652/2010: Eierkopf Award 01.2010: And the Award goes to …the öffentliche Verwaltung of Berlin!

Eierkopf Award

Eierkopf Award

Überholt:  Zuständig für die verwaltungstechnische Abwicklung des Förderprogramms ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Anträge auf einen Zuschuss können vom 1. September 2009 bis zum 15. Februar 2010 online beim BAFA unter www.pmsf.bafa.de gestellt werden. Das BAFA stellt im Internet unter www.bafa.de auch weitergehende Informationen und Erläuterungen in einem Flyer (pdf) zum Antragsverfahren zur Verfügung. Auch eine Telefon-Hotline (030-3464-65480) wurde eingerichtet.“ (Quelle: berlin.de, hier) – Stichwort: Zuschuss für Nachrüstung, Recherche 11.02.2010 (Achtung, Fristablauf! – 15.02.2010)

(Nach telefonischer Auskunft der obigen Hotline (Anruf 11.02.10) ist dort weder bekannt, dass beispielsweise Berlin sagt, es fördert auch 2010 (wer fördert? wohin muss man sich wenden? Hat Berlin denn aus eigenen Mitteln 2009 bereits gefördert? Fördern Land und Bund? Gibt das doppelt Geld?) den Einbau von Rußpartikelfiltern. Die Bundesbehörde (bafa.de) hat derzeit ein Entscheidungsvakuum und rechnet dortigen Angaben zufolge erst Ende April mit einer Entscheidung 2010 betreffend.

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Die Verleihung von wichtigen Awards gehört zu den emotional spannendsten und betörenden Augenblicken des Lebens. Die Academy of ‚the Eggheads-Awards‘ hat getagt, das Ergebnis steht nun fest und der Laudator -hübsch gekleidet und nett anzusehen- zuppelt am Briefumschlag, der den Preis enthält. Hinterher wird dem Geehrten Gelegenheit gegeben, eine Dankesrede zu halten. Wem der Geehrte für alles dankt, und so weiter. Nach langer Prüfung und genauer Überlegung hat gesichtspunkte.de den Eierkopf Award 01.2010 erstmalig heute verliehen. Verdient gewonnen hat ihn die öffentliche Verwaltung von Berlin für die praktikabel ausgestaltete Umsetzung einer europäischen Richtlinie über den erforderlichen Einbau von Rußpartikelfiltern in Autos mit Dieselmotoren (Feinstaub-Vermeidung), die Schaffung von innerstädtischen Umweltzonen und das gesamte begleitende Antrags- und Genehmigungsszenario.

Begründung der Jury im Detail:

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Umweltzone (Quelle: Wikipedia)

Umweltzone (Quelle: Wikipedia)

Mit der zu begrüßenden Einführung von Umweltzonen in innerstädtischen Ballungsräumen verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, die Emission mit Feinstaub stark zu reduzieren. Die dafür eingeführten verschiedenen Ampel-Plaketten (rot, gelb, grün) sind verständlich gestaltet und tragen zum Outfit gerade älterer Autos (ab Baujahr 2003) positiv bei. Sprichwörtlich werden rote Plaketten zu einem gefühlten Dorn im Auge. Dasselbe gilt seit 01. Januar 2010 auch für eidottergelbe (nomen est omen) Plaketten. Denn: Grün ist die Farbe der Hoffnung, ergo ist in der Umweltzone das zarte Pflänzchen Hoffnung aufgegangen. Falls noch nicht, dann einmal deswegen, weil die Witterung dies derzeit nicht zulässt und zweitens, weil Hoffnung bei vielen Menschen vor allem teils zwar jetzt aufkeimt, aber dann nachweislich erst in der fernen Zukunft liegt. Hoffnung (jetzt) auf bessere Zeiten später, (noch nicht jetzt) beispielsweise.

