten ebenso schnell wieder in Vergessenheit: Was wollte man auch aus drei Akkorden eine bessere Welt stricken? So nen Quatsch.

Wilhelm R. Frieling, Verleger, Autor, Weblogger

Wer heute nach „APO“, „Sex“ und „Rock´n Roll googlelt, wird schnell fündig, besonders der zweite Suchbegriff ist äußerst populär. Allerdings gründen die wilden 68iger von einst jetzt so genannte Alters-WGs (Wohngemeinschaften) und ein Schmargendorfer Makler witzelte nach einer Besichtigung durch fünf angehende Senioren, die eine Eigentumswohnung erwerben wollen, die sie sich als Senioren teilen: Wahrscheinlich haben die früher alle miteinander gepoppt. Diese These haben wir nicht überprüft und zu fragen geziemte sich nicht. Es waren ausnahmslos nette, freundliche Leute mit Sonnenstrahlen von Güte im Gesicht und ihr Gesicht war voller Lebenslinien!

Popper, Punks und ähnliche stiltechnische Pirouetten, Beatnicks, Mods, Rods (Was wollen wir trinken), AntiAKW-Bewegung, Öko, Nico, Schuh des Manitou: all das sind Etiketten aus einer anderen Zeit, in der einige von uns das Deutschen von Zeichen erlernten. Die Zeichen sollten zeigen: Wir sind anders! Anders als die Anderen.

Man tut solche Dinge, um sich von anderen abzugrenzen: Dahinter steckt oft wenig Selbstbewußtsein.

Und jetzt? Simplify your life? Trivialisieren?

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Kollektive Intelligenz (via Youtube)

Wie aber können wir Menschen bewerten und in für uns passende Schubladen stecken? Mit Intuition? Intuition bedeutet, dass mein Gehirn Musterbildungen gelernt hat, die jenseits meines rationalen Verstehens hilfreich sind. Wenn die Welt sich zwischendurch geändert hat, dann sind meine Intuitionen, die sich gestern ausgebildet haben, heute noch immer genau so sicher wie früher, nur leider völlig daneben, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr die sind, unter denen ich sie heute anwenden möchte. In meinem Gehirn habe ich immer das Gefühl, richtig zu sein.“ (Zitat aus dem Video „Kollektive Intelligenz“) 

Jetzt ist alles durchkommerzialisiert bis ins Letzte. Aus jedem denkbaren, neuen Mist hat man Geschäft generiert, entwickelt und Geld eingesackt und als alles abgegrast gewesen zu sein schien, besannen sich die Kommerzialisten auf die Vergangenheit: Nun wird die Erinnerung an die Beatles in Form von WII-Konsolen-Spielen verkauft. Jeder noch so inspirierende Vergangenheits-Straßenfeger in musikalischer oder cineastsischer Hinsicht wurde neu durch den kommerziellen Quark gezogen: nun haben wir Musicals wie „Falco“, „We will rock you“ (Queen) oder zuletzt „Rocky Horror Show“ (ohne „Picture“ in der Mitte). Das Unerklärliche daran: Wer sieht eigentlich so einen Mist an? Es ist ja nichts anderes als ein Zitat einer längst verflossenen Zeit? Etwas das schon da gewesen ist, nur besser, originaler und -damals- einzigartig. Heute ist es neu, arrangiert, orchestriert und abweichend vom Original, nur schlechter, einfältiger, billiger und irgendwie auch dämlicher. Es ist eine schlechte Kopie.

Und so erscheint es uns auch, was die Mode angeht, sich auf bestimmte Art und Weise zu „hübschen“, zu „designen“ und zu kleiden. Wir sind auf einem Pferdereitturnier, das ist etwas zutiefst Bürgerliches. Es ist im besten Sinne spießbürgerlich. Alles ist hübsch gekleidet, auf eine schreckliche Weise uniform. Man sieht kleine und größere, ganz kleine, größere und ältere Mädchen in Berlin-Heiligensee auf dem Reiterturnier. Es sind hier diejenigen hingekommen, die es sich leisten können, neben den „costs of living“, wie Miete, Strom und Gas wenigstens einen Mittelklassewagen oder ein gehobenes Gefährt zu erwerben, stark genug, um den dahinter angekoppelten Pferdeanhänger zu ziehen, samt Pferd. Pferde zu unterhalten, das ist immer noch nicht „ganz billig“.

Unter den Zaungästen ist auch das Pärchen, dessen Outfit uns auffällt. Er sieht aus wie ein Punk von früher. Er trägt einen Irokesenschnitt und das T-Shirt zu Karottenhose und Springerstiefeln trägt diesen Aufdruck (siehe Foto, unten). Sie hat ihre längeren Haare seitlich auch wegrasiert, das ist etwas Clubartiges, willkommen im Club der Teilrasuren. Sie stellen sich an für Fleisch, Grillwurst und Kaffee, Kuchen, Gummibärchen. Er hält die Tasche seiner Freundin, die ähnlich frisiert ist. Sie ist kariert, die Tasche, eine Handtasche, so wie Handtaschen eben so sind. Handtaschen, das sind eigentlich Accessoires für Gutbürgerliche, man trägt sie über den Knick am hoch getragenen linken Arm geschlungen, hat Feuerzeug, Handy und Lippenstift drin. Handtaschenpunks, gutbürgerlich. Am Ende ist Punk nur noch eine hohle Mode ohne jeden Inhalt, und wir sollten nicht vergessen zu erinnern: längst sind die Bedeutungen selbst in die Geschichte eingegangen und was die Menschen heute davon noch hinübergerettet haben, hat längst lediglich noch null Bedeutung. Es ist einfach nur eine Mode, von der Karl Lagerfeld behauptete: Mode ist so hässlich, dass man sie alle halbe Jahre ändern muss. Unsere beiden Wohlstandspunks haben den Satz überhört.

Zu nichts zu gebrauchen, aber zu allem fähig!

Zu nichts zu gebrauchen, aber zu allem fähig!

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