1186/11: Historie: Vor vielen, vielen Jahren war da ein Prozess in Gang gesetzt! Im Antiquariat wird man fündig.

Vor vielen, vielen Jahren -es war anno domini 2005-, da focht eine ältere Wohnungseigentümerin einen Beschluss der übrigen Wohnungseigentümer an. Diese hatten den Verwalter neu bestellt. Die ältere Dame lebte noch viele Jahre dahin und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie auch noch heute. Die Dame war mit der Entscheidung der Anderen nicht einverstanden: denn diese hatten den Verwalter aus Gründen ihrer eigenen Zufriedenheit noch einmal als Verwalter bestellt. Denn er war der Verwalter schon seit noch viel mehr Jahren. Ja, wenn man heute zurückschaut, dann war er sogar „der dienstälteste Verwalter dieser WEG aller Zeiten“. Keiner hatte je länger dieses Amt ausgeübt.

Heute übrigens ist dieser Verwalter nicht mehr deren Verwalter. Er entschloß sich 2010, die im Dezember 2010 auslaufende Verwalterbestellung nicht zu erneuern, um ab 01.01.2011 erneut per mehrheitlichem Beschluss zum Verwalter bestellt zu werden. Dies hätte nach seiner Auffassung keinen Sinn.

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Stimme der Kritik - bleibt kritisch!

Die hier dargestellte Geschichte ist wie aus dem Tollhaus des Lebens, sie kann als Erklärung des Begriffs „Gerichtsferien“ verstanden werden und als vollkommene Neudefinition dieses Behördenjargons.

Die Gründe dafür lagen in verschiedenen Ebenen, aber hauptsächlich auf einer: es gab in dieser Wohnanlage ein „querulatorisches Potenzial“. Die Anlage bestand aus -sagen wir- 24 bis 25 Parteien, die Wohnungseigentümer hatten Mitte der Siebziger Jahre dort Reihenhäuser erworben, die sich in Form des Wohnungseigentums seit dem bewohnten. Das „querulatorische Potenzial“ bestand nun aus älter gewordenen, in die Jahre gekommenen  Wohnungseigentümern aus „bildungsnahen Schichten“, eine Vielzahl von Wohnungseigentümern hatten „mindestens“ Hochschulerfahrung, teils als Professoren von deutschlandweitem Ruf.

Es begab sich aber, dass einige der Wohnungseigentümer, es waren im Kern vier oder fünf, sich jeweils zu „Minderheiten“ zusammenrotteten, wobei man dies Wort nicht verwendet im „schicklichen Sprachgebrauch“, doch es erklärt ganz gut, was es meint.  Im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren, bei unterschiedlichen Antragsgegenständen, genossen die Damen und Herren unterschiedliche Spieltage, -wochen, -monate, wobei die Konstellation, wie in Gesellschaftsspielen nicht unüblich, spieletaktisch gewieft wechselte. Mal Frau Dinslaken (Name geändert) gegen „Alle“, mal Prof. Tonngarten (dito) und Frau Frenzel (dito) gemeinsam gegen die Anderen. Undsoweiter und so fort. Das Pläsierchen ihres „Mensch, ärgere dich!“-Spiels im wesentlichen: Abrechnungen der Gemeinschaft anfechten. Oder einfach nur „Verwalter ärgern“.

So begab sich anno domini 2005, dass besagte Frau Dinslaken die Entscheidung der Übrigen anfocht, den Verwalter zu bestellen.

Eine Entscheidung bekam Frau Dinslaken schon bald. Das Amtsgericht Schöneberg, Außendienststelle WEG-Angelegenheiten, beurteilte das Schriftsätzliche und wies die Anfechtung mangels Erfolgsaussicht zurück. Es sei im übrigen gerichtsbekannt, dass der Verwalter dieser WEG es „ersichtlich schwer“ hätte. Es sei „eine ganz schwierige Gemeinschaft“. Das Rechtsmittel von Frau Dinslaken gegen die ablehende Entscheidung des Amtsgericht verhandelte schliesslich auch das Landgericht. Die Sache sah nicht sonderlich kompliziert aus, befand das Landgericht und entschied sich, das Rechtsmittel von Frau Dinslaken „einem Einzelrichter“, einer Einzelrichterin zu überlassen. Denn sonst wurden seinerzeit solche Sachen „zu dritt“ richterseitig abgehandelt. Ganz einfach.

