In Berlin-Neukölln soll endlich ganzheitlich gedacht werden – Versammlung

Das Leben der anderen...

Am Freitagabend treffen sich die Wohnungseigentümer einer Anlage aus Berlin-Neukölln in einer Neuköllner Kneipe in der Donaustr.. Die Tagesordnung ist recht umfassend angelegt. Sie wirkt so ein bisschen wie gewollt, aber die Frage ist, ob sie auch gekonnt ist? Das ist sie auf den ersten Blick schon. Denn eine umfassende Agenda zu behandelnder Gesprächspunkte (TOPe) lässt einen bemühten Eindruck der Verwalterin erahnen, umfassend zu verhandeln. Die Sachen, um die es geht, sind im Wesentlichen im TOP 04 (Instandhaltung und Instandsetzung) untergebracht, aber besonders dieser TOP ist sehr lang, er hat viele Unterpunkte. Die kosten alle Geld. So viel Geld wie benötigt wird, ist nicht da. Also ist die Frage, ob man Prioritäten setzen will und wenn ja, welche?

Schon unter TOP 01 (Formalia) müssen eine ganze Reihe von Ausnahmen besprochen werden. Es hat sich was bewegt, mehrere Wohnungseigentümer haben ihre Wohnungen verkauft. Es sind jede Menge neuer Wohnungseigentümer da. Von den insgesamt 47 Wohnungen wurden rund fünf seit der letzten Versammlung verkauft. ‚Zeit, dass sich was dreht‘, könnte man den ‚Kaufrausch‘ neuer Wohnungseigentümer zusammenfassen. Erleichterung für die Alteigentümer, die jetzt in die Jahre gekommen sind. Die Kinder sind flügge geworden, aus den einstmals angeschafften Wohnungen ausgezogen. Sie haben nun keine Verwendung mehr für die Wohnungen.

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Hinsichtlich formeller Fragen wie Teilnahmeberechtigung sind die anwesenden Wohnungseigentümer großzügig und frei von formellen Einengungen. In anderer Hinsicht eher weniger. Aber: Was soll’s, dass die Teilungserklärung der Wohnanlage nur bestimmte Personen berechtigt, an Versammlungen teilzunehmen: Familienangehörige dürfen bevollmächtigt werden, andere Wohnungseigentümer oder die Verwalterin. Ein Erwerber ist daher noch nicht teilnahmeberechtigt. Er steht noch nicht einmal im Grundbuch, ist daher ‚ein Dritter‘. Die Rechtsprechung verlangt nicht das sture Festhalten an solchen Vertretungsbeschränkungen. Sie verlangt, die Anwesenden gleich eingangs der Versammlung zu befragen, ob sie die Nichteinhaltung solcher Regeln ausnahmsweise für den heutigen Abend gestatten möchten? Dann ist dieser Punkt nicht mehr ein solcher, den ein später anfechtender Wohnungseigentümer rügen darf. So sagt es die Rechtsprechung. Und so funktioniert es auch häufig so, dass die Anwesenden diese Frage für zweitrangig halten. Man will einen guten Geist guter Gemeinsamkeit beweisen, und lässt auch solche Nichtberechtigten zur Teilnahme zu.

Herr Röhm (* Name geändert) ist hier ein mächtiger Eigentümer. Er hat zwar nur zwei von 47 Wohnungen, aber die zweite der von ihm erworbenen Wohnungen hat eine Sonderstellung in dieser WEG. Sie gehört damals bis zuletzt dem seinerzeitigen Umwandler. An diese Wohnung, die im Altbau hinten rechts Erdgeschoss liegt, sind so genannte Sondernutzungsrechte über die gesamten Außenflächen des Grundstücks mit Ausnahme der Gehwege angedockt. Grundbuchlich ist vereinbart, dass die gesamten Außenflächen zur Wohnung von Herrn Röhm gehören. Das gibt ihm eine Ausnahmestellung. Er kann auf die Gestaltung der Außenanlagen maßgeblichen Einfluss nehmen. Zudem hat er dort zehn Außenstellplätze auf einer unbefestigten, sandigen Wüstenflora namens Innenhof. Nachdem er die Sondernutzungsrechte übernommen hatte im Wege einer Zwangsversteigerung, fordern nun die übrigen Eigentümer von Herrn Röhm, dass er sich bitte ‚Mühe‘ mit diesen Flächen geben möge. Er solle die unbefestigte, sandige Wüstenflora mit Rasengittersteinen oder ähnlichem befestigen als ebene, pflegliche Außenfläche, die als Parkplätze vermietbar sind. Herr Röhm hat derartiges vor, sagt er, und noch einiges anderes. Was genau, sagt er uns nicht. Weder der Verwalterin, noch den übrigen Eigentümern. Vor kurzem hat sich Herr Röhm Fachfirmen geholt, damit sie ihm Kostenangebote dafür machen. Als das die Verwalterin erfahren hat, hat sie brieflich noch ein weiteres Mal nachgehakt. Was genau nun geplant werde? Es gibt weder Zeichnungen, noch will sich Herr Röhm bspw. vertraglich festlegen. Er darf machen, was er will. Die anderen werden es schon sehen.

Wilhelm R. Frieling, Verleger, Autor, Weblogger

Wilhelm R. Frieling, Verleger, Autor, Weblogger

Im Gespräch sind auch Carports, also überirdische bauliche Anlagen. Für eine Anzahl von auch nur zwei oder mehr Carports auf diesem Hof schreibt die Bauordnung Berlin die Einreichung von Bauanträgen vor. Solche gibt es noch nicht. Die Verwalterin findet, dass Herr Röhm möglicherweise dazu berechtigt ist, Carports zu bauen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zu unterscheiden ist: es gibt öffentlich-rechtliche Vorschriften (BauO Bln) und wir haben hier ja auch noch eine WEG, das sind Menschen, die gefragt werden müssen. Eine Frage der WEG dürfte sein, dass die ‚bauliche Veränderung‚, die damit gegenüber dem jetzigen Status Quo entsteht, seitens der WEG geprüft werden muss und mit einem Beschluss (nach neuem WEG-Recht) genehmigt wird. Das nervt Herrn Röhm.