 I am the eggman, I am the eggman.“ (zu deutsch: Ich bin der Eiermann, Bestandteil von „I am the walrus“ – The Beatles)

Dass die Industrie Lieferschwierigkeiten hat und dass viele Menschen, auch aus finanziellen Gründen, den nachträglichen Einbau von Rußpartikelfiltern soweit als möglich nach hinten geschoben haben, ist bekannt und bedarf keiner besonderen Erwähnung. Erst recht ist die bei Neueinführung kostenintensiver Gesetze und Verordnungen nicht als Gegenargument in Anwendung zu bringen. Gesetze und Verordnungen, insbesondere aber deren Handlanger, haben sich vielmehr nach den Bedürfnissen der Menschen zu richten, die mit ihnen leben müssen. Dass dies in Berlin so ist, begegnet einigen Bedenken insbesondere in der Phase der erstmaligen Einführung. Allerdings hat sich auch hier das Abwarten (never chance a running system – alte EDV-Anwender-Redensart) für die Betroffenen im Wesentlichen gelohnt. Interessant ist hier auch das Preisgefälle zwischen Hersteller-Vertragswerkstätten und freien Werkstätten: Unterschiede von teils über 50% bei Erstausrüstung keine Seltenheit. Zum einen wird bereits bekannt, dass die Umsetzung der Richtlinie viel weniger Effekt bringen wird, als zunächst angenommen. Allerdings war da das System schon in der Welt und es konnte kaum noch erfolgversprechend darauf reagiert werden. Vielerlei ist in den letzten Wochen bekanntgeworden, das der normale Mensch nur als abartig begreift, und nicht als sinnvolles administratives Verwaltungshandeln.

Auszüge:

  • Wer sich den Filter im Dezember/Januar/Februar einbauen ließ/lässt, bekommt erst ab 01.04.2010 den staatlichen Zuschuss und muss daher die gesamte Summe erst einmal vorfinanzieren.
  • Da die Industrie Lieferschwierigkeiten hat, hatte, galt eine Galgenfrist bis 31.01.2010, bis zu der der entsprechende Filter eingebaut sein musste.
  • Wer eine Ausnahmegenehmigung beantragen will, weil der Filter nicht lieferbar ist, darf Gebühren von zwischen 80,- und 100,- €/Monat dafür berappen. Bemerkenswert.
  • Eine Ausnahmegenehmigung indiziert einen Antrag indiziert einen Behördengang. Dafür sind kraft Arbeitsanweisung die Bürgerämter zuständig. Wer sich nun auf den Weg macht, eine derartige Genehmigung zu beantragen, wird sich in nicht wenigen Fällen vollkommen sinnloserweise auf den Weg machen. Solche Anträge nimmt nicht jedes Bürgeramt (was für ein Name) entgegen, sondern nur diejenigen Bürgerämter, die in einer sogenannten Umweltzone liegen. Bingo. Dies macht erstens besonders viel Sinn, weil man dort mit einem unzulässig gewordenen Fahrzeug nicht mehr hinfahren darf, ohne Punkte, Abmahnung und lange Diskussionen zu riskieren. Jeder Bewohner außerhalb der Umweltzonen kennt sich in den Rathäusern anderer Bezirke auch besonders gut aus. So entstehen ganze Bevölkerungsströme irrlichtender AntragBittsteller auf fremden Fluren, angereist mit der bereits in Teilen zusammengebrochenen S-Bahn, die in Berlin die Umweltzone ringförmig im Würgegriff hält. Gut im Trend liegen Busreisen.
  • Wenn der Rußpartikelfilter eingebaut ist, hat es damit aber nicht etwa sein Bewenden. Denn die Plakette, die von den Werkstätten zuvor selbst in Fahrzeuge geklebt wurden, dürfen nach dem Einbau von Partikelfiltern nicht durch die zugelassenen Service-Werkstätten ausgetauscht werden, bspw. von gelb zu grün. Dies würde die öffentliche Verwaltung spürbar zu stark entlasten, geschweige denn den Bürger noch nachträglich bestrafen. Prompt nach dem Einbau bekommt der Fahrzeughalter die Bedienungsanleitung und die Typenzulassung und vor allem die Rechnung zur Bezahlung ausgehändigt. Der frohe Mut des Gewissenhaften wird jedoch schnell durchbrochen, weil sich dann herausstellt, dass der Fahrzeughalter sich noch einmal zur Kraftfahrzeugzulassungsbehörde hinbewegen muss. Warum das, ist schnell erklärt. Es ist eine Änderung im Fahrzeugschein erforderlich, das kostet nochmal zusätzlich. Auch hier ist die Anreise mit dem Auto nicht zu empfehlen, denn nach hiesigen Informationen liegen diese Behörden ebenfalls in der Umweltzone. Hier sind wieder die durch Schlagzeilen bekannten S-Bahn-Verbindungen gefragt oder der große Gelbe (Bus). Die Wartezeiten eingeschlossen, verbringt der Bürger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen halben Arbeitstag auf den Behördengängen, um zu erreichen, dass der eingebaute, ordnungsgemäß arbeitende Rußpartikelfilter tatsächlich auch betrieben werden kann.
  • Dass zwischen Einbau und Gewährung des staatlichen Zuschusses mehr als drei Monate liegen, ist ein dicker Hund. Auch hier wieder extra Behördengang: ausgezahlt wird in bar. Gedacht hat niemand an die Möglichkeit der Abtretung des Zuschusses und die effizientere Direktvergütung über die Werkstatt.
  • Besonders hervorhebenswert: Das Informationsszenario zur Förderung, siehe ganz oben.


