1235/11: FotoPodcast: Es ist leichter geworden, in einer WEG eine „Bauliche Veränderung“ zu beantragen!

§ 22 WoEigG - Bauliche Veränderungen

§ 22 WoEigG - Bauliche Veränderungen

Ich liebte ein Mädchen in Griechenland, die die Liebe am schönsten im Kriechen fand. Ich liebte ein Mädchen auf dem Laubengang, die das Liebesspiel schönstens beim Entstauben fand. #Mashup „Ich liebte ein Mädchen“, Insterburg & Co.

Die ganze Sache mit der wunderbaren Welt der Laubengänge diente in einem bestimmten Zeitalter der Architektur den damaligen Vorlieben. Laubengänge, das waren irgendwie billigere Treppenhäuser, nämlich außenliegende Gänge, an denen man entlang lustwandeln sollte, bei Wind und Wetter, Sommer und Sonnenschein. Einige haben sich so Plastikstühle auf den Gang gestellt, andere auch Tischchen. Man kann sich, mit Blick nach hinten in den Garten hinaus, dort aufhalten, Kaffee trinken, oder man raucht eine! Damit die „Dame des Hauses“ sich nicht beschwert, weil in der Wohnung…, das geht gar nicht. Der Laubengang ist ein architektonisches Element der Sechziger Jahre. Vereinzelt findet man auch welche in Siebziger-Jahre-Bauten, aber aktuell baut in unseren Breitengraden niemand mehr Laubengänge. Sie sind irgendwie aus der Mode gekommen. Auf einem Laubengang ist man stark wetterfühlig.

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fliegende Holzkonstruktion am Laubengang, Berlin-Neukölln

fliegende Holzkonstruktion am Laubengang, Berlin-Neukölln

§ 22 WoEigG – Textauszug (Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau)
(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.

(2) Maßnahmen gemäß Absatz 1 Satz 1, die der Modernisierung entsprechend § 559 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, können abweichend von Absatz 1 durch eine Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Die Befugnis im Sinne des Satzes 1 kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(Textauszug, Hervorhebung durch Fettdruck: Die Redaktion)

In Berlin-Neukölln steht das Haus, in dem zur Gartenseite hinaus, also nach hinten, zwei Neubau-Baukörper an Stellen gesetzt wurden, wo früher zwei Altbauten standen. Mit den Mitteln des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (1. Wohnungsbauprogramm) errichtet, nicht sonderlich gut ausgestattet, es sind karge Baukörper, der allgemeinen Nachkriegsarmut geschuldet. Die Wände haben schlechte Wärmedämmwerte und die Architektur ist nicht gerade „pittoresk“. Und dann diese vorgesetzten Laubengänge.

IWF-ex-Direktor Dominique Strauss Kahn geht derzeit auf New York´s Gefängnisinsel vermutlich ähnliche Gänge entlang, ach nein, er durfte ja schon wieder raus: mit elektronischer Fußfessel. Aber so stellt man sich das eben vor: ein IWF-Direktor auf dem Laubengang, und zwar nicht in Berlin-Neukölln. Weswegen unsere Geschichte nicht nach Amerika abdriften darf. Sie spielt in „upper New Cologne“, dem aufstrebenden Berliner-Arbeiterbezirk Neukölln, wo jetzt die Kunstbeflissenen aus Kreuzberg umziehen, während die ehemaligen Anwohner nach Lichtenberg, Hellersdorf und Marzahn wegziehen. „Ist billiger“, sagen die Wegzöglinge, aber in den Satellitenstädten im Wilden Osten darf man abends kaum noch auf die Straße gehen. „Wirste zusammengetreten“ auf irgendeinem S-Bahnhof am Rand der Stadt, aber tröstlich: Die Videokamera filmt die Täter und die schreiben Tage später Schreibebriefe, es tut ihnen leid und sie hätten das nicht gewollt. Ja, was denn dann?

In der Wohnanlage in Berlin-Neukölln sind über vierzig Eigentumswohnungen und der „Bewohnermix“ ist mannigfaltig, multikulturell, auch Griechen dort. Einst pflegte Antonia A. (* Name geändert) die inzwischen 100-jährige Mieterin, die vor Jahren hier verstarb, mit 101 Jahren. Gertrud N. (* Name geändert) verstarb und Antonia A. fand diese Wohnung schön. Die Wohnung war „billig zu schießen“, gerademal 500,- € zahlen Erwerber derzeit in dieser Mikrolage für den unvermieteten, einigermaßen durchschnittlichen m² Eigentumswohnung. Das rechnet sich. Man erreicht, selbst bei Vollfinanzierung, eine nahezu mietähnliche Belastung. Hinzu kommen die Betriebskosten.

Inzwischen haben Antonia A. und ihr Mann, beide Griechen (und das seit Geburt!), zwei nebeneinanderliegende Wohnungen im Eigentum. Die Tochter wollte die Wohnung nicht haben,  also haben sie jetzt einen jungen Mann als Mieter, der ist auch handwerklich begabt. Davor, im Hochparterre, räkelt sich ein Laubengang auf dem Flur und im Winter friert er vor sich hin, während er im Sommer transpiriert. Als ihre andere Tochter kürzlich heiratete, stand ein großes Besuchsprogramm an, es kamen auch Verwandte aus Griechenland angereist. Da entschloss sich der Mann von Antonia A. als künftiger Schwiegervater, es den Angereisten schön zu machen. Er selbst geht gern auf die „Piazza“, so nennt er den Hermannplatz in Neukölln. Auf Nachfrage meinerseits erkärt er, Piazza ist auch ein griechisches Wort. Aha.

