3055/15: Positionen: Der öffentliche Dienst ist ein Umstandswauwau

Positionen

Wutgebloggt

leider kann Ihre Anmeldung zur Teilnahme an der Internet-Registerauskunft nicht bearbeitet werden. Bitte übersenden Sie den vollständigen Antrag (Daten des Ansprechpartners) nebst
der handschriftlich unterschriebenen Nutzungsordnung und das SEPA-Lastschriftmandat. Digital unterschriebene Daten können hier leider nicht akzeptiert werden. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. (Absender: Amtsgericht Hamm, „Service“ zum Handelsregister)

Der öffentliche Dienst in Deutschland traut sich nichts. Ihm fehlt der Mut zur Veränderung. Das muss mit dem System allumfassender Sicherheit am Arbeitsplatz zu tun haben. Daraus resultiert ein zu großes Egal, was es kostet.

Egal, ob es nützt.

Egal, ob es anwendbar ist.

Der öffentliche Dienst ist altbacken, ihm fehlt ein angenehmer Hang zur guten, besseren Moderne. Ganz schlimm die Prozeduren der öffentlichen Verwaltung, in denen sich der öffentliche Dienst geriert, das Internet als Dienstleistungsersatz für echte Bürgernähe anzubieten. Hier wird es katastrophal. Wir berichteten beispielsweise über den so genannten Elektronischen Ansprechpartner, ein unbrauchbares, unwirksames Tool zur Aufgabenvereinfachung.

GewA 2 - Gewerbeanmeldung Formular der Verwaltung Berlin

GewA 2 – Gewerbeanmeldung Formular der Verwaltung Berlin

Ich sag Ihnen mal was: Wir sind doch hier bei einem deutschen Gericht. Und es ist, wie es immer ist: Umstände, Umstände, Umstände. Aber Achtung: Das gibt’s nur mit Behörden. Alle anderen müssen rationell, schnell und verfahrenssicherer arbeiten. Brauchen kein EGVP, Trallala, wie Nutzungsordnung. So ein Quatsch. Sie akzeptieren doch auch Fax. Dann ist, was ich Ihnen an die Hand gegeben habe, demgegenüber doppelt bis dreifach rechtssicherer. Vielleicht wissen Sie das ja nicht. Umstände, Umstände, Umstände..das nervt. Bitte entschuldigen Sie: Ich meine Sie ja nicht persönlich. Eventuell lassen Sie das von einem Vorgesetzten entscheiden? Es ist ja nichts Weltbewegendes und ich habe sogar die Akkreditierung über EGVP. Das ist doch voll einfach. (Antwort eines Hitzkopfs an ein deutsches Gericht)

Ein Blick in die denkbare Möglichkeit, sich beim Handelsregister bundesweit registrieren zu lassen, um so leichterdings auf öffentlich einsehbare Register zuzugreifen offenbart erneut die zu große Verständnisferne der elektronischen Verwaltungschaoten.

Der Bruch im Registrierungssystem besteht in der vollkommen absurden Medienbruch-Schnittstelle. Man registriert sich online. Um das abzuschließen, soll man das Medium verlassen, den fertigen Antrag ausdrucken und per Fax oder per Post an das Amtsgericht Hagen schicken. So ein Quatsch.

Für alles haben die öffentlich Bediensteten permanente Ausreden. Sie verweisen gern auf die schwierigen Rechtsgründe, die all das erforderlich machen. Alles gequirlter Quark. Fast jeder in Onlinedingen vernünftig unterwegs bewegliche private Unternehmer kennt viel mehr und viel bessere Möglichkeiten, „Realitätschecks“ zur Prüfung der Echtheit von Anmeldedaten zu unternehmen.

Dahinter bleibt der öffentliche Dienst mit lauter Umstandswauwaus meilenweit zurück. Natürlich erkennen das die schaltenden und waltenden Beamten auch. Jegliches braucht seine Zeit.

Vor kurzem wurde erkannt, dass das System des elektronischen Verwaltungs- und Gerichtspostfachs „suboptimal“ ist. Ein bundesweiter Verordnungsgeber regelte die Teilnahme von Anwälten, Firmen und Behörden und schuf einen softwareseitig gesondert herunterzuladenden Client auf der Basis von Java-Code. Auf die Idee, das wie weltweit üblich in Strukturen wie übliche Emailprogramme zuverlässig einzubinden, kommen sie erst jetzt, im Jahre 125 (bisschen übertrieben) nach Einführung des Internets.

Gut Ding will Weile haben. Am Jahresende wird der EGVP-Mailclient wieder abgeschafft. An seine Stelle treten privatwirtschaftliche Anwendungen.

So ist es mit allem. Wenn der öffentliche Dienst nachdenkt, kommt selten etwas Gescheites dabei heraus. Oder gar etwas Zeitgemäßes. Allerdings wird vorn herum gern schon mal die Brust geschwellt. In Berlin nannte man das jahrelang per Frankaturmaschine „Unternehmen Berlin“.

Man kann auch wirklich nicht böse sein. Die tun ja nichts. #Beamtenwitz.

Dem Bürger wird mit Nutzung solcher Technologien die Sicherheit, sich auf die Verwendbarkeit von derlei System verlassen zu dürfen, komplett genommen. Wer bspw. eine Gewerbeummeldung in Berlin per elektronischen Ansprechpartner macht, muss  damit rechnen, dass eine Beanstandungsmeldung kommt, der Vorgang könne auf elektronische Weise eben doch nicht gänzlich vollzogen werden. Auch hier Medienbrüche: Drucken Sie etwas aus, unterschreiben Sie etwas, schicken Sie es per Post zu.

Beamtenmikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Behörden lassen sich nicht in Verzug setzen. Was für das gesamte deutsche Rechtssystem gilt, ist im Bereich des Ordnungswidrigkeiten- und Bußgeldrechts schlicht unmöglich. Niemand kann sich auf eine richtige Nutzung von EDV-artigen Hilfsmitteln wie diesen berufen. Besonders toll: Wer in Gerichtssachen fristgebundene Schriftsätze und Rechtsmittel einreicht, muss damit rechnen, seiner Rechtsmittel wegen Fristversäumnis verlustig zu gehen, weil die öffentliche Verwaltung ihre wunderbaren Sonderinseln wie EGVP oder Onlineschnittstelle immer als geschlossenes, vollkommen weltfremdes Fremdsystem gestaltet. Auf einen Mahnbescheid vom zentralen Mahngericht Amtsgericht Coburg erhält bspw. der Widersprüchler zeitversetzt solche durchaus überraschenden Auskünfte, Zitat:

Sie haben ein Schriftstück, welches eine Prozesserklärung enthält, über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach versandt. Eine elektronische Einreichungsform ist in Bayern nur für bestimmte Anträge
zulässig. Beim Zentralen Mahngericht Coburg ist das EGVP zur Zeit nur für den elektronischen Datenaustausch (EDA) im Mahnverfahren zugelassen. Ihr Schriftsatz ist nicht für eine elektronische Bearbeitung geeignet.

Nun wissen wir nicht alles, und das perfekt. Die Recherche ergibt tatsächlich folgende leicht erreichbaren Aussagen auf einer Webseite hier wie folgt:

Elektronischer Datenaustausch
Das Amtsgericht Coburg unterstützt den elektronischen Datenaustausch (EDA) in folgenden Formen:
EGVP sowie andere zugelassene Kommunikations- und Übertragungssoftwareprodukte
Online-Datenübertragung TARWEB
online-Mahnantrag
Barcodeantrag

Das Problem, diese Art von grottiger Verwaltung an ihren öffentlich erreichbaren Informationsquellen zu verstehen, besteht nicht darin, dass sie das eindeutig nachlesbar schreiben. Sie werden es aber sicherlich aus ganz einfach erkennbaren Rechtsgründen in irgendeiner weiteren Schachtelseite versteckt haben, diese ätherische, denkbare Aussage, die besagt: „Ja, Du darfst beim AG Coburg EGVP nutzen (Aha!) und nein, nicht für einen Widerspruch im elektronisch gestützten Mahnbescheidsverfahren.“

Vordruckgebundene Anträge (Mahnbescheid, Neuzustellung Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Neuzustellung Vollstreckungsbescheid) können nicht per Fax beantragt werden. – Ja, hallo? Warum denn nicht? Alles Blödsinn.

Immer schön besondere Umstände geltend machen. Rhabarber, Rhabarber….

Und auch hier zeigt sich wieder deutlich: Sie schaffen Konstrukte, die sie nicht annähernd beherrschen. Schuld hat nur der Bossa Nova.

Natürlich wird auch der registrierte und persönlich bekannte Verwender des EGVP-Briefkastens nicht etwa darüber unterrichtet. Das Fristversäumnis hat der ganz allein gegen sich geltend zu lassen. Die öffentliche Verwaltung ist  in vielerlei Hinsicht eine sabbernde Quarktasche ohne Sinn und Verstand.

Und veröffentlicht

Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach
Software zur rechtsicheren Übertragung von Antragsdaten an Gerichte und Behörden; vergleichbar einem E-Mail Programm. Die Übertragung findet dabei vom Absender zum Empfänger durchgehend verschlüsselt statt. Zur Nutzung des EGVP im Mahnverfahren wird eine Signaturkarte mit qualifizierter, digitaler Signatur benötigt. Anstelle des EGVP kann auch eine andere zugelassene Übertragungs- oder Kommunikationssoftware genutzt werden. Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Das ist zwar eine relativ allgemein gehaltene Aussage, für deren Richtigkeit keiner vernünftig einstehen kann. In den dargestellten Feldern, die nur einen kleinen Ausschnitt des öffentlichen Verwaltungswahnsinns darstellen, ist im Grunde auch heute noch die einzige richtige Empfehlung, diese Schwachmatenangebote nicht zu verwenden und rein konventionell -wie früher- zu arbeiten und zu agieren.

Menschen wollen keine Umstände, sondern Verwaltungslösungen, die einfach nur funktionieren. Das Internet dient nicht dazu, auf möglichst viele weitere Seiten zu verweisen, auf denen alles Vorherige aus versteckten Rechtsgründen wieder aufgehoben wird. Sonst entsteht ein rechtliches Vakuum, in dem der Bürger gegen den Staat Grundsatzprozesse der schrecklichsten Art führen müsste. Der Bürger würde sich darauf berufen, dass es auf der autorisierten Seite des Herausgebers so gestanden hat. Und dass  für externe Links einer älteren Regel zufolge ausschließlich andere verantwortlich sind, wie das Landgericht Hamburg gebetsmühlenartig von nahezu allen Internetseiteninhabern dargestellt wird.

Wohl bekomms. Der Begriff Umstandswauwau, der es so gut trifft, ist hier übrigens häufig  verwendet und verschlagwortet worden. Es ist dieser dreckige Köter, der einen permanent anböllt, wenn man einfach, schnell und effizient etwas tun möchte und durch Bedenkenträger, Bremser und zu langsam agierende Menschen an seine Grenzen stößt. Der große Wuff!

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