1790/13: Positionen: Der § 35a EStG wirkt wie ein sinnleerer Vorschriftenfaschismus

Positionen

Austrittserklärung für´s Finanzamt

Austrittserklärung für´s Finanzamt

Talking about Nähkästchen: Nennt man das „Vorschriftenfaschismus?“ Oder „Rigorismus“? Egal, wie man es richtigerweise nennt, es ist ein sich verselbständigender Staatsapparat mit übelsten Auswirkungen auf die Gesamtwettbewerbsfähigkeit der Gesamtnation Deutschland. Und es geht: um nichts…., wie ein paar Beispiele aus der Praxis belegen.

In Zeiten ausufernder Steuervorschriften liegt die Frage von Steuervorteilen im Ermessen des Betrachters. Er wendet die Vorschriften an, um den steuerlichen Nutzen zu ziehen. Eine ganz andere Position wäre es, sich dem Vorschriftenwahn gänzlich zu verweigern. Das geht aber nicht. Wenigstens im Dienstleistungsbereich „Hausverwaltung“ sind wir seit längerem mit der Erfassung „Haushaltsnaher Dienstleistungen“ und „Handwerkerleistungen“ gestraft. Let´s talk about us: Und all die Anderen, die uns als Auftraggeber zu ertragen haben.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 35a EStG. Ursprünglich als „Konjunkturlokomotive“ und zur „Bekämpfung von Schwarzarbeit“ gedacht, wird die jahrelange Anwendung dieser Vorschriften nicht den wirklichen Lebenssachverhalten gerecht, die der Besitz von eigengenutztem Wohnungseigentum in sich trägt. Ein paar Beispiele aus der Praxis belegen, dass die Anwendung dieser Vorschrift bei Lichte betrachtet „vollkommen irre“ ist und in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.

Yin und Yang sind gesichtspunkte

Yin und Yang sind gesichtspunkte

Die Anwendung der Frage, ob etwas nach § 35a EStG steuerlich absetzbar ist oder nicht, ist wie eine wabernde Knetmasse. Die Arbeitsgemeinschaft Heizkostenverteilung sieht sich bereits veranlasst, zu solchen Problemfeldern Rundschreiben herauszugeben, die sich wie ein Yin & Yang gesetzgeberischer Beliebigkeit lesen. Wie wäre denn eigentlich folgendes Steuersparmodell: Steuern massiv runter, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ebenfalls, weniger Verwaltungskosten, weniger Steueraufkommen, mehr Lebensqualität. Halleluja.

Die Fa. Putzteufel Haus- und Grundstücksbetreuung (* Name geändert) führt im April die Glasreinigung gegen Rechnungslegung gesondert durch.  Sie putzt die Glasfenster in drei Aufgängen. Zwei davon gehören zu einem gesonderten Bauteil, das dritte Bauteil ist getrennt abzurechnen. Das ist richtig gedacht so, in Berlin-Wilmersdorf, weil die Errichter dieser Wohnanlage beschlossen, dass die beiden Bauteile ihre Kosten selbst ermitteln und als Untergruppen -getrennt- abrechnen.

Der Rechnungsbetrag beträgt 360,- EUR (gerundet), davon entfallen 171,- EUR auf den einen Bauteil und 189,- EUR auf den anderen Bauteil. Summarisch berichtet die Rechnung, dass in dem Rechnungsbetrag (für drei Aufgänge) Materialkosten von 2,05 EUR (inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer) enthalten sind. Nachgefragt, knallhart.

Wie kann das sein? Die Prokuristin der Firma telefoniert mit uns. Wir kommen in die eine oder andere, weitere Fragestellung. Deutlich wird: Ja, es gibt ganze „Tabellenwerke“ (wie in EXCEL), übersichtlich geschnürt. Sie sagt:

Jaja, es macht schon einen Unterschied, ob wir eine Hausreinigung durchführen oder die Tiefgarage mit Sägespänen ausfegen. Ob wir eine Glasreinigung durchführen oder die (materialkostenintensive) Grundeinpflege eines Natursteinfußbodens verrichten. Für alles gibt es %-Sätze, die auf Erfahrungen basieren. Wir haben viel geredet mit den Hausverwaltern, unseren Kunden, so ist das.

