726/2010: Berolinisch für Anfänger: Was Udo Lindenberg beim Echo 2010 über Jan Delay sagte….


(für eine google-Recherche des Begriffs „einen zwitschern gegangen, siehe unten)

Berolinisch: Udo Lindenberg über Jan Delay

Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur viel zu selten dazu!“ (Udo Lindenberg & Jan Delay)

Früher lebte Udo Lindenberg (jahrelang) im Hotel Intercontinental in der Budapester Straße in Berlin-Schöneberg. Das berechtigt uns zur Berichterstattung über Udo als vormaligen Wahlberliner. Das Interconti ist direkt hinterm Zoologischen Garten. Heute lebt Udo im Hotel Atlantis in Hamburg, malt Likörelle (Bilder mit Likör) – „die kann man hinterher ablutschen“- und galt noch nie als Kostverächter. Bei der Preisverleihung zum Echo 2010 am vergangenen Wochenende (und: in Berlin!) sprach Udo L. aus HH die denkwürdigen Worte


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Berolinismus - Banner (Definition)

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 Wir sind gern mal einen zwitschern gegangen.“ (Udo Lindenberg über eine inzwischen gefestigte Männerfreundschaft mit Jan Delay, Kind vom Bahnhof Soul, Jahrgang 1972) – „Wir machen das klar“ (Songtitel)

Jupp, Jan Delay ist nun auch als Juror bei Stefan Raabs „Unser Lied für Oslo“ in Erscheinung getreten und menschelt inzwischen stärker als jemals zuvor. Udo Lindenberg sei der Stein seines persönlichen Anstoßes gewesen, überhaupt mit dem Singen anzufangen, sagt Jan Delay über Udo Lindenberg (Jahrgang 1946). Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Neu an der Omnipräsenz von Jan Delay im Fernsehen: Das ist ein ganz, netter, zurückhaltender und etwas schüchterner Mensch. Wer hätte das gedacht?

Was uns allerdings beim Nachdenken über die Bedeutung der Redewendung „einen zwitschern gehen“ auffällt: Die Sprache hat sich insgesamt verändert. Noch vor wenigen Jahren verstand ein Jeder darunter nichts anderes, als einen heben zu gehen, oder wahlweise „einen hinter die Binde kippen“, „ein Leberbrötchen essen“, man redete davon „einen abzubeißen“ oder vertrat schlicht die Absicht, Alkohol zu trinken, und das, „bis der Arzt kommt“. Erst später wurde daraus dann Komasaufen und ein regelrechter Medienhype um pubertierende Saufjünger. Es hat Schüler in der Türkei auf Reisen regelrecht hingerichtet und in Berlin wurde ein Gastwirt verknackt, weil er bis zu 40 Tequila an einen Jugendlichen ausschenkte, der zuerst ins Koma fiel und dann verstarb. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch hierin: Wer sich gern mal „die Kante gibt“, schadet damit noch niemandem, nur sich selbst, in erster Linie. Die im Hausverwalterdeutsch benutzte Redewendung „jemandem die Kante geben“ bedeutet etwas vollkommen anderes. Hierbei kann es sich um einen in Ungnade gefallenen Wohnungseigentümer fallen, dessen Wohnung versteigert werden muss, weil er sich weigert, das Wohngeld zu bezahlen, oder um einen Mieter, der einen Rückstand von mehr als zwei Monatsmieten aufweist. Jemanden nach Balkonien oder Geranien zu schicken, bedeutet dessen Versendung in den Urlaub. Jemanden nach Gardinien zu verschicken, kann die Beantragung eines Haftbefehls bedeuten: Schwedische Gardinen. Man sieht: die Welt in Berlin ist äußerst vielschichtig.

Ein Interessent versucht, eine Wohnung zu besichtigen, die er fest zu kaufen beabsichtigt. Die Verkäuferin, Wohnungseigentümerin, erzählt ihm viel zu viel über ihre Schwierigkeiten mit dem doofen Nachbarn. Er hat das Gefühl, sie redet es ihm regelrecht aus, dass er hier einen Platz an der Sonne erwerben würde. Ehrlichkeit? Oder Dummheit? Vor längerer Zeit hat ihr Ehegatte eine Besichtigung begleitet, der war schlauer: „Ein ganz netter Mann!“, entgegnete er dem Erwerbsinteressenten auf seine Frage, wie die Anderen so seien, die hier wohnen! Hinterher sagt der Interessent über die Ehefrau:

 Vor Frauen mit roten Haaren mit Doppelname muss man sich hüten, auch wenn sie gefärbt sind.“ (O-Ton eines Besichtigungsinteressenten) (vergleiche hierzu: Eltern mit Kindern mit Doppelnamen)

Man sieht: Der Berliner trägt das Herz auf einem verallgemeinernden, aber rechten Flecken namens Direktheit, Unverblümtheit und entschlüsselter Sprache. Man bildet funktionierende Regeln, die die eigenen Erkenntnisse zusammenfassen zu etwas gut Merkbarem. Wenn auch nicht alle Sprüche so treffen wie dieser. Es sind impulsartige Schwadronate voll Verve, Kick und spontaner Entgegnung. Bezogen auf näselnden Singsang von Udo Lindenberg und Jan Delay denkt sich jetzt die Beschriebene eventuell: „Eigentlich bin ich ganz anders.“

Doch diese Zeiten, in denen man gemeinsam einen zwitscherte, sind nun vorbei. Inzwischen kann man via google unbedenklich suchen nach der Bedeutung von „einen zwitschern gegangen„. Und deshalb auch heißt dieser Artikel in der Überschrift „LINKTIPP“. Probiert’s aus! Es ist nicht so ungesund….und man erreicht dabei eine Menge mehr Leute als früher.


Eigentlich bin ich ganz anders – Udo Lindenberg & Jan Delay live (via Youtube)

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