Mit ein paar Tischlerleisten entwarf er ein einfaches Holzkonstrukt, schraubte bzw. verspannte es „derzeit wieder abnehmbar“ gegen die Unterseite des oberen Laubengangs und unten auf das Brüstungsgeländer. Dann setzte er ein paar Plexiglasscheiben drauf und hinten, zur Abgangstreppe mit fünf Stufen, baute er eine Tür ein. Das ganze Konstrukt ist luftdurchlässig, die Zirkulation der Luft wird nicht gestört. Aber es gibt einen Kältepuffer. Vorher fragte er bei der Hausverwaltung an: Thomas, wir bekommen eine Menge Hochzeitsgäste, dürfen wir das? Ja, das geht in Ordnung für die Hochzeit. Die Hochzeit ist jetzt etwas länger her, die Gäste sind wieder abgereist. Das Konstrukt steht immer noch. Sie haben es liebgewonnen, es ist irgendwie dufte. Die Verwaltung hat es sich inzwischen angesehen und fotografiert. Jetzt kreisen Unterschriftenlisten: sie fragen bei den weiteren Eigentümern, die hier wohnen, nach, ob sie das Dingsbums einfach dranlassen dürfen?

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Ich liebte ein Mädchen – Ingo Insterburg – mit Dank an Faber Bollonius, User – via Youtube 

Die da wohnen, haben inzwischen alle unterschrieben. Niemand wendet sich dagegen, es dabei zu belassen. Die Verwaltung fragt sich, wie das bei den Übrigen ankommt, bei denen, die außerhalb wohnen? Werden jetzt welche nachzügeln und ebenfalls anfangen, weitere, aber andere Konstrukte zu bauen, vielleicht ähnlich oder -schlimmer- vollkommen anders? Wie wird das aussehen? Darf einer das und andere dürfen es nicht? Oder darf es keiner? Die Antwort ist recht einfach: für sowas liegt die Entscheidungskompetenz nicht bei der Hausverwaltung der Wohnungseigentümer. Der Verwaltungsbeirat der Wohnanlage findet ebenfalls, man könne dies nicht einfach durchgehen lassen, sozusagen „griechische Verhältnisse“, also schwierige Verhältnisse, die nicht von klaren Grundlagen geprägt sind, sondern von einem Hinnehmen, einem orientalisch gelassen bleiben, abwarten, zusehen, anstatt zu entscheiden, den Rückbau zu fordern, die Wiederversetzung in den ursprünglichen Zustand: denn es ist Gemeinschaftseigentum, nicht Alleineigentum. Der richtige Ort für eine Entscheidung darüber, ob die Holzkonstruktion bleiben darf, ist die Wohnungseigentümerversammlung. Sie hat über eine „Bauliche Veränderung“ zu entscheiden.

Entgegen landläufiger Meinung ist der Verwalter in dieser Situation nicht Haus- und Hofherr und sozusagen Gutsherr nach eigenem Gutdünken. Zwar kann er schreiben, er kann auch Fristen setzen und den Rückbau immer wieder brieflich fordern. Eine gerichtliche Verfahrensvollmacht jedoch hat er nicht. Richtig ist vor allem, dass die Wohnungseigentümer selbst den „Besitzstörer“ in Anspruch nehmen können. Dem Verwalter fehlt eine solche, allgemeine und zu weit gehende Verfahrensvollmacht in aller Regel. Und das ist auch gut so. Vorgeschaltet werden muss daher ein Beschluss mit einer konkreten Ermächtigung! Die Versammlung ist zu hören, bevor „mit Kanonen auf Spatzen“ geschossen werden darf.

Seit dem 01.07.2007 ist das Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG) in diesem Punkt abgeändert worden. Mussten vorher 100% aller vorhandenen Eigentümer zustimmen, reicht inzwischen eine qualifizierte Mehrheit aller vorhandenen Wohnungseigentümer aus. Das ist schwierig genug zu erreicehn. Die Nachteilswirkung, die ein solches Konstrukt auf die Bausubstanz oder auf „ästhetische Gesichtspunkte“ wie bspw. die „äußere Ansicht“ des Gebäudes hat, wird von ablehnenden Eigentümern ins Feld geführt werden, mit Sicherheit. Es gibt immer welche, die gegen so ein Konstrukt sind. Sie sind geschützt, es ist alles andere als leicht, eine so stark beschlussfähige Eigentümerversammlung zu veranstalten, dass bspw. 75% aller Eigentümer wirklich da sind, persönlich oder in Vollmacht vertreten. Und selbst wenn 85% vertreten sind, müssen doch 50% aller vorhandenen Eigentumsanteile (es reichen in diesem Beispiel demzufolge 25% ablehnende Stimmen) dies qualifiziert zum Ausdruck bringen: Ja, dieses Konstrukt soll stehenbleiben dürfen. Dies nennt man lediglich nur „die Eingangsvoraussetzung“. Unbenommen bleibt unterliegenden Eigentümern einer Zustimmung, die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer binnen Monatsfrist gerichtlich anzugreifen. In diesem Fall kein schweres Spiel. ErgoKein leichtes Unterfangen.

Die Unterschriftenliste ist rechtlich unbedeutend. Allerdings kann sie wohl ein zutreffendes Stimmungsbild vermitteln. Es bleibt abzuwarten, wie die Versammlung entscheidet. Fest steht aber schon jetzt, dass eine Ablehnung für starke Mißstimmung in der Anlage sorgen würde. Kein Zweifel: Man darf genau so gut auch gegen den Verbleib dieser Konstruktion an dieser Stelle sein. Da beißt die Maus keinen Faden ab!