1217/11: Ausnahmerecht: Das in die Hand nehmen eines Handys mit den Pfoten ist verboten beim Autofahren!

Banner Wald & Wiesenrecht

Was aber, wenn es ein Apple iPhone ist? Also ein Äpfelchen? Das Äpfelchen als „forbidden fruit“ und die Vorschrift heißt: § 23 StVO, § 1: (1a) Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Das gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“

Es ist bekannt, dass der Gesetzgeber reagiert. Auf Entwicklungen. Der Gesetzgeber muss Gesetze erlassen, die den Zustand, wie er gestern war, regeln. Dem steht die Innovation der Technik manchmal im Weg. Beispiel: Smartphones, wie z.B. das iPhone von Apple, ein Verkaufsschlager, mit dem Apple inzwischen den weltweit besten Unternehmenswert generierte. Auch wenn Unternehmensführer Steve Jobs krank ist, sehr ernsthaft krank. Bleibt abzuwarten, ob Apple auch später…., doch das ist eine andere Geschichte. Folgende Geschichte zeitigte jetzt eine Petition an den Deutschen Bundestag mit dem Ziel, diese Vorschrift aufzuheben.

_seitentrenner Flugzeug

Gute Kommunikation? Telefon

Gute Kommunikation? Telefon

Ein Autofahrer fuhr eines Tages vor kurzem mit einem PKW durch die Innenstadt von Berlin. Dabei nahm der ein betriebsbereites Apple-iPhone in die Hand, auf dem diverse Applikationen installiert waren, so u.a. und insbesondere die Navigationssoftware „NAVIGON“. Er nahm das Telefon bereits rund 500 m vor einer roten Ampel in die Hand, um es woanders hinzulegen und fuhr zur Ampelanlage, die auf rot sprang. Dort stoppte er und legte das Smartphone schliesslich woanders hin. Das hatte die Polizei gesehen, die neben ihm gefahren war. Er wurde nun von dem Polizeiwagen scharf geschnitten, aus dem ihm ein Polizeibeamter unmißverständlich zu verstehen gab, er habe unverzüglich rechts heranzufahren. Dieser Aufforderung folgte der Autofahrer und nach einer Kontrolle der Papiere entspann sich eine Anschuldigung, er habe das iPhone in der Hand gehalten. Der PKW-Fahrer entgegnete nun, das sei richtig und was daran zu beanstanden sei?

Die Vorschrift ist am 12.12.2000 in Kraft getreten und technisch kompletter Unsinn (geworden). Die Benutzung von mobilen Navis, iPads, iPods, alles das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Offenbar ist also die Vorschrift in meinem Fall eine „lex iPhone“. Das wird auf Dauer keinen Bestand haben können. #Aus einem Einspruchschreiben an den Polizeipräsidenten

Der