Icke ooch!

Nun tagte das Landgericht „anno zwirn“, sagen wir Anfang 2007, mündlich zur Sache. Die Vorsitzende, durchaus als sehr gewissenhafte, ordentlich agierende Richterin bekannt, rief Frau Dinslaken sehr eingehend zur Ordnung, doch irgendwann schüttelte die Vorsitzende dann nur noch den Kopf. Denn die Klägerin zeigte sich immer noch etwas wirr und vor allem uneinsichtig. Sie habe nichts vorgetragen, was es rechtfertige, einer Mehrheitsbeschlussfassung der Versammlung in Ende 2004 „per Richterbeschluss“ einzugreifen. Vorgreiflich sei, was die Menschen selbst wünschten. Sie solle noch weiteres vortragen.

Nun wechselte das Dezernat, die ordentliche Richterin entschwand aus der „Kammer des Schreckens“, das ist die Kammer für Wohnungseigentumsangelegenheiten. Ja, manche meinen sogar, es handele sich dabei um eine Art Strafsenat. Das stimmt natürlich nicht. Der neue Richter nahm die Sache an sich. Und nun geschah nichts mehr. Doch: Einige Erinnerungen schickten der Verwalter und ein am Verfahren beteiligter Wohnungseigentümer, die die Sache nunmehr zum Abschluss bringen mochten. Eine Entscheidung ist auch heute noch nicht da. Allerdings gibt es jetzt ein bemerkenswertes Schreiben. Um zur Rechtsfortbildung beizutragen, veröffentlichen wir den Wortlaut des unter dem 11.04.2011 (also sechs Jahre nach der angefochtenen Verwalterbestellung) ergangenen richterlichen Schriftsatzes.

(Zitat)

In der Sache

Dinslaken ./. Tonngarten betreffend Wohnungseigentumsanlage Alsterwasserboulevard/Elbeweg in 12345 Berlin (alle Daten verändert)

wird darauf hingewiesen, dass sich die Sache -bedingt durch die leider überlange Verfahrensdauer, für die um Entschuldigung gebeten wird, in der Hauptsache erledigt haben dürfte, denn der Beschluss vom 14.12.2005 sah eine Bestellung der Beteiligten auf unbestimmte Zeit vor, was dahin auszulegen ist, dass die Bestellung für die gesetzliche Höchstdauer von 5 Jahren erfolgen sollte (vgl. dazu OLG Münehen NZM 2007, ; 647). Da die Bestellung ab dem 1.1.2006 erfolgt ist, ist die Amtszeit abgelaufen, was zur Erledigung der Hauptsache führt, die in nach altem Recht zu behandelnden Sachen auch ohne entsprechende Erklärungen der Beteiligten schon dann festzustellen ist, wenn aus Rechtsgründen tatsächlich eine Erledigung vorliegt. Auf die Erfolgsaussichten der Sache kommt es dann nur im Zusammenhang mit der unter Billigkeitsgesichtspunkten zu treffenden Kostenentscheidung an. Diese wird nun ergehen.

(Ende Zitat)

 Ja, liebe Kinder, das ist schon bemerkenswert, oder? Einfacher formuliert: Die Sache hat sich durch Liegenlassen erledigt.

