1476/12: Vorverwalter: Ich ersticke in Altakten – Aryuvedische Selbstreinigungsversuche #Gut zu wissen #Wissen ist Macht

Es war einmal... (Moderne Märchen)

Schwere Büroarbeit ist zusehends leichter geworden. Was früher mit Muskelkraft bewegt werden musste, lässt sich bei gewissenhafter, guter und modern orientierter Verwaltung per Mausklick suchen. Entscheidend: Mit digitaler Aktenverwaltung werden die Zugriffszeiten auf gesuchte Dokumente zum Teil drastisch verringert. Der Erfolg: Noch im Telefonat mit dem Kunden hat der Bearbeiter alle entscheidungserheblichen Informationen im direkten Zugriff. Fast jeder Anruf kann sofort vollständig abgearbeitet werden. Das war nicht immer so, und woran es lag, davon erzählt dieses Märchen. Und vom Umbruch: Denn oben steht rot „Prognosen“. Das Märchen „Vergangenheit“, die Zukunft „Prognose“. Moderne Märchen tragen alle Gesichtspunkte menschlicher Problembewältigung in sich. Gebrüder Grimm, das war gestern!

…vor lange Zeit in Wohnungseigentümerland, Kinder, da stanzten sich die verwalterisch tätigen Menschen aus grober Pappe vom Baum so genannte Akten. Sie bogen noch kleine Metallteilchen drum und nagelten ein zweistäbiges Gitterkonstrukt hinein, das nannten sie die Heftung. Und dann fingen alle an, froh zu sein, es bedurfte dazu wenig. Einfach machen.

Sie sammelten holzbelastetes Altpapier ein und unterzogen es dem Gilb der Jahre. Damit es richtig gilben bzw. darben konnte, ließen sie es in rauchgeschwängerten Arbeitsbüros unter Neonlicht brüten und prokrastinierten über dem Akteninhalt. Zuweilen zogen sie eins der bunten Sammelsurien aus Regalschränken, klappten sie auf. Um das trocken gewordene, öde Papier umzublättern, kauften sie sich zur Erleichterung kleine orange farbene Kissenschwämmchen in grünen Plastikgehäusen, die sie von Zeit zu Zeit auf der Angestelltentoilette mit Wasser vollsogen. Umblättern leichter gemacht.

posted by mobyshooting.com

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Viel, viel später kam die digitale Revolution.

Onkel Bill Gates aus Amerika ersann ein kryptisches Dateisystem und ordnete die Daten neu. Er war der Gott der Festplatte. Sein Neffe Steve Jobs machte es ihm nach, überholte ihn aber haptisch und optisch bald. Seine Computer waren schöner, besser zu bedienen und entstammten im Grundsatz wie Onkel Bills Rechner einer Garagenwerkstatt der Langhaarigen.

Digitaler Schnitt. Laser.

Jetzt sind die Festplatten so groß, dass die ewig Künftigen immer mehr nette Fotos und Bildchen herstellen können, die sie darauf parken, dass es schon wirtschaftlich erscheint, die in grauer Vorzeit der Fünfziger, Sechziger und Siebziger angesammelten Altakten digital wieder loszuwerden.

Natürlich, liebe Kinder, werdet Ihr jetzt fragen, ob man so alte Akten überhaupt noch braucht? Ja ja, Kinder, da fällt es auch dem Onkel Märchenerzähler auf, dass da sicher noch reiflich drüber nachgedacht werden könnte. Doch das ist eine andere Geschichte, die ich Euch ein andermal erzählen werde.

Und nun, liebe Kinder, kam der Neuverwalter zu dem Vorverwalter und holte alle alten Aktenordner ab. Es waren leicht hundert Stück, für eine Wohnanlage von ungefähr 32 Eigentumswohnungen in Berlin-Charlottenburg, OT Halensee. Ja, die Akten waren noch nicht einmal gewissenhaft abgestaubt worden, von der Putzfrau im Büro der Vorverwalterin. Ihre Patina klassisch, die Stäubchen ein leicht flusend wirkender Belag oben drauf. Sind schmutzig geworden, die Hände, beim Einladen ins Auto.

