WEG-Rechtsnovelle: Die Novelle hat mehr Probleme geschaffen, als sie gelöst hat – Eine Kritik

Der Kritiker - MRR

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Dr. Dr. Michael J. Schmid, München, ist Richter am OLG und Richter am Bayerischen ObLG a.D..  In einem Aufsatz (ZRP 6/2009, dort Seite 169 ff.) erschien kürzlich ein kritisierender, vor allem kenntnisreicher Aufsatz, den gesichtspunkte.de hiermit bespricht und parallel veröffentlicht.

Schmid sagt einleitend:

Zitat Die WEG-Novelle hat mehr Probleme geschaffen, als die gelöst hat. Die Überführung vom FGG-Verfahren in das ZPO-Verfahren ist nicht gelungen. Der Gesetzgeber hat Probleme geschaffen, die er nur selbst lösen kann.  … Vieles wurde im Gesetzgebungsverfahren übersehen. … Insbesondere im Prozessrecht zeigen sich Konsequenzen der Neuregelung, die nicht bedacht und so wohl auch nicht gewollt gewesen sind.“

Als regelrecht prozesstreibenden Faktor sieht Schmid die Überlegung wirtschaftlich vernünftig denkender Eigentümer an, einen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Beschluss nur deshalb anzugreifen, um im Falle der Anfechtung durch einen anderen Wohnungseigentümer nicht versehentlich auf der Verliererseite zu stehen. Dadurch würden Prozesslawinen gefördert, weil die Unterlegenen nun nach den Kostenfolgen der ZPO (Zivilprozessordnung) behandelt würden und dem Obsiegenden dessen gerichtliche und außergerichtliche Kosten zu erstatten hätten. Schmid hebt sich hier als Verfechter der älteren Praxis hervor, wonach die Gerichte Entscheidungen nach eigenem Ermessen (§ 47 WEG a.F.) trafen. Allerdings -so meint nun wiederum gesichtspunkte.de– übersieht Schmid hier das Faktum regelmäßigen Querulantentums, das weitverbreitet ist und nicht wenigen Wohnungseigentümergemeinschaften schmerzlich zu benennende Rechtsverfolgungskosten, selbst wenn Prozesse regelmäßig vollkommen aussichtslos waren, aufgebrummt hatten. Diese Meinung kann hier nur zum Teil nachvollzogen werden. Schmid nennt dies den ‚Zwang zur Anfechtung‘, und offenbar aus ‚wirtschaftlichen Erwägungen‘. Lebensfremd, meint demgegenüber gesichtspunkte.de, denn welcher Wohnungseigentümer denkt schon in regelmäßig nur juristisch-kategorischen Bahnen wie diesen?

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Sodann nennt Schmid einen wohl vorgekommenen Einzelfall: Im Extremfall fechten alle Eigentümer einen Beschluss gleichzeitig an. Dann gibt es -in diesem Extremfall- nur noch Kläger und keinen Beklagten. Beispielhaft lt. Schmid Amtsgericht Bingen/Rhein (NZM 2009, 167). Meinungen dazu sagen wohl, dass derartige praktische Auswirkungen nicht hingenommen werden müssten, weil die Mehrheit, die einen derartigen Beschluss gefasst hätte, an seiner Aufhebung nicht mitwirken müsse. Schon wird auch in diesem Beispiel deutlich, dass kaum Raum für die Annahme besteht, dass sich derartiges sozusagen als gefährlicher Regelfall durchsetzt. Es ist (und bleibt) ein Extremfall.

Die Kritik von Schmid wirft die Frage auf, warum der Gesetzgeber nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Beklagte vorgesehen hat?

Wer im Beschlussanfechtungsverfahren obsiegt, hat Probleme, einen Kostenerstattungsanspruch durchzusetzen. Da die WEG (der Verband) am Prozess nicht beteiligt sei, könnte man ihr auch keine Kosten auferlegen, eine Entnahme vom WEG-Konto scheide aus. Gleichwohl werde eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten teilweise bejaht (so u.a. AG Dortmund, NZM 2008, 172; Müller, NZM 2008 Heft 5 und a.a.O.).

Grundsätzlich seien nur die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Was man aber macht, wenn -wie in WEG-Dingen üblich- mehrere Wohnungseigentümer gleich mehrere Rechtsanwälte beauftragen, bleibe offen. Wer entscheidet dann, welcher Rechtsanwalt das Vertrauen sämtlicher (maßgeblich unabwendbarer) Auftraggeber besitzt? Etwa bei mehreren Anfechtungsklagen zum gleichen Beschluss.

Früher galt der Amtsermittlungsgrundsatz des Richters. Er hatte bspw. zu überprüfen, ob ein Beschluss offensichtlich nichtig (§ 330 ZPO) ist. Allerdings würde nun in Folge der ZPO-Einführung die Anfechtungsklage durch Versäumnisurteil abzuweisen sein, wenn der Kläger nicht erschiene. Schmid fragt ketzerisch: ‚Bedeutet dies aber jetzt im Fall eines Versäumnisurteils, dass auch ein gesetz- oder sittenwidriger Beschluss (vergl. § 23 IV WEG) nun plötzlich Bindungswirkung entfaltet?‘

Schmid fasst zusammen:

‚Der Gesetzgeber hat sich ohne zwingenden Grund vom flexiblen WEG-Verfahren abgewandt. Eine Rückkehr hierzu würde viele Probleme lösen.‘

Bei der Regelung der Teilrechtsfähigkeit sei der Gesetzgeber auf halbem Weg stehen geblieben. Dem Gesetzgeber stünde nichts im Wege, über die Rechtsfortbildung des BHG hinaus Regelungen zu treffen, die nachhaltig sind. Bspw. hätte es dem Gesetzgeber freigestanden, so Schmid, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verband als Beklagte im Anfechtungsverfahren festzulegen.

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Schmid führt in dem Aufsatz noch eine Vielzahl weiterer Probleme an, die hier nicht alle vollständig wiedergegeben werden sollen. gesichtspunkte.de findet es aber wichtig, solche wesentlichen Kritikpunkte im strengen Gegenwind einer Vielzahl von unkritischen Lobhudeleien wenigstens teilweise abzubilden. Sie werden der Meinungsfindung dienen und daher auch zu Konsequenzen führen, zu welchen auch immer. Die Wiedergabe dieser Thesen bedeutet übrigens nicht, dass wir sie uns sämtlich zu eigen machen.

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Weiterführender Link

Homepage gotthal.de – Stichwort WEG-Reform

2 Gedanken zu „WEG-Rechtsnovelle: Die Novelle hat mehr Probleme geschaffen, als sie gelöst hat – Eine Kritik

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