Selbstbezichtigung: Die Verwendung von in Eigenregie erstellten Unterlagen hat unterschiedliche Gründe…

Selbstbezichtigung: Du bist Hausverwaltung!

Selbstbezichtigung: Du bist Hausverwaltung!

Das abfotografierte Hinweisschild (laminiert) hängt schon länger im Treppenhaus in Berlin-Pankow. Es ist uns jeweils positiv aufgefallen. Nun wird es berühmt, weil es auf gesichtspunkte.de gerühmt wird und gepriesen.

Selbst wenn es diese Macke der Selbstbezichtigung trägt. Unterschrieben ist es mit „Die Hausverwaltung“. Die Wahrheit ist: es ist nicht von der Hausverwaltung entworfen worden und wurde dann von einem tumben Hausmeister ausgehängt. Wahr ist, dass der kluge Hauswart es selbst angefertigt hat, und so wie es ist, sieht es gut aus und wird sogar von manchen Hausbewohnern befolgt. Auf jeden Fall hat es eine Art permanenten Wiederholungseffekt. Dass Hauswarte richtige Typographie-Künstler sind und ein geschicktes Händchen im Herstellen von lesbaren Mitteilungen an die übrige Belegschaft des Hauses haben, erfreut das eigene Herz und nicht häufig.

Der Hauswartsposten ist nur eine Art Nebenerwerb. Beruflich befasst sich der Hauswart im Hauptberuf mit Grafischem, es nimmt also kaum Wunder, das ihm dieser Aushang gut gelingt. Selbstbezichtigung? Darüber haben wir schon mehrmals berichtet, u.a. hier. Oder auch hier.

Selbstbezichtigung ist die vermeintlich größere Aufmerksamkeit erheischende Unterschrift „die Hausverwaltung“, weil sich der Verfasser entweder in fremden Auftrag wähnt, also ferngesteuert, z.B. aufgrund einer mündlichen Absprache, die am Telefon erfolgt sein kann. Selbstbezichtigung ist aber auch ein vermeintlicher Zugewinn an Autorität, der dem Verfasser dessen Mitteilung in einen unbekannt hohen Adelsrang erhebt, der ihn auszeichnet. Der Verfasser der Mitteilung als Ghostwriter der (untätigen?) Hausverwaltung?

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Ganz anders allerdings liegt der Fall in einem Fall in Berlin-Spandau. Dort erscheint heute ein türkisch klingender Herr namens Sahin (* Name geändert) und fragt den Hauswart, ob er ihm behilflich sein kann? Er habe diese Mieter, die da oben, 2. OG. links (*Lage verändert) im linken Seitenflügel (* Gebäudeteil geändert) auf dem Suchrohr. Die schulden ihm aus einer anderen Straße, wo er eine Wohnung hat, noch Miete. Das hintergründige Telefonat mit dem Eigentümer der Wohnung in Spandau, nachfragend, was das denn jetzt für eine Art Privatdetektiv sei, ist knapp und präzise. Ja, Miete sind die auch hier schuldig geblieben, sagt unser Kunde zu uns. Die machen auf Hartz IV und haben drei Mietquittungen fürs Amt gefälscht. Seine Unterschrift, schlecht nachgemacht, sagt er. Ob er Anzeige erstattet hat? Klar, die HartzIV-Behörde (das Jobcenter) habe ihm das geraten. Die haben auch gesagt, da passiert nichts weiter. Dokumentenfälschung, Fälschung einer Unterschrift. Im besten Fall, sagt er, machen die „du du“ sagt er und zeigt den wippenden Zeigefinger durchs Telefon. Dass mehr passiert, ist kaum zu glauben

Oder ein Rocker, der einer von zwei namhaften Rockerbanden in der Stadt angehört. Er hat in Berlin-Reinickendorf seine Miete schon mehrere Monate nicht gezahlt. Am Telefon ist schließlich eine Hausverwalter-Kollegin. Es kam ihr irgendwie komisch vor, sagt sie, da wollte sie mal nachfragen. Und dann gibt sie uns mit einer verabredeten Emailanlage die Mietschulden-Freiheitsbescheinigung. Die sieht gut aus. Exakt so könnte eine von uns aussehen. Allerdings haben wir nie eine ausgestellt. Für Menschen mit Mietschulden Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen? Das klingt nach Zeugnissen im Arbeitsrecht, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Ein Kollege sagte mal: Stell sie doch einfach aus, dann bist du den Vogel los, weil er eine neue Wohnung bekommt. Wir entgegneten höflich, aber christlich motiviert: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten! Amen.  

Selbstbezichtigung: Du bist Deutschland. Ich bin „die Hausverwaltung“ und „ich habe Miete gezahlt, unterschrieben vom Vermieter“. Die Fälle sind zwar ähnlich gelagert, aber Parallelen zwischen ihnen verbieten  sich. Denn der dritte von drei genannten Fällen ist strafrechtlich relevant. Deutschland oder Hausverwaltung zu sein, das geht gerade noch straffrei durch und dient hehren Ansprüchen gemeinschaftlicher Zielverfolgung. Erst wenn in Deutschland niemand mehr Mietschulden-Freiheitsbestätigungen fälscht oder Mietverträge für Dachgeschosse, und erst wenn die Fahrräder und Kinderwagen in Deutschlands Treppenhäusern nicht mehr als Brandlasten von der Bauaufsicht bezeichnet werden, dann ist Deutschland gut. Vorher nicht. 

Es ist, wie es ist, und es bleibt, wie es wird. Die Sache, die da oben in Berlin-Pankow aushängt, die funktioniert. Und das ist gut so.

Ein Gedanke zu „Selbstbezichtigung: Die Verwendung von in Eigenregie erstellten Unterlagen hat unterschiedliche Gründe…

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