1243/11: Kommunikation: Es gibt äußerst heitere Telefonspiele für Büromenschen, z.B. gab es das WBK-Spiel!

Wir kennen die Schwarmtheorie von Frank Schätzing, dessen gleichnamiger Roman überaus erfolgreich war. Wir kennen die isländische Flugasche aus der Praxis über ganz Europa und selbst Präsident Obama tut gut daran, vor der Wolke herzufliegen. Rücksicht nehmen auf innere Sachzwänge. Wie ist es aber mit den Kunden, die schlichtweg mal anrufen müssen, um „ihre Geschäfte zu erledigen“? Sie werden ohne Rücksicht auf Gefühlsverluste insgesamt „outgesourct“ in Callcenter, bei denen Mitarbeiter dämliche Antworten auf hundsgescheite Fragen geben. Oder man dreht den Spieß einfach mal um.

Wie hassen wir alle das? Man ruft irgendwo an, um etwas zu klären und dann geht so ein Callcenter ran. „Ja bitte?“ – „Nein danke!“ will man gleich sagen. Man weiß es ja: die großen Unternehmen haben „outgesourct“ und verlagern ihren „Telefonsupport“, in Wirklichkeit ihre Ansprechbarkeit, nach Irland (Hewlett Packard) oder nach „Hamudistan“ (Heinz Erhardt), wie spricht man denn solchen Idiom? Abgebügelt, verlassen und ignoriert werden wir. Erlaubt sind nur noch „mainstream“-Fragen, alles weitere geht an Fachabteilungen bzw. Fachidioten. Die Folge: Du wirst, mit etwas Glück, weiterverbunden. Oder es wird „ein Rückruf notiert“. Und dann rufen sie dich irgendwann später an, während du mit dem Kopf schon wieder ganz woanders bist. „Rückruf bei sich bietender Gesamtunverträglichkeit“.


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Investitionsbank Berlin - Bundesallee 210, Berlin-Wilmersdorf

Investitionsbank Berlin - Bundesallee 210, Berlin-Wilmersdorf

Irgendwann in den frühen Achtzigern schlug „unser System“ aber einmal kongenial zurück. Ausgedacht hatte sich Jürgen das. Wir hatten als privatwirtschaftliche Hausverwaltung mit Schwerpunkt in der Verwaltung von Eigentumswohnungen (Jürgen: „Der Abbau des Menschlichen“) tätig, hatten Wohnungseigentümer am Wickel. Zu dieser Zeit gab es diesen Förderungsausschluss noch nicht, wonach keine Fördermittel aus Berliner Töpfen erhält, wer in Eigentumswohnungen wohnt. Dieser bis heute geltende Grundsatz weicht erst jetzt langsam wieder auf, zugunsten allerdings eines Geschäftsbankmodells, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgesetzt hat. Doch zurück in die Vergangenheit.

Die Investitionsbank Berlin hieß damals noch Wohnungsbau-Kreditanstalt -Kürzel: WBK-, war braun verfenstert rundum und der ehemalige Finanzsenator Klaus Riebschläger (SPD) saß ihr vor. Es war eher eine Wohnungsbauförderungsbehörde, als eine Bank. Die Angestellten wurden nach BAT (Bundesangestelltentarifvertrag) bezahlt und von „Kundennähe“ war noch nicht viel zu spüren. An der Förderung kam gleichwohl niemand vorbei und so handelte, wer mit Wohnungen zu tun hatte, nach den DschungelDschunkengesetzen eines überregulierten Wohnungsmarkts: Friß und stirb, bzw. verreck daran. Oder geh gleich unter! Zuweilen ließ es sich nicht verhinden, dass eine Frage zur Bearbeitungsreife anschwoll und mit der Frage schwoll auch der eigene Kamm.

Es hieß, die Wohnungsbau-Kreditanstalt telefonisch kontakten zu müssen, sei eine irgendwie insgesamte Arbeitswoche lang eine Strafe. Zu hoch die Gefahr, letztlich niemanden zu erreichen. Die besondere Tücke der WBK bestand darin, über die Telefonzentrale anzurufen und sich -zutreffend oder nicht, das erschien einem vollkommen willkürlich- weiterverbinden zu lassen.

Jürgen, Jahrgang 1959, Moabiter, mit Wohnsitz in Spandau, hatte schon von jeher eine äußerst große Abneigung gegen „gewachsene Strukturen“, ihm erschien vieles in dieser zunehmend kompliziert werdenden Welt als Verdikt, gegen das er sich aufzulehnen hätte. Dazu gehörte der Vorstand einer Aktiengesellschaft mit grünen Sichtvermerken, dem er mit Worten aus Goethe´s Werther kündigte und ankündigte, es sei doch einerlei, ob er Erbsen zähle oder Linsen. Für ihn gehörte dazu auch, dass es auf europäischer Rechtsebene eine „Enteneierverordnung“ gäbe und solchen Quatsch. Einen auf diese Weise hyperkritischen, aber geschärften wachen Geist schätzte ich an ihm und lernte von ihm, die Welt durch eine „skurrile, auf Distanz angelegte Brille“ zu betrachten. Jürgen darf auch als Urheber des WBK-Telefonspiels gelten, dass ich heute hiermit öffentlich mache und in Erinnerung rufe: denn man könnte es dem Zeitgeist entsprechend fortschreiben und zu neuer Blüte bringen. Jawoll.

