1276/11: Kampagnen: Max Liebermann betrachtete den Fackelzug und wir den Polizeiticker des Tages – zum Kotzen

Banner hingeschaut!

Der Legende zufolge stand Max Liebermann am Pariser Platz (am Brandenburger Tor) am Fenster und betrachtete die vorbeiziehenden Fackelzüge der Nationalsozialisten, als er den historisch verbrieften Spruch von sich gab. „Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Weil er historisch verbrieft ist, dürfen wir ihn benützen, denn über Max Liebermann´s Leben haben wir in Ansätzen auch schon berichtet, hier zum Beispiel. Verbrieft ist das Zitat hier. Berlin ist schwarz, musikalisch, wird da behauptet. Ist was dran. Cindy aus Marzahn und ihre „Alzheimer-Bulimie“ breiten wir hier jetzt nicht aus, das wäre „off topic“.

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Kalle Kalkowski – der elektrische Poet: Neukölln, Du alte Hure! (via Youtube) 

Einer weiteren Legende zufolge sind am Berliner Canisius-Kolleg, einer Schule, immer wieder Schüler mißbraucht worden und es dauerte weit mehr als zwanzig Jahre, bis die Öffentlichkeit davon erfuhr. Informationen verbreiten sich allerdings nun merklich schneller und seit es das Internet und RSS-Feeds, Newsroboter und dergleichen gibt, sekündlich. Dann sind sie verfügbar. Wie auch beispielsweise der Polizeiticker des Polizeipräsidenten von Berlin, der derzeit nicht mehr im Amt ist und wogegen ein Bewerber klagt. Allerdings ist die Auswertung einer einzigen Tages-Nachrichtenlage durchaus bedrückend, wenn man die Nachrichtenzeilen der Polizei aus ihrem eintägigen „Newsfeed“ auf das Thema „Wie geht es Kindern in Berlin?“ fokussiert

Allerdings haben wir die entsprechenden Nachrichten nicht verlinkt: sie sind schon bald nicht mehr verfügbar und mithin lediglich nur tagesaktuell. Und Gott sei Dank: Dass derartige Nachrichten ein Verfalldatum besitzen, läge ja vielleicht daran, dass nun offensichtlich ist, was längst längere Zeit im Verborgenen blieb. Dass es Kindern hier teils dreckig gehen muss.

Vielen Kindern in Berlin geht es wie Autos: ausgebrannt. Oder Treppenhäusern: abgebrannt. Die Zahl der Brände an Autos und Treppenhäusern ist inzwischen ähnlich groß. Viel größer ist die Zahl der aus- und abgebrannten Kinder in Berlin. Kinder mit „kaputten Eltern“, verwahrlost, allein gelassen und in der „Hölle auf Erden“. Die werden sich das merken, wo sie aufgewachsen sind und später ihre Schlüsse daraus ziehen. Beispielsweise, indem sie harmlose S-Bahn-Fahrgäste tödlich zusammentreten. So ist nun mal das Leben, werden sie denken. Keine liebenswerte Spiritualität, kein lebenswerter Schöngeist noch, kein großer Geist des ganzheitlich Sinnlichen. Zum Kotzen eben.

Indianer 01.11: Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten.

Auszüge der Nachrichtenlage vom 14.06.11

In Berlin-Mitte (Meldung #2208) wurde die 44-jährige Mutter nachmittags vollkommen betrunken mit ihren zwei Töchtern im Tiergarten aufgegriffen. Die Kinder, 6 und 8 Jahre alt, wurden dem Kindernotdienst anvertraut, die auf der Durchreise befindliche Frau aus Bayern hatte mit ihren Kindern vollkommen besoffen an einem Imbiss gesessen, so wie man als Tourist aus Bayern eben für gewöhnlich sturzbetrunken seinen Kindern Berlin zeigt und eine Bulette einpfeift. Normalität des Gräuslichen.

Sie ist 11 Jahre alt, wohnt in einem Miethaus in Berlin-Lichtenberg und Bewohner berichten, sie sei vollkommen auf sich allein gestellt (Meldung #2205). Ihre Mutter ist erst 26 Jahre alt und die Nachbarn berichten von einem „gestörten Verhältnis“ der Kindesmutter zu ihrer Tochter, sie sei schon sehr öft allein geblieben, die Tochter. Klar, Mutter war 14 Jahre alt, als sie schwanger wurde, sie wurde zu früh geschwängert und nun hat sie ihr ganz Leben mit einer zu frühen Mutterschaft zu kämpfen, will auch mal „leben“. Leben, das fasst sie auf als „frei sein“ und „ohne Verantwortung“. Die Freundin der Mutter kümmerte sich um die Echsen, die dort ebenfalls in der Wohnung sind. Sie, die 11-jährige, ist dort eingeschlossen, es gibt keine frischen Nahrungsmittel und saubere Kleidung ist auch nicht vorhanden. Banalität des Alltäglichen!

