963/10: Kommunikation: Von guten und schlechten Anrufern, alten Menschen und Gewitterziegen!

 Als behindert gelten solche Mieter, deren Bewegungsfreiheit erheblichen oder dauerhaften Einschränkungen unterliegt. Gemeint sind damit nicht nur Einschränkungen aufgrund einer anerkannten Schwerbehinderung, sondern auch solche, die auf altersbedingten Behinderungen beruhen. (Internetratgeber Recht, Link am Ende des Artikels)

Es ist ein Vormittag. Montagvormittag. Herr Lemke (* geändert) aus Lichtenrade ruft an. Er ist 93 Jahre alt. Vor Wochen bat er telefonisch um eine Einbauerlaubnis als Mieter. Er möchte anstatt der Badewanne eine Dusche einbauen, zu ebener Erde, weil er in die Wanne nicht mehr reinkommt. Seine Frau ist auch schon 90. Ich hatte gesagt, dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Ich dürfte es aber nicht entscheiden, das sei eine Frage, die müsse er seinem Vermieter (dem Wohnungseigentümer) stellen. Das hat er schon, sagt er, der hätte ihn an mich verwiesen. Problematisch sei, da müsse ein Deckendurchbruch gemacht werden in den Keller.

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 Als er in Kriegsgefangenschaft war, zu seinem Glück in englischer, erhielt er die Nachricht, dass seine Eltern und zwei seiner Brüder umgekommen waren. Das erzählte er mir nicht als Kind, sondern erst als ich erwachsen war. Verbrannt seien sie, sagte er. Vielleicht war er gar nicht so gelassen, vielleicht hatte er nur zu viel erlebt. (Über den, der mit 53 Jahren Vater von Malte Welding, Autor, in Berliner Zeitung, 23. Oktober 2010, Link am Ende des Artikels)

Ohne mich groß einmischen zu wollen, habe ich aus beruflichen Gründen ein rechtliches Grundgefühl. Es gibt diese Dinge, in denen ich nicht richten kann darf, weil ich sie nicht bearbeite. Wenn formlos die Welt zugrunde ginge, riefe ich ihm zu: „Aber klar, mach doch!“ 93 Jahre und immer noch am Leben? Wau wau, eine beachtliche Lebensleistung, was die gelebten Jahre betrifft. Um so behandelt zu werden, muss allerdings noch eines hinzu kommen. Der Mensch, wie er so ist, in diesem Alter, der muss auch Mensch sein und nicht eine von Krankheit oder Alterseinschränkungen vernachlässigte „Körperhülle“, um die sich -Schande, Schande- niemand mehr kümmert. Die Achtung von der Lebensleistung eines Menschen hängt damit zusammen mit der Erkenntnis, dass der Mensch sich noch in einem Zustand positiver Art befindet, also ein Leben lebt, das unter den besonderen Umständen lebenswert ist. Trifft dies nicht zu, hätte ein solcher Mensch mein Bedauern, aber das ist hier und heute nicht das Thema. Herr Lemke ist ein großartiger, netter Mensch!

Ich besitze zu der Sache selbst, um die es hier geht, einen inneren Leumund und Gewissheit: Ich möchte sehr gern, dass diesen beiden alten Menschen geholfen wird. Das gebietet die Achtung vor dem hohen Lebensalter dieser beiden Menschen, ihre nach wie vor große Freundlichkeit, ihre Klarheit im Verstand und ihre gute Orientiertheit. Sie sind in jeder Hinsicht liebenswerte Menschen. Wir kennen uns seit ein paar Jahren auch persönlich, ich habe sie mal in ihrer Wohnung besucht, habe mir Zeit genommen für sie. Hinzu kommt seit 2001 (Mietrechtsreform), dass solchen Menschen auch vom Gesetz her Unterstützung zur Seite steht. Dass das solche Menschen nicht wissen, darf nicht dazu führen, dass dies Menschen ausnützen, z.B. Vermieter, die objektiv erforderliche, zügige Genehmigungen nicht erteilen und damit das Leiden unnötig verlängern. Manchmal kann die unzuständige Hausverwalterin im Geiste ein Anwalt einer Sache sein, die auf „dem anderen Ufer“ der eigenen Klientel „mit schwimmt“: Mieter, die Hilfe benötigen, haben Hilfe verdient, ohne Wenn, Brimborium und Aber!

Behinderungen - Rollstuhl

Behinderungen - Rollstuhl

Heute kann ich ihnen offiziell nicht weiterhelfen, mir versagt die Stimme, oder sollte ich sagen, ich bin sprachlos? Es gibt jetzt aufgrund meines letzten Rats an diese Mieter einen schriftlichen Vorgang dazu. Der Vermieter, die Eigentümer dieser Wohnung, blocken diesen Antrag immer wieder mit schwacher Einfühlung und formalistischen Bedenken ab. Es gibt auch kein klares Nein, sagt der Mieter, er empfindet es so als „Wischiwaschi“. Ich kann es verstehen, darf es ihm aber nicht sagen. Meine Mandantschaft ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Innerlich spüre ich, das ist wie „mit einem Schlitten fahren“. Der Mieter ist 93 Jahre alt und man braucht nur ein bisschen Einfühlungsvermögen, um zu verstehen, dass die Zeiten knapp sind. Wer aufgrund körperlicher Behinderungen -und dazu gehören wohl auch Erschwernisse wie das hohe Lebensalter und die zunehmende Gebrechlichkeit- von der Mietsache nicht mehr im notwendigen Umfang Gebrauch machen kann, muss sich eben anders einrichten. Ja, und einen anderen Rat, als einen guten Rechtsanwalt aufzusuchen, der die Zuständigkeiten, wechselseitigen Rechte und Pflichten kennt, kann ich als Verwalter der Wohnungseigentümer kaum geben. Nun haben sie ihn, und wir können nur hoffen, dass sie noch ein langes und vor allem ein behinderungsfreies Leben haben.