Mit ihm gemeinsam hat sich Herr Driest (* Name geändert) in den letzten Wochen sehr stark betätigt. Herr Röhm meint, dass sich die Verwalterin  zu viel einmischt in seine eigenen Angelegenheiten. Deshalb haben die beiden sich jetzt zusammengetan, um auf eklatante Missstände bei der gemeinschaftlichen Verwaltung hinzuweisen. Schon 2006 hat er die Verwalterin für eine Vielzahl von Bautätigkeiten der letzten Jahre gescholten und kritisiert. Er regt sich über Stückwerk auf, wenn eine Strangsanierung durchgeführt wird, die im Keller an der Kellerverteilung endet, und wenn von dort (Kellerverteilung) bis hin zum Außenbereich (Hinterhaus, Leitungen zum straßenseitigen Vorderhaus, dies alles erneuern) die Verwalterin ‚piano, piano‘ sagt. Beschlüsse der Wohnungseigentümer betreffen ganz bestimmte, festgelegte Abschnitte, Strecken, es sind angesichts nicht unendlich sprudelnder Geldquellen langfristige Salamitaktiken. Stück für Stück kommt man einem vernünftigen Instandhaltungszustand näher. Herr Röhm hat wenig Verständnis dafür, er findet, es ist dumm, wenn man eine Strangsanierung zunächst nur vertikal (nach oben) durchführt, im Keller aber die Horizontale nicht gleich mit macht. Dies gilt auch für vier Altbaubalkone zum ersten Innenhof, während weitere fünf Altbaubalkone zum zweiten Innenhof (nach ganz hinten raus) nicht mitgemacht würden.

Herr Driest hat sich vor einem Jahr als Verwaltungsbeirat mit Schwerpunkt ‚Technik‘ wählen lassen. Er sagte, die in den zwei Neubauten (Baujahr 1960) vorgelagerten Laubengänge, die würde man oberflächentechnisch anschleifen und dann mit einer rutschfesten Beschichtung versehen. Ein Jahr lang ist nichts passiert. Dann hat die Verwalterin im August Herrn Driest angeschrieben und aktiv gefordert, dass dieses Vorhaben nun wie versprochen mit seiner Hilfe in die Wege geleitet werden müsse. Daraus ist nichts geworden. Etwas ganz verrücktes ist passiert: Herr Driest hat nun plötzlich behauptet, die 1999 (vor zehn Jahren) durchgeführten Arbeiten an der Beschichtung der Laubengänge seien mängelbehaftet ausgeführt worden. Es fehle ein Gefälle und an den Seiten seien diese als Spritzschutz nicht, wie vorgeschrieben, 15 cm hochgeführt worden. Dafür will er jemanden haftbar machen, wen, weiß er noch nicht so genau. Die Verwalterin denkt, das geht in eine vollkommen andere Richtung, sie muss Obacht geben, dass die Beschlüsse der letzten Versammlung umgesetzt würden. Mit einer derartigen Änderung der Bearbeitung ist dieses Ziel nicht zu realisieren.

Bereits dieser offene Dissens führt nun zu ersten brieflichen Auseinandersetzungen, da die Verwalterin dieses grob fehlerhaft findet und das Ziel weiterverfolgen will. Herr Driest fühlt sich pikiert, bloßgestellt ggü. den übrigen Wohnungseigentümern. Die Verwalterin hat nunmehr vorgeschlagen, den alten Verwaltungsbeirat gegen einen neuen, zusammengesetzt aus anderen Wohnungseigentümern zu ersetzen. Und so geschieht es auch. Es sind nun ein leitender Fachbeamter der Senatsverwaltung und ein Architekt aus Westdeutschland neu im Verwaltungsbeirat, für Kontinuität sorgt der Dritte im Bunde, ein Hamburger, der schon seit Jahren im Beirat ist. Das neue Team wird konstruktiver sein, als das alte, was insbesondere den Verwaltungsbeirat Technik betrifft, dessen Ambitionen sich als nicht erfolgreich für eine Strategie erwiesen haben, Probleme zu beseitigen.

Und doch hat Herr Driest Recht. Wenn er nun auch nicht mehr Verwaltungsbeirat, Schwerpunkt Technik, ist. Er fordert die Wohnungseigentümer auf, ganzheitlich zu denken und Korrekturen in der Instandhaltungspraxis zu machen. Das greift die Verwalterin sogleich auf und rügt bei der Diskussion um den Wirtschaftsplan für 2010, dass die eingestellten Mittel von 15.000,- EUR für so eine Wohnanlage verschwindend gering sind. Die Eigentümer erwärmen sich für eine Abänderung auf nunmehr 22.500,- EUR als Zeichen ihres guten Willens, als Schritt in die richtige Richtung.

Die Verwalterin hofft nun inständig, dass der neugewählte Verwaltungsbeirat der Instandsetzungsplanung im Hause eine positive, sachverständigere Wendung gibt. Dass es vorwärts geht und nicht zurückgeschaut wird, auf einen Bauablauf, wie er in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat. Denn ‚unterm Strich zähl ich‘, sagte der Instandhaltungszustand der Anlage, der tatsächlich neue Impulse braucht nach all den Jahren.

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