Die von Fachleuten befürchteten Nullsummenspiele wegen Einführung der Umweltzonen kann nun ganz klar als erfolgreich nachgewiesen werden. Denn nachdem die Rußpartikelfilter für Dieselkraftfahrzeuge gesetzlich vorgeschrieben sind, weiten sich die Bevölkerungsströme und damit auch das nachweisbare CO2-Mehraufkommen erheblich aus und die Umwelt nimmt schweren Schaden. Da hiervon allerdings ein Ende nach Beantragung eines Antrags auf Erteilung eines Antragsformulars (und dessen Genehmigung) abzusehen ist, kann hinterher nun ohne nachweislich größere Schwierigkeiten der Beweis für die Wirksamkeit der Umweltzonen angetreten werden. Mit Ausgabe und Genehmigungssättigung über alle Bezirke Berlins, auch die Außenbezirke, wird die CO2-Emmission, ergo die Schadstoffbelastung der Innenstadt spürbar zusammenbrechen. Dies war, was die Fachleute aus der öffentlichen Verwaltung damit bezweckt hatten. Soviel Gewitztheit und auch ein gewisser Schalk im Nacken: Kompliment und ein Augenzwinkern.

Die ganz besonders liebenswürdige und gewissenhafte Art und Weise, wie die öffentliche Verwaltung bei der Inszenierung dieser Antrags- und Genehmigungsszenarien auch an alle anderen Beteiligten gedacht hat, rechtfertigt nach Meinung der Jury die Vergabe des begehrten, ganz neuen Eierkopf-Awards. Gedacht wurde an den öffentlichen Dienst, der dadurch was zu tun hat. Polizisten können Autofahrer anhalten, die zwar einen Filter, aber noch keine Plakette haben. Das spült Geld in die Kassen und Punkte aufs Konto in Flensburg. Durch die notwendigen Abwesenheitstage der arbeitenden Autofahrer bei ihrem Arbeitgeber werden zusätzliche Stellen frei, die -zumindest vertretungshalber/vorübergehend- anderweitig besetzt werden können. Eine echte Chance für den fünften Arbeitsmarkt (das ist die entsprechend nummerierte Kolonne…einer ausländischen Großstadt im Osten von Berlin). Durch die Verlegung von bürgernahen Aufgaben (vergleiche Definition Bürgeramt mit Realität) an bürgerferne Stellen entstehen bezirkliche Win-Win-Situationen und durch die Notwendigkeit, nach längeren Bus- und Bahnreisen etwas zu essen oder zu trinken, wird der darbenden Gastronomie eine Belohnung des Himmels geschenkt. Längere An- und Abreisen lassen sich bequem im mehrwertsteuerermäßigten Hotel verschlafen, dafür danken wir der FDP.

Alles in allem ist das Antrags- und Genehmigungsszenario beim Rußpartikelfilter speziell in Berlin preiswürdig und hat daher andere ernsthafte Mitbewerber um den begehrten neuen Preis stimmenmäßig weit abgeschlagen. Wir gratulieren von ganzem Herzen. Bevor der Preisträger noch Platz und Raum bekommt, sich für den zuerkannten Preis zu bedanken, ein Tusch.


Reinhard Mey, Berliner, Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars (via Youtube)

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