Noch niemand hat den Dienstbegriff so verwendet und doch besitzt er eine ganz eigene Relevanz: Spricht man vom „dienstältesten WEG-Verwalter dieser Wohnanlage aller Zeiten“, so wird ein gewisses querularorisches Grundpotenzial der Wohnungseigentumsanlage erahnbar, dass dazu führt, das niemand einem Verwalter der bezeichneten Anlage eine längere Dienstzeit zutraut. Dann kann das heißen, der Verwalter wird sowieso demnächst wieder abgesägt, weil er es nicht schafft, die zerstrittenen Persönlichkeiten der Anlage zu einigen. Oder es bedeutet, dass niemand sich freiwillig so eine Anlage antut. Was allerdings den vielen, besonders netten Menschen in der Anlage nicht gerecht wird, die das querulatorische Potenzial einzelner Miteigentümer auszubaden haben. Besteht aber die Anlage schon seit längerem, so gilt die Anscheinsvermutung, dass der als „Dienstältester ….(wie oben)“ beschriebene Verwalter es immerhin für eine unerwartet lange Zeit geschafft hat, eine fast Verwaltung zu nennende Gesamtatmosphäre herzustellen. Das spricht dann in erster Linie erst einmal nicht gegen ihn. Dann wäre es jedenfalls nicht abwegig, die Amtsphase bis zur entgültigen Niederschlagung des Verwalters als „Mediationsphase“ zu bezeichnen, also eine Art „Westfälischer Frieden“, mag dieser im Einzelfall auch noch so teuer erkauft sein. #Verwalterischer Konfuzismus, Esoterische Verwalterkunde, gesichtspunkte.de © 2011

Man merkt der Sache an, sie muss jetzt weg. Und übrigens ist diese „gereifte Erkenntnis“ (bei Gericht) noch lange kein Faktum dergestalt, dass nun der Herr Vorsitzende eine „billige Kostenentscheidung“ trifft. Er hatte während eines Telefonats mit dem seinerzeitigen Verwalter, der sich nach dem Fortgang der Sache erkundigte, seine persönliche Auffassung „durchscheinen“ lassen und da ahnte man, es gäbe -bedingt durch diesen Richterwechsel- wohl nicht nur frischen Wind, hier: durch liegen lassen, sondern auch eine andere Rechtsmeinung. Und so halten wir für den eigenen Erkenntnishorizont zusätzlich fest, dass die Inanspruchnahme von Gerichten auch „eine Art pervertierte Verselbständigung“ von vollkommen willkürlichen Erkenntnissen Dritter (in diesem Fall: Richter) nach sich ziehen können, die mit dem Hier und Jetzt bzw. dem Hier und früher (hier: Anfang 2006) überhaupt nichts mehr zu tun haben. Alte Richterin, alte Sacheinschätzung, Vertrautheit mit Rechtsmeinung, die sich über ein tätiges Verfahren entwickeln konnte. Break. Neuer Richter, neue Rechtsmeinung, aber keinerlei Erörterung mit den Parteien, liegen lassen, Hauptsache erledigen durch nichts tun und dann „Deckel druff“, Kostenentscheidung „nach Billigkeitsgesichtspunkten“.  Wir bitten die rechtsprechenden Instanzen von Berlin um Verständnis: Da hier Gesichtspunkte wörtlich angesprochen sind, besteht Berichts- bzw. Publizitätspflicht.

Das alles ist weder gerecht noch billig. Es ist eine Riesen-Schweinerei! Er mag Kritik nur, wenn sie laut ist. Der Bloggwart, nicht der Richter.

Ob die Wohnungseigentümerin noch lebt, die diese gerichtliche Entscheidung begehrte? Klar ist folgendes: Ihr Gesundheitszustand hat sich in den letzten fünf Jahren so stark verschlechtert, dass ihr heute eine geordnete Wahrnehmung ihrer Interessen, wie im Zeitpunkt der Einleitung ihres Verfahrens, schlicht nicht mehr möglich ist. Es hätte auch schlimmer können: dann wäre als „Hauptsache“ lediglich noch der Tod der Klägerin festgestellt worden, aber was wäre dann „billig“? Geschmackloser Gedanke. Rechtstaatlichkeit ist anders.

Ein Gedanke zu „1186/11: Historie: Vor vielen, vielen Jahren war da ein Prozess in Gang gesetzt! Im Antiquariat wird man fündig.

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