Weil das die Firma wenig bis gar nicht interessieren muss, hat nun der Hausverwalter vorliegend die interessante, weiterführende Aufgabe, 2,05 EUR (siehe oben) auf zwei Bauabschnitte aufzuteilen. Hinzu kommt, dass dieser Ermittlungstatbestand zur Errechnung von zwei extra auszuweisenden Lohnkostenanteilen (nur die sind steuerlich absetzbar) führt. Das bedeutet, dass diese Rechnung über 350,- EUR noch einmal vollkommen neu aufgeteilt werden muss, und das wegen 2,05 EUR (brutto). Ein totaler Unsinn. Wer bezahlt das? Richtig, der Verbraucher: Der Verwaltungskostenanteil (Idee: Den bitte künftig extra ausweisen!) steigt beträchtlich. Ach, falsch: Diese Kröte hat der Grundstücksverwalter geschluckt und gesagt, ich bin ein guter Dienstleister: Wir machen das alles für Euch, liebe Kunden. Was wir dafür extra bekommen? Gar nichts. Vielleicht ist ja das Prinzip geschäftlicher Blödheit, es nicht extra vergüten lassen zu wollen?

Zweites Beispiel:

Die Fa. Brandschutztechnik Amsel (* Name geändert) stellt die Wartung für selbiges Objekt mit einem Betrag von insgesamt 227,- EUR (gerundet) in Rechnung. Erfahrungsgemäß, so berichtet eine weitere Rechnung, sind die Materialkosten schon jetzt Gegenstand einer getrennten, gesonderten Rechnung. Danke, lieber Bundesgesetzgeber, auch dafür.

Vorschriftenwahn beim Otto-Versand Hamburg: Bestell mal als Firma einen USB-Stick auf der Website von otto.de. Der kommt von „olano“. Einen Firmenaccount anlegen: Geht nicht. Privatkundengeschäft. Kein Problem, sagt Otto. Bestell als Privatperson und schick die Rechnung zurück. Kommt dann mit Firmenadresse neu. Das Problem: olano ist „Shop in Shop“ bei Otto gehostet. Nach Einsendung der Rechnung kommt zurück: Das geht nicht, das ist gegen die Allgemeine Geschäftsbedingungen. Und dann, in Textbausteinform: Rhabarber rhabarber rhabarber. Es geht um 60,- EUR für einen USB-Stick und die Frage, wie geht man mit Kunden um? Otto wird diesen Kommentar sicherlich demnächst zurückweisen. Das sei alles sehr golano. Wir warten… und empfehlen bei Gelegenheit auf einem Empfehlungsportal, was wir empfehlen zu empfehlen (darüber und hier bei der Stiftung Warentest ein Feature) – Die obige Firma ist sicherheitshalber nicht verlinkt.

Nein, der Rechnungsbetrag ist auch nicht einfach durch drei (Stück) Rauchwarnanlagen zu teilen, denn jeder Preis ist anders. Die Erstanlage ist teurer (117,81 EUR), die Folgeanlagen billiger (je 54,74 EUR) und schon geht es nicht mehr „durch drei“. Wenigstens ist das jetzt sauber, nachdem es beanstandet und aufgeklärt wurde. Der Irrsinn birgt auch eine zutiefst gerechtigkeitskritische Verteilungsdebatte. Ist es fair und richtig, die Kosten bei Erreichung von „profitablen Vorteilen“ wie diesen für die Folgeanlagen nicht um den Faktor des erreichbaren Preisvorteils hochzurechnen und lastenanteilig zu verteilen? Dem Berichterstatter wird schon wieder schlecht.