Gute Kommunikation? Telefon

Gute Kommunikation? Telefon

Und dies leckere Spiel ging so:

  • Ein Mitarbeiter der Wohnungsbau-Kreditanstalt ruft in unserem Büro (der Hausverwaltung) an. Blitzschnell weist Jürgen uns ein. Er hat den Anruf entgegen genommen, gefragt, was Herr WBK von uns will? Und ihn dann auf Pausenschleife gesetzt, durchaus etwas länger, um uns alles zu erklären. Wir klopfen uns auf die Schenkel, hohoho, das wird eine Gaudi. Schliesslich unterbricht er die Pausenschleife und sagt zu dem Mitarbeiter der WBK Berlin: „Ja, alles klar, ich habe verstanden, ich verbinde Sie weiter!“ Er verbindet zu Andrea.
  • Andrea nimmt den Mitarbeiter der WBK entgegen und fragt schnippisch: „Ja, was wollen Sie?“ Dann sagt sie „Oh, einen Moment bitte! Ich muss überlegen.“ Der Anrufer erhält erneut die Pausenschleife. Dort wird er wie ein guter Schinken „abgehangen“, wartet. Auf Godot. Nach einer Weile nimmt sie ihn wieder und sagt: „Ja? Was wollen Sie?“ und während er erneut erklärt, was er will, fällt sie ihm ins Wort: „Oh, klar, na klar, ich verstehe, ich muss sie verbinden“.
  • Thomas geht ans Telefon: „Ja, bitte?“ Der Sachbearbeiter sagt, er habe erklärt, was er wolle und ob das jetzt richtig sei? Thomas sagt barsch: „Was wollen Sie?“ und „Ich bin doch nicht meine Kollegin“ und ähnliche Dinge. Pausenschleife. Unterbrechung. „Kleinen Moment, ich muss nachschauen!“ Pausenschleife. Unterbrechung: „Wie heißen Sie nochmal?“, Pausenschleife, Unterbrechung: „Ah, ich hab mich sachkundig gemacht, ich verbinde.“
  • Dagmar geht ran. „Ja bitte?“ Inzwischen ist der Anrufer etwas dünnhäutig geworden. Leicht pikiert wiederholt er sein Anliegen. Und so weiter und so fort. Wobei nun eine Mitarbeiterschleife (von oben nach unten) erneut beginnt. Auf diese Weise ist ein bezaubernder eigener Turnaround von drei bis vier Durchläufern richtig spaßig.

Das vernügliche Spiel kann sich leicht über 30 Minuten oder länger hinziehen und weicht auch den härtesten Sachbearbeiter rasch auf. Hinter all dem steht: „Du drückst uns deine Regeln von Zusammenarbeit, Kommunikation und Miteinander nicht auf, denn wir haben von euch gelernt.“ Wenn Ihr es nicht schafft, uns telefonisch gut zu betreuen, dann zeigen wir euch, wie es ist, wenn ihr auf Sachbearbeiter-Granit beißt.

Merke: Wenn du das nächste Mal bei Vattenfall, der TELEKOM oder anderswo in einem großen Konzern anrufst, überlege einmal, ob du nicht diese Gelegenheit mit einem Treffen guter alter Freunde verbindest und als „heiteres Gesellschaftsspiel“ ausdehnst? Nachdenken läßt sich auch über eine komplette Verteilung des Spiels „Wir melden einen Zählerstand“ in die Waschküche, den Hausanschlussraum und in den Außengartenbereich (Stichwort: Sprengwasserzähler). Der Anlass muss sauber durchdacht sein und dem jeweiligen Spielepartner auf eine Weise aufoktroyiert werden, die dieser mit Sicherheit nicht gleich bemerkt. Denn sonst droht ein vorzeitiger Spieleabbruch. Wichtig dabei: In jedem Callcenter notiert man sich zuallererst den genauen Namen desjenigen, der im Callcenter den Anruf entgegennimmt. Denn sonst kann man später nicht die nachgeschobene schriftliche Beschwerde an das beauftragende Unternehmen absetzen (Focus-Prinzip: Fakten, Fakten, Fakten), um die fristlose Kündigung des vollkommen genervten Callcenter-Mitarbeiters zu erreichen.

Unangefochten spitze, gleichsam als Krönungsmesse zu verstehen, ist das gegebene Rückruf-Versprechen. Nach vorstehenden vier, fünf Turnarounds fragt man den Mitarbeiter der WBK (die hier nur als Synonym gilt und untergegangen ist), ob das jetzt nicht irgendwie unhöflich gewesen wäre? Schliesslich habe man ihm ja nicht helfen können? Ob das Versprechen, ihn zurückzurufen, seinen Unmut besänftigen könne? Er ruft dann vierzehn Tage später garantiert zurück, um sich nach noch nicht eingetroffenen Rückruf zu erkundigen. Und schon hat man eine erneute heitere Spielfolge auf dem Büroschreibtisch. Diesmal ist der Favorit denkbarer Gesprächsthemen mit dem Mitarbeiter das gezielte Bestreiten aller gewesenen Gespräche und das wiederholte Insistieren, die von ihm notierten Mitarbeiter, mit denen er das letzte Mal telefoniert habe, gebe es hier gar nicht und das sei sicher ein Versehen seinerseits. Hach, die Welt ist bunt, man muss ihre Farben nur zu deuten wissen. Grün soll ja die Hoffnung bedeuten: weswegen die Investitionsbank Berlin nun auch komplett in grün verkleidet zu sein scheint.

* *

Positiver Nachsatz: Die Investitionsbank Berlin (früher WBK) hat gerade in diesem Bereich unheimlich viel Arbeit investiert. Heutzutage sitzen bereits in der Telefonzentrale kompetente Sachbearbeiter mit „Sachverstand“, mit der Folge, dass Verständnis, Sachkunde und Professionalität vorherrschen. Es gibt sogar „mint- bzw. türkisfarbene Gummibärchen“ für Besucher. Was übrigens für Kunden einer magentafarben agierenden Menschen- bzw. Unternehmensgruppe noch nicht gilt.

 

Viel Spaß, Freunde, beim heiteren Telefonspiel.

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