762/2010: Wohnungswirtschaftliches Hearing: Die Rechtsanwälte Wanderer & Kollegen luden ein

„Es wird Nacht, Senhorita, und ich hab kein Quartier, lass mich rein in dein Bettchen, ich will gar nichts von dir…“ (Otto Waalkes, Prophet, 1973, zur BGH-Entscheidung über die Vermietung von Ferienwohnungen in Eigentumswohnanlagen)

Unbestätigten Gerüchten zufolge wird das Berufsleben von Verwaltern nicht einfacher, die sich in diesen „schweren Zeiten“ mit der Verwaltung von Wohnungseigentümern befassen. Jammer, jammer. Das sagen alle. Aber das ist auch richtig, gefühlt. Denn wir haben eine andere Zeit, in der vieles weg geht von der Idee eines Friedrich Merz (CDU), künftig alles „auf Bierdeckeln“ zu erledigen. Gut, werden jetzt viele sagen, der Friedrich Merz, der spielt ja jetzt auch keine Rolle mehr. Die Frage aller Fragen aber ist: Muss das denn sein?

Richtig, das Leben wird komplizierter. Und während die Verwalter Deutschlands zumindest, was Wohnungseigentum betrifft, die „unerträgliche Leichtigkeit ihres Seins“ noch feste feierten, hatten diejenigen mit einem Miethausverwaltungsschwerpunkt schon länger etliche, fette und glibschige Kröten zu schlucken. Verbraucherschutz, so könnte man das Ansinnen der Richter vor Deutschlands Rechtsprechungsportalen umschreiben. Wer aber schützt Deutschlands Wohnungseigentümer (Verbraucher) von „verkomplifizierenden Richtern“?

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RA Uwe Wanderer

RA Uwe Wanderer

Alles steht in krassem Widerspruch zueinander. Die Rechtsprechung fordert seit Jahren und wird diesbezüglich gern auch gebetsmühlenartig zitiert, dass ein „Wohnungseigentümer als fachlicher Laie“ Abrechnungen seines Verwalters ohne Hinzuziehung von Sachverstand zu prüfen in der Lage sein muss.“ Das bedeutet jedoch eindeutig nicht, dass die Richter aller in Frage kommenden Instanzenzüge dies gern mitmachen. Inzwischen gibt es etliche Spannungsfelder, die in starkem Widerspruch zu dieser einfachen Grundidee stehen.

Der Haufeverlag hat es vor kurzem auf folgende Formel sinngemäß gebracht: „Richtig“, so Dr. Deckert, Loseblattpapst von Wohnungseigentumsdeutschland, „so ´ne fundamentale Änderung“ im Rechtsprechungswerk betreffend die Jahresabrechnungen“, aber dies „mittenmang einer Abrechnungssaison Frühjahr 2010“?

Die Berliner Rechtsanwälte um Kanzleichef und Namensgeber Uwe Wanderer (Wanderer & Kollegen) hielten die Zeit für gekommen, eine Mandantenveranstaltung zu laden. Die Ladungsfrist war hinreichend gewählt und das Thema hinreichend konkretisiert, Ladungsmängel nicht ersichtlich und also strömten Mitarbeiter, Sachbearbeiter, Chefs und Lakaien der Berliner Wohnungswirtschaft zu einem „Hearing“ am 25.03.2010 in der Urania, Berlin-Schöneberg. Es dürften an die 200 Teilnehmer erschienen sein. Themen der Veranstaltung zwei:

  • die Vermietung von Ferienwohnungen in Eigentumswohnanlagen (BGH, Urteil vom 15.01.2010 zum Aktenzeichen V ZR 72/09),
  • die Behandlung der Instandhaltungsrücklage in Eigentumswohnanlagen bzw. in der Jahresabrechnung (BGH, Urteil vom 04.12.2009, Aktenzeichen V ZR 44/09).

Beide Bundesgerichtshofs-Urteile kommen spät, aber unerwartet. Denn die Amtszeit des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog ist längst verstrichen. Der berühmte „Ruck durch Deutschland“, von Herzog einst angemahnt, kommt nun erst erheblich verspätet im 1. Quartal des Jahres 2010, und Horst Köhler als aktueller Bundespräsident hat diese Rucks durch Deutschland weder als wandernder Alterspräsident vom Format eines Karl Carstens, noch als singender alter Scheel (Hoch auf dem gelben Wagen) angekündigt. Die obergerichtlichen Entscheidungen, so das Empfinden vieler Branchenkollegen, haben  einer Menge Menschen ordentlich in die wohnungseigentümliche Suppe gespuckt.