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Kinderarmut in Deutschland – Der Leiter der „Arche“ berichtet über einen Skandal (via Youtube) 

Am vergangenen Samstag (Meldung #2204) wird die Polizei nach Wedding gerufen, Hausbewohner  informieren darüber, dass ein Kleinkind vom Balkon zu stürzen drohe. Als sich die Beamten Zutritt zur Wohnung verschaffen durch heftiges Klingeln, ist die 26-jährige Kindesmutter mit ihrem 24-jährigen Freund anfangs noch sehr verschlafen. Sie hat nichts mitbekommen. Die Beamten wurden durch ein 2,5-jähriges Kleinkind in die Wohnung gelassen. Die gesamte Wohnung ist unaufgeräumt und stark verschmutzt. Das 2,5-jährige Kind, dass sich anfangs eine Stuhl auf den Balkon gestellt hatte, um Dinge herunterzuwerfen ist unbemerkt vorgegangen. Die Mutter hätte den Absturz verschlafen. Die weiteren Kinder der Frau, fünf und sechs Jahre alt, sind mit dem Kindesvater unterwegs. Jetzt müssen sie dort auch bleiben. Der Kindernotdienst hat sich eingeschaltet. Der 2,5-jährige Junge wurde durch seinen Vater, einen anderen, in Obhut genommen. Ordonanzen des Unerträglichen!

In Berlin-Neukölln (Meldung #2201) an der Grenzalleebrücke stützt sich morgens um 5 Uhr die 43-jährige Großmutter auf ihre sechsjährige Enkelin, die sie der 27-jährigen Kindesmutter für ein paar Tage mit dem Auftrage „entlieh“, auf das Kind aufzupassen. Am Boden liegend, gefesselt von der Polizei, um die lautstarke Gegenwehr der betrunkenen „Oma“, errechnen wir als Parallelleser dieser Meldungen anhand der Zauberformel: „43 minus 27?“ Macht sechszehn! Auch der Lebensgefährte der Großmutter ist in der gemeinsamen Wohnung so stark betrunken, dass die Polizei das Kind den Großeltern nicht wieder aushändigt. Nun sieht Großmutter einem Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht entgegen. Appetitlosigkeit auf mehr davon!

Tja, es ist was los in Berlin.

Die Auswertung des Polizeitickers eines Tages zeigt, dass in Berlin etwas nicht  stimmt und das viele Berliner ein nicht gerade beneidenswertes Leben führen. Die Leidtragenden allerdings sind deren Kinder. Der Maler Heinrich Zille proträtierte das „Milljöh“ in zutreffender Weise, einen Nachfolger hat er nicht gefunden und niemand macht durch expressive Veröffentlichung von Schandtaten wie diesen auf die Ausnahmesituation der Kinder aufmerksam, mit Ausnahme. Der Polizeiticker ist abonnierbar und interessant. Es geht um Vorkommnisse in ganz Berlin.

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social spot – Die Arche – Kinderarmut (via Youtube) 

Was wir bedenken sollten

Vor langer Zeit hat das Büro Gotthal als Verwalterin von Mehrfamilienhäusern in ganz Berlin das „Methusalem Kompott“ aus dem gefühlsmässigen Kühlschrank der Gleichgültigkeit geholt. Dabei versteht man sich als Hinweisgeber, der kostenloses, problemfreies Management zu organisieren versucht: denn Hinschauen kostet nichts, aber bringt sofort was! Bei der Hausverwaltung hinterlegt der Mitbewohner Erkenntnisse seinerseits, die „wachem Beobachten“ entspringen. Eine alte Frau, ein alter Herr, ganz allein, niemand kümmert sich. Dasselbe kann man als Verwalter auch und gerade hinsichtlich von Kindern in auffälligen Wohn- und Lebensumständen fordern. Wir können hinschauen.

Ob wir uns einmischen dürfen, ist die Frage? Denn zunehmend gerät das „Einmischen von außen“ in Verruf. In der S-Bahn darf sich niemand einmischen, wenn jemand zusamengetreten wird, vielleicht Chuck Norris? Eine offensiv „indianische“ Lebenskultur wäre wünschenswert. Indianer nehmen die Erziehung und das Aufwachsen von Kindern als ganzheitliche Dorfaufgabe. Es ist erwünscht, dass sich Erwachsene in die Kindeserziehung einmischen, so funktioniert Sozialisation. Wir müssen uns einmischen (dürfen).

So wenig aufgedrängte, unzutreffende Beratung von Außenstehenden erwünscht wird, so sehr ist sie erforderlich, wenn eine gewisse „Betriebsblindheit“ von Erwachsenen eintritt, die von außen betrachtet ihre einfachsten Lebensumstände nicht mehr in der Lage sind, angemessen zu regeln. Dann verkommt die Wohnung und mit ihr das Kind, dass in diesem Umfeld aufwächst. Da müssen wir hinschauen, auch aktiver, als wir es bisher taten.

Das Alltägliche im Wahnsinn liegt offen vor uns. Wo wir wohnen und leben und Dinge mitbekommen, die nicht offen ausgesprochen werden aber passieren, können wir eine Aufgabe wahrnehmen. Sie lautet: Wir vernetzen die „zu bürgerliche“ Gesellschaft und bilden Verantwortungsbewußtsein, Gemeinsinn und vor allem Solidarität mit den zu kurz gekommenen Kindern, wenn wir nicht mehr schweigen. Darum geht es.

Alles andere ist „zum Kotzen“. Und das hier betraf auch nur die Nachrichtenlage an einem ganz gewöhnlichen Arbeitstag.

Das ist auch der Grund, warum auf der Website der Hausverwaltung Büro Gotthal seit 2009 bereits für das Projekt „Die Arche“ geworben wird und gebeten wird, die Einrichtung mit Spenden zu unterstützen. Und wenn wir uns daran nochmals erinnern, schadet das nicht, es nützt. Hingeschaut! Nicht weg.

Weblotse

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