Und wenn der frische, neugewählte, nachtaktive Neuverwalter nicht gestorben ist, dann sortiert er noch in sechs Monaten die altgewordenen Altakten unterlassener Altverwaltung. Denn eins müsst Ihr wissen, liebe Kinder: Es gab mal Zeiten, da dachte man noch nicht einmal sonderlich nach. Da heftete man die Papiere und Dokumentenstücke einfach immer oben drauf und niemand fragte sich, wie lange diese Praxis wirklich Sinn macht? Drum merket, liebe Kinder: Erfolgreich eine Verwaltung von einem in dieser Hinsicht zu unbelasteten Vorverwalter zu übernehmen, das ist erst mal für mindestens eine „Saure-Gurken-Zeit“, aber auch eine Zeit der innersten Einkehr.

Wir wissen heute auch kaum noch, ob solche Türme von Akten historisch gerechtfertigt sind. Ob sie byzantinisch sind oder eher babylonisch? Insgeheim aber wissen wir: In jedem auch noch so großen, wichtigen Verwalterbüro liegt bei bedenkenloser Geschäftstätigkeit ein Gros an bewältigter Vergangenheit vollkommen nutzlos in viel zu großen Regalabstellflächen. Es gälte allein, Altakten abzusondern, sie aus dem Alltag auszuscheiden, überfällige Unterlagen zu vernichten und unwichtig gewordene Vergangenheit zu archivieren außerhalb der täglichen Bewegungs- und sogar Bewährungsbüroflächen. Niemand kann arbeiten, wenn rechts und links die Vergangenheit einen erdrückt und letztendlich sogar zu erschlagen droht.

Ja, neue Verwalter müssen sich einarbeiten, viel lesen, studieren. Und indem sie jedes noch so unbedeutende Blatt mit persönlichen, frischen Fingerabdrücken benetzen, machen sie sich selbst auch ein Stück weit unsterblich. Sie sind überall in den Akten schon mal gewesen. Schon Onkel Kurt Tucholsky fabulierte darüber und erkannte: Es gibt keinen Neuschnee. Immer war schon einer vor Dir da, und in diesem Fall auf diesem Dokument von 1966, einer Telefonnotiz des verstorbenen Sachbearbeiters Müller aus der Vor-Vor-Vorverwaltung der Vorverwaltung. Er hatte aufgeschrieben: Bei Mieter Maier tropft der Badeofen-Türverschluss.

Siehste, liebe Kinder, das ist auch historisch interessant. Denn den Badeofen gibt es jetzt schon seit 1980 nicht mehr. Aber es ist immer gut zu wissen, dass da dereinst ein schöner Badeofen stand und wenn er auch defekt war, so weiß doch jedes Stück alte Akte bedeutsame, interessante Geschichten des Lebens zu erzählen.

Nun schlaft schön und träumet süß. Ich muss mir jetzt die angestaubten Finger waschen und weitere der inzwischen nur noch 99 Altakten durcharbeiten. Morgen erzähle ich Euch eine andere, bedeutsame Geschichte aus Wohnungseigentümerland. Aber eines schönen Tages, und der liegt jetzt nicht mehr fern: Da werden alle Eigentümer und der neue Verwalter zusammensitzen und diese wichtige Phase des Lebens erinnern: Das waren noch Zeiten, als Altakten einfach nicht aussortiert wurden, um Platz zu machen für einen freien, unvorbelasteten Geist. Und alle werden darüber lachen. Diese Prognose nannten an diesem heiteren Abend alle das „Konzept langfristiger Geschäftsverbindungen“. Niemand bestritt, es war notwendig gewesen, diese Entschlackung, diesen Verjüngungsprozess jetzt zu durchleben und die Essenzen der Vergangenheit zu kennen. Um in Zukunft, …., aber auch das, liebe Kinder, ist eine vollkommen andere Geschichte, die ich euch ein andermal….und nun, macht schnell das Licht aus!

 (EP)

 

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