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Häufig anzutreffende Tierarten: Gewitterziege

Häufig anzutreffende Tierarten: Gewitterziege

Ganz anders eine Art „Gewitterziege“ aus Berlin-Spandau. Auch sie ist Mieterin eines Eigentümers und ruft uns an. Wir verwalten sie nicht, haben keinen „Sonderauftrag“ abgeschlossen, zusätzlich zur WEG-Verwaltung auch noch das Sondereigentum (gegen gesonderte Vergütung, extra erteilte Vollmacht pipapo) zu betreuen. Der Eigentümer sitzt in Süddeutschland und will die paar Euro sparen und regelt die Verwaltungsdinge selbst. Jetzt soll das Bad modernisiert werden, sagt die Mieterin. Ich sage „Aha!“ Wo man denn jetzt Wasser ablassen könne, fragt sie, ich sag, ich weiß nicht. Und während das Gespräch zwischen uns so hin- und her dümpelt, weise ich sie noch der Form halber darauf hin, es sei doch jetzt kalt und warum man das nicht in der Sommerzeit gemacht habe, diese Art von Kritik mag sie nicht, ihre Tonlage wird spitzer. Meine langsam auch. Sie fragt immer weiter, alles Dinge, die ich ihr gar nicht erklären kann/darf, denn wir verwalten diese Wohnung nicht.

Irgendwann denke ich, so, jetzt muss sie aber wirklich ihren Vermieter dazu kontakten, damit der das mit ihr bespricht. Ich sage es ihr. Sie sagt, er weiß es nicht, und er hat „an uns“ verwiesen. Ich wiederhole noch einmal, dass wir nicht berechtigt sind, mit ihr zu sprechen, da wir ihre Verwaltung nicht durchführen, zuständig sei allein ihr Vermieter. Wenn der etwas nichts wisse, müsse er sich drum kümmern, es zu erfahren und nach mietvertraglicher Überprüfung, ob er dazu verpflichtet ist, Entscheidungen als Vermieter treffen. Unvermittelt lässt sie fallen:

 Das ist aber jetzt bürokratisch….

und genau darauf habe ich schon die ganze Zeit gewartet. Was bin ich nur für ein erbärmlicher Idiot? Mein letzter Strohhalm, um argumentativ wieder Oberhand zu bekommen, denn sie will mich partout nicht vom Telefon lassen, ist folgender Gegen- und Anscheinsbeweis:

Tut mir leid, Frau Schnippekötter (* geändert), das ist nicht Bürokratie, das ist vollkommen unbürokratisch. Das ist richtig oder das ist falsch. Und das ist alles, was man dazu sagen kann.

Die Einstein´sche Relativitätstheorie? Mitnichten, dazu fehlt mir der nachgewiesenermaßen „umfassende, große Geist“ von Albert. Allerdings habe ich ein bisschen „mit Freud“ geschunkelt, ihn aber nie angemessen gelesen und eine Vielzahl wichtiger Kommunikationstheorien aufgestellt. „Kommunikations-Coacher“ könnten mir eine Menge Tipps geben, denn auch das zählt zu guter Kommunikation: zuhören und verstehen, (erst) dann reden. Denn manche reden laut und deutlich, um in Ruhe gelassen zu werden! Es war genug mit der „Gewitterziege“ aus Spandau, jetzt kann sie mich mal.

Oder, wie Malte Welding in der Berliner Zeitung vom 23. Oktober schreibt: „Nerv´mich doch“, und u.a. fragt er:

Die neue Leitkulturdebatte erinnert an einen Satz von Methusalix, dem greisen Gallier aus den Asterix-Heften: „Ich habe nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier.“ Was ist unsere Kultur? Bowlen, Bier und Bibelkreis? Oder eher Bohlen (ironisch, selbstredend), Bionade und Bali? Golf, Gucci, Genitalpiercing? Porsche, Polo, Psychotherapie? Tee, Tanzgruppe, transzendentale Meditation? (Link am Ende des Artikels)

Sie ist erfolgreich: Sie hat mich genervt. Hat sie gestern Berliner Zeitung gelesen? Ich verwerfe diese Frage schnell, sie erscheint mir unbedeutend.

Sie beendet nun das Telefonat rasch, schnurstracks, und offenbar in der Annahme, sie hätte nun den Trumpf „unbotmäßigen Verhaltens“ des Verwalters erkämpft. Ohne weitere Beschimpfungen wechselt sie nun zu einer furchtbaren Drohkulisse, sie lässt fallen: „Na wenn sie das meinen und so unfreundlich sind, dann werde ich jetzt den Eigentümer anrufen und ihm das alles erzählen.“ „Na klar, geht in Ordnung, machen Sie bitte!“ – Und einen schönen Tag auch, Frau …..(klick).

Der Wannsee fließt als Fließgewässer mit derselben Geschwindigkeit weiter. Zwei Telefonate, ein gutes und ein schlechtes, so wie es jeden Tag gute und schlechte Telefonate gibt. „Aber, Hausverwalter, nenne eine Mieterin, die fälschlicherweise bei dir anruft, nie eine „Gewitterziege“!“ Das stimmt, lieber Coach, da hast du recht. Ich werde es nie wieder tun oder vielleicht nur mal ausnahmsweise….

Gute Kommunikation? Telefon

Gute Kommunikation? Telefon

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2 Gedanken zu „963/10: Kommunikation: Von guten und schlechten Anrufern, alten Menschen und Gewitterziegen!

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