Und trotz alledem lässt sich hierüber zutreffend und ausufernd referieren. Die Rechtsanwaltskollegen Dr. Egbert Kümmel und Uwe Wanderer übernahmen die Moderation der Veranstaltung. Es entwickelte sich ein lockeres Zwiegespräch auf dem Podium in Zirkusmanier. Was der eine dem anderen als Futter hinwarf, hob der andere artig auf und führte es mit Entschlossenheit fort. Worum ging es?

Otto.Es.wird.Nacht.Senhorita

BGH zu Ferienwohnungen

Mit der grundsätzlichen Bereitschaft des Bundesgerichtshofs, die Nutzung von Wohnungseigentum als Ferienwohnungsvermietung mit ständig wechselnden Gästen als ordnungsgemäße Nutzung im Sinne des WoEigG zu sehen, wird insbesondere den selbstnutzenden Bewohnern solcher Wohnanlagen kein Gefallen getan. Diese beklagen in aller Regel, dass Ferienwohnungsvermietung in der Regel kopflos, unanständig und irgendwie losgelöst von einer Pflicht zum ordentlichen, sorgfältigen Umgang miteinander erfolgt. Die nur tageweise anreisenden Bewohner (Feriengäste) nehmen Quartier, buchen sich ein, manchmal noch durch eine professionelle Agentur betreut, das wäre ja noch was. Aber dann sind sie da, übernachten dort, wollen was erleben, denn sie sind im Urlaub hier. Sie halten sich kaum an Ruhezeiten, manche von ihnen noch pubertierend-jugendlich, rauchend, saufend, und alles Weitere lässt sich denken. Die fest dort wohnenden Wohnungsinhaber geraten ins Hintertreffen, sie setzen sich der dämlichen Frage aus: „Ja, was haben sie denn?“ oder „Ach, seien sie doch nicht so!“ Dass die Haustüren, wie beschlossen, regelmäßig um 20 Uhr abends abgeschlossen werden? Woher soll das der Bewohner Feriengast wissen?

Besonders in gepflegten Wohnanlagen stoßen solche Nutzungen oft auf mannigfaltige Beschwerden. Insofern ist die Liste der zu empfehlenden Verhaltensmaßregeln inzwischen einigermaßen lang und die Empfehlungsliste, was nun zu tun sei, fällt demgemäß ausführlich aus. Das Wort und alle Widerworte der Veranstaltung aufzulisten, ist nicht genügend Platz. Wir werden bei passender Gelegenheit weitere Empfehlungen dazu an die Hand geben.

 
 

Bundesgerichtshof

BGH zur Behandlung der Instandhaltungsrücklage

Dies Thema allerdings ist das Brennendere von beiden. Denn hier trifft die Bundesgerichtshofs-Rechtsprechung Verwalter in ganz Deutschland „mitten ins Herz“. Dass der BGH zur Fortentwicklung des Rechts eine bundesweit so gehandhabte Regelung kippt und die Instandhaltungsrücklagenbildung aus den Wohnungseigentums-Einzelabrechnungen aussondert, wird vielerorts mit Unverständnis entgegnet. Die Verwalter sehen hier Angriffe auf das Gebot der „einfachen Übersichtlichkeit“ von Jahresabrechnungen. Und was der BGH beschlossen hat, soviel lässt sich jetzt schon sagen, lässt wiederum so viel neue Fragen offen, dass kaum von einer befriedigenden Insgesamtlösung gesprochen werden kann. Es steht eine Vielzahl von Fragen im konträren Diskurs der Fachleute, gehört wurde u.a. folgendes:

  • Der Grundsatz, dass eine Abrechnung grundsätzlich nur die Einnahmen und Ausgaben beinhaltet, ist nach wie vor durch die Heizkostenverordnung durchbrochen. Insofern sind Einzelabrechnungen nach diesem Schema schon deswegen falsch, wenn sie auch abgegrenzte Bestände für Heizöl, zugekaufte Ölrechnungen oder aufgrund einer Verbrauchsinventur zugebuchte Forderungen oder Verbindlichkeiten für den Heizungsstrom aufweisen. Gerade diese Frage finden auch die Rechtsanwälte Wanderer so weitgehend, dass diese Problematik im Interesse der Übersichtlichkeit des Gesamtvortrags unbehandelt bleiben musste.
  • Wenn also bereits aufgrund der Heizkostenbehandlung in WEG-Abrechnungen Ausnahmen von der Regel erforderlich sind (zwingendes Recht der HeizkostenVO), stellt sich die Frage, ob die Neubehandlung der Instandhaltungsrücklage, wie sie der BGH jetzt beschlossen hat, nicht lediglich nur eine weitere Ausnahme, und damit eine dem Gebot der Übersichtlichkeit zuwiderlaufende Sonderfallregelung darstellt?
  • Besonders konfliktträchtig: Zwar wird von den Juristen immer wieder davon abgeraten, eine Art Vermögensübersicht für die WEG zu erstellen. Zumindest, so lautet die Empfehlung, darf diese nicht Bestandteil der Abrechnung werden, sondern nur zu „informatorischen Zwecken“ beigefügt werden. Diese Ansicht dürfte sich bald überholen, denn wenn man die BGH-Rechtsprechung intensiv aufarbeitet, stellt man fest, dass was im Vermögensstatus steht (Nachweis der Geldkonten, Aktiva) einem Vergleich mit den Passiva (Höhe der Instandhaltungsrücklage) standhalten muss. Tut es aber oft nicht. In den Aktiva steht häufig ein Heizölbestand von mehreren 1.000,- EUR, der den Bargeldbestand der Geldkonten mindert. Nur zusammenaddiert ergibt Heizölbestand plus Summe der Geldkonten einen geldwerten Gegenwert zur Höhe der Instandhaltungsrücklage. Klargestellt ist, dass es sich dabei um eine IST-Rücklage handelt, nicht um eine Sollrücklage. Allerdings und das ist neu: Zusätzlich zur Ist-Rücklage (wie sie tatsächlich ist) muss der Verwalter künftig auch die Sollrücklage ausweisen (wie sie sein sollte, eigentlich, wenn nicht alles Mögliche dazwischen gekommen wäre….)
  • Eine Muster-Jahresabrechnung, aufgestellt durch die Rechtsanwälte Wanderer & Kollegen musste dem harten fachlichen Diskurs der fachlich vorbelasteten Sitzungsteilnehmer standhalten. Aus Gründen der Vereinfachung musste ein Weg gefunden werden, die Darstellung einfach zu halten. Auf die Frage aus dem Auditorium, warum die Darstellung von Einzelrückständen aus der Instandhaltungsrücklage nicht beinhaltet sei, wie der BGH es fordert, wurde keine Antwort gefunden. Die Befürchtung von Verwaltern, wonach künftig mit jeder neuen Entscheidung des BGH in grundlegenden Dingen einfach die Zahl der mit zu versendenden weiteren Papiere (Blätter zusätzlich) ansteige, ohne aber zurück zur Übersichtlichkeit zu gelangen, wurde ebenfalls keine befriedigende Antwort gefunden. Manches von den Einwänden wird sich erst später aufklären, und zwar erneut vor Gericht.

Ein weites Feld und daher im Ergebnis etwas unbefriedigend. Die Teilnehmer des Hearings hatten noch eine Menge Fragen. Dies allerdings nicht das Verdienst der bemühten Referenten. Man muss hier noch einmal wiederholen: auch die Referenten können hier kaum allumfassende „Tunnelblicke“ an den Tag legen. Die „berufliche Brille“ eines Hausverwalters umfasst eben nicht nur die streng juristische Sicht auf Darstellungsprobleme, sondern auch die schlicht und ergreifend hemdsärmelige Frage, wie man „solche Mist“ eigentlich buchen soll, angesichts von doppelter Buchführung, Gesetzen der doppelten Buchführung mit Klassifizierung in Aufwand, Ertrag und Bestandskonten. Eine kurze Querrecherche auf allen möglichen, in Frage kommenden Softwareplattformen verheißt nichts Beruhigendes: Die gesamte Softwarebranche hat zwar Updates angekündigt, teils sogar kostenlos, keine hat aber schon Updates am Laufen. Diese Rückfrage bei der verwaltenden Branche hätte uns besonders interessiert. Sie hätte eingangs der Veranstaltung lauten können, in Stufen:

  1. Wie viele von Ihnen bearbeiten die Hausverwaltungsbuchführung mit Branchenprogrammen (also nicht mit Excel oder dem klassischen Hausbuch per Hand)? Abstimmung
  2. Wie viele von Ihnen haben bereits fertige Updates vom Programmhersteller bekommen?

Diese Frage wäre sehr interessant gewesen. Denn zum Punkt 2. hätte sich tagesaktuell schlichtweg niemand melden können. Während wir gerade alle -sämtlichst- die Jahresabrechnungen 2009 versandfertig machen. Der BGH hatte doch was Gutes: die Rückkehr zur guten, alten Handarbeit  ist schließlich dem drohenden Stellenabbau in der Hausverwalter-Branche gegenüber systemresistent.

2 Gedanken zu „762/2010: Wohnungswirtschaftliches Hearing: Die Rechtsanwälte Wanderer & Kollegen luden ein

  1. Pingback: 1192/11: FotoPodcast: Mandantenveranstaltung der Rechtsanwälte W.I.R. – Wanderer & Partner | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…

  2. Pingback: 1518/12: Personen: Die Kanzlei von Uwe Wanderer ist inzwischen international aufgestellt! | gesichtspunkte.de – Rettet das Mehrfamilienhaus!

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