1130/11: Positionen: Und dann war da noch der Testosteron-schwangere Rechtsanwalt mit Durchblick

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Der Erwerb von Wohnungseigentum in Deutschland ist inzwischen längst eine internationale Angelegenheit, Typ „foreign affairs“. Ob dabei noch das Gebot wechselseitiger Höflichkeit zählt? Mitnichten. Junge, dynamische Rechtsanwälte mit „reichlich Testosteron“ und inländischem Wohnsitz an Kudamm und anderswo machen sich die Sache zu Eigen. Der eigene Erfahrungssprengel zeigt uns, dass der Erwerb von ausländischem Wohnungseigentum mit teils harschen Rechtsregelungen einher geht. Schlagzeilen machten u.a. die spanischen Regelungen, wonach der säumige Grundsteuerzahler seitens der Finanzbehörden sehr schnell in die Zwangsversteigerung gerät. So offenbar noch nicht in Deutschland. Bei aller Sympathie für die Niederkämpfung von Protektionismus und dergleichen: Muss am Ende das Wohnungseigentumsgesetz in diesem Punkt noch konkretere Ausgestaltung erfahren? Einiges spricht dafür.

Das Rubrum, das sein Schreiben führt, ist fettgedruckt, warum auch nicht. Es heißt „B. S. R. L.  S.r.L.“ – Beratung“. Was vielleicht viele nicht wissen: „S.r.L.“, das ist eine GmbH nach italienischem Recht. Carbonara per favore…

Eine italienische GmbH -nicht ganz so bekömmlich wie eine italienische Minestrone vermutlich- schickt sich an, Wohnungseigentum in Berlin-Kreuzberg zu erwerben. Sie sitzt in Rom. Kein Problem. Es entspricht europäischem Recht, dass „Ausländer“ (nicht Inländer mit Migrantenhintergrund…, sondern im Ausland lebende Nichtinländer…) nicht schlechter gestellt werden dürfen als Inländer. Mal ganz allgemein gesagt.

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Tonero – I Santo Califorinia (1975) – via Youtube

Jetzt muss die Verwalterin der kleinen, aus 16 Einheiten bestehenden Anlage den Kaufvertrag prüfen. Nein, besser, sie muss prüfen, ob „in der Person des Erwerbers Gründe vorliegen“, die die Erteilung der Verwalterzustimmung verhindern? Gute Frage. Gefährliche Frage. Für alle Seiten. In erster Linie geht es darum, ein Geschäft zu besiegeln, dessen Tinte bereits trocken ist. Unterschriften wurden bereits geleistet, der notarielle Akt des Kaufvertrages ist mehrere Wochen her.

Der Herr Rechtsanwalt gebiert sich auf die katalogartig aufgestellten Fragen der Verwalterin als Testosteronschläger. Rücksichtslos wie ein Elefant im Porzellanladen. Denkt der Verwalter, als er liest, was der Herr Rechtsanwalt jetzt schreibt. Er schreibt Mist. Auf das Schreiben der Verwalterin an den Vertragsnotar der Parteien empfiehlt sich der rechtliche Berater der italienischen Erwerber:

Aus unserer Sicht hat der Verwalter die Verwalterzustimmung zu erteilen. Gründe, eine Zustimmung zu versagen, bestehen nicht ansatzweise….. – Sagt er. Und dann noch das: „Es wäre sinnvoll, den WEG-Verwalter darauf hinzuweisen, dass er sich schadenersatzpflichtig macht, soweit die Verwalterzustimmung nicht erfolgt. Zugleich dürfen wir anregen, das Thema „Neuwahl der WEG-Verwaltung“ so schnell als möglich auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung setzen zu lassen.“

Es ist eine kraftstrotzende, überhebliche Amtssprache, die der Notar dem Verkäufer der Wohnung angedeihen lässt. Die Sprache soll jeden Zweifel darüber wegwischen, dass hier eine Sache durchgefochten werden wird, die ihresgleichen sucht. Energie, Maß und Ziel stecken in einem Leuchtkandelaber, der nur noch angeknipst zu werden braucht. Wenn die Frist abläuft. Und wenn der Verwalter bis dahin nicht, dann….

Die Formulierung ist kurz, präzise und prägnant. Aber auch unsympathisch. Die Vertragsparteien sind Laien, der eine ist Erbe eines Verstorbenen, eine Erbengemeinschaft. Der andere ist eine italienische GmbH mit Sitz in Rom, der deutschen Sprache nicht mächtig. Dass die „rechtlichen Berater“ der Käuferin, die hier agieren, vorher schon mal bei der Verwalterin angerufen haben, verschweigen sie jetzt allerdings. Ihr Auftrag lautete auf etwas wie „due diligence“, es sollte rechtlich, wirtschaftlich und irgendwie sachverständig überprüft werden, ob der Ankauf dieser Immobilie nach menschlichem Ermessen negative Folgen zeitigen könne? „Könne nicht“, hatte die Verwalterin gesagt, „nach menschlichem Ermessen nicht“. Denn die WEG, so die Verwalterin, sei kaufmännisch und verwalterisch jetzt in Ordnung. „Ob denn Wohngeldrückstände“ bestünden, fragte der Due Diligencler-Rechtsanwalt namens seiner italienischen Mandanten die Verwalterin. „Nein“, auch das nicht, versicherte die Verwalterin.

Und nun will die italienische GmbH mit Sitz in Rom, der Hauptstadt Italiens sich nicht in die Karten gucken lassen? Damit es auch künftig keine Wohngeldrückstände in dieser Anlage gibt? Die Verwalterin hatte überlegt. Einerseits ist es üblich, dass sich ein Erwerber der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, auch hinsichtlich des Anspruchs der WEG auf Wohngeld. Man nimmt ein Jahreswohngeld auf, das ist eine Art Nebenklausel des Kaufvertrages. Aus „ausländischen Erfahrungen“ im EU-Gebiet, wozu auch Italien gehört, ist die Erfahrung seit ein, zwei Jahren die, dass die Zustellung von solchen Vollstreckungsklauseln zwar geht, aber unter der Möglichkeit der Einrede durch den Schuldner steht, sie sei nicht muttersprachlich lesbar gewesen, könne mithin unwirksam sein. Das lehrt Verwalter, Rechtspfleger, Rechtsanwälte, Übersetzungen durch beeidigte Dolmetscher anfertigen zu lassen. Summa summarum kostet die Übersetzung eines Kaufvertrages rund 750,- € aufwärts. Wir hatten es schon geschrieben: Die Zwangsvollstreckung offenen Wohngelds in Israel sieht ganz einfach aus!

Und nun nimmt die Verwalterin ihren Job sehr ernst und prüft, ob in der Person des Erwerbers ein wichtiger Grund vorliegt, die Zustimmung zu versagen. Nicht dass die Verwalterin dies wirklich will. Man kann dies als eine kreuzunglückliche Sache ansehen, als ein zwischen Mühl- bzw. Mahlsteine von internationalem Zuschnitt zu geraten sehen. Doch die Formulierungen, die der junge, dynamische, erfolgreiche…Rechtsanwalt ausdünstet, werden dieser kaufmännischen Sorgfaltspflicht kaum gerecht. Nun kann die Verwalterin nicht anders als zu telefaxen:

Das hier angehängte Schreiben spricht „aus sich selbst“. Die WEG hat zu prüfen, ob in der Person des Erwerbers Gründe liegen, die Verwalterzustimmung zu versagen. Erst wenn dies überprüft ist, kann die Zustimmung erteilt werden. Sollten Sie hierzu fachliche Fragen haben, können Sie mich anrufen!

Die Verwalterin verlangt aussagekräftige Unterlagen über den Erwerber. Dazu gehört als Mindestanforderung ein Handelsregisterauszug über die Firma. In Deutschland gilt für GmbHs das Publizitätsprinzip, die Jahresabschlüsse werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Wer auch als juristischer Laie davon ausgeht, dass wir einen europäischen Rechtsrahmen haben, der eine gewisse Einheitlichkeit besitzt, fragt sich, wie die Rechtslage dazu in Italien ist? Und dürfte dies alles verweigert werden, um stattdessen zu schlussfolgern, die Erteilung einer Verwalterzustimmung sei eine  reine Formsache, unangenehme Fragen dürfe eine Verwalterin nicht stellen? Mitnichten.

Das Thema wird weiter vertieft werden. Ganz so einfach, wie es sich Herr Testosteron macht, weil er noch zu jung ist, sich verständig in eine kaufvertragliche Rahmensituation einzufühlen, wird es nicht gehen. Schon unken die rechtlichen Berater der Parteien, dass wer zu viel fragt, nur dämliche Antworten bekommt. Die Verwalterin steht am Ende da wie eine deutsche Eiche:  als Fels in der Brandung und in dem beruflichen Ansinnen, der Wohnungseigentümergemeinschaft nur solche Erwerber zu spendieren, die wenigstens mittelfristig ihr Wohngeld zu zahlen in der Lage sind. Als Positivum zu vermerken ist: Der oben verlinkte Fall eines israelischen Erwerbers mit Sitz in Tel Aviv zeitigte positive Folgen, als die Verwalterin hebräische Übersetzungen forderte: Der amtierende Notar erklärte sich bereit, die Vollstreckungsklausel in hebräisch übersetzen zu lassen und eine Vollstreckbare Ausfertigung der Verwalterin jetzt zur Verfügung zu stellen. Die Verwalterin wird damit umgehen, wie es wohl dem Usus der deutschen Geschäftsbanken in  vergleichbaren Fällen entspricht: Sie stellt die Vollstreckungsklausel daraufhin unverzüglich nach Israel zu und kann damit im Falle eines Falles (später, wenn es so weit ist) den Zustellnachweis zuverlässig führen. Denn das dauert nach Lage der Erfahrungen, die andere bereits besitzen, schon mal ein Jahr.

Es ist ein Jahr wie eine Zitterpartie, eine Art „unerträgliche Leichtigkeit einer gewissen Unverbindlichkeit“ aus internationalen Gründen und die WEG kann nur hoffen, dass der Erwerber kein ausländischer Betrüger ist und sich zwischenzeitlich artig und pünktlich an die Wohngeldzahlungsverpflichtungen hält, deren Zustandekommen er schon sprachlich nicht versteht, in deutsch geschriebenen Protokollen kaum richtig versteht und vieles, vieles mehr….es sind internationale Gesichtspunkte.

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2 Gedanken zu „1130/11: Positionen: Und dann war da noch der Testosteron-schwangere Rechtsanwalt mit Durchblick

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