Die Brandschutztechnikfirma braucht sechs Wochen, um die bereits am Anfang klar und deutlich herausgestellte Anforderung zu beantworten, die Rechnung liegt unbezahlt herum. Das ist weder gut für die Firma, noch für den Leumund des Kunden, einer Wohnungseigentümergemeinschaft. „Die zahlen unsere Rechnungen nicht.“ Im Grunde ist das unmöglich, das anders zu handhaben, als genauso. Würde man Rechnungen wie diese bei unklarer Gesamtgemengelage einfach bezahlen, aber die Klärung „inhaltlich vertagen“, würde die WEG ihre Jahresabrechnung niemals bekommen. Denn die hier anzuwendende Lebensvorschrift sagt uns: „Irgendwas ist immer“ und weswegen eine Abrechnung nicht mehr fristgerecht herausgehen konnte? Nun ja, jedenfalls nicht, weil Friedrich Merz (CDU) sich erfolgreich durchsetzen konnte, als er vorschlug, die Steuererklärung künftig vom Bierdeckel abhängig zu machen. Merz wurde einfach woanders hingeschoben.

Und dann, viel schlimmer, die Materialkostenrechnung der Fa. Brandschutztechnik. In Rechnung gestellt werden ein paar Hochleistungsakkus mit dem Betrag von 71,- EUR.  Da diese Frage (der separaten Rechnung) von der Fa. Brandschutztechnik gar nicht beantwortet wurde, obwohl sie als Frage gestellt wurde, ergeht nun eine weitere Email, diesmal aus der Buchhaltung der Hausverwaltung. Der Inhalt dieser Email betrifft einen Gegenwert von 71,- EUR und liest sich „komplett irre“, Zitat:

Die Beträge sind der Höhe nach lächerlich und der Bearbeitungsaufwand aufgrund von Nachfragen steht in keinem Verhältnis dazu. Danke, lieber Bundesgesetzgeber. Ihre Antwort beantwortet die Frage der Wartungsleistung (Lohn) eindeutig, ja, danke, gut.

Ihre Antwort beantwortet nicht die bei Ihnen gängige Praxis, Material gesondert abzurechnen, denn da ist die Aufteilung nicht erfolgt. Eventuell ist das auch gar nicht erforderlich, wozu Ihre Angaben aber nicht ausreichen, das zu beurteilen. Haben Sie ein Doppelpack Hochleistungsakkus (wie bei Loriot!) auf Vorrat besorgt und eingebaut, aber in welche Anlage denn? Oder in alle drei? Oder nur in zwei, eins davon im Altbau (getrennt) und eins davon im Neubau (getrennt), während aber das dritte Teil gar nicht behandelt wurde. Verstehen Sie das Problem?

Es ist absolut irre, und hier spielt eine Rolle, dass Sie Rechnungen für Altbau und Neubau getrennt erstellen sollen, weil die Teilungserklärung der Anlage dies so verlangt.

Das Problembewusstsein ist sicherlich geweckt. Oder
wir werden jetzt für irre erklärt. Bleibt aber die
Frage: Wohin mit den Akkus? Ich bitte um schnellen
Zuruf.

An Tagen wie diesen reißt einem schnell mal der Geduldsfaden. Allerdings wird von diesem Blog auch niemandem verraten werden, wie diese Probleme gelöst wurden.  Allein die Folgefragen, die sich aus diesen lächerlichen Geschäftsvorfällen ergeben können, sind mannigfaltig: Sie reichen tatsächlich bis zur Frage, ob ein Steuerstrafverfahren eröffnet werden könnte, wenn übliche Sorgfaltspflichten Steuerpflichtiger wegen Marginalbeträgen vernachlässigt wurden?

Von welcher Seite aus man dies alles auch betrachtet. Da trifft doch der Spruch: Normal ist das nicht.

Doch das ist keine andere Geschichte. Prost Mahlzeit, Bundesgesetzgeber. Nur so kommt man zu nichts. Verzeihung: Dies Thema umfassend zu erschöpfen, bietet das Internet gerade nicht genug Platz. Denn es wäre eine gezielte Problemdiversifikation vonnöten und was, wenn wir das Internet zu voll schreiben? Schließlich findet dann ja vor lauter Texten niemand mehr die wirklichen Probleme. Oder man müsste die Vorschriften einfach töten. Auch so eine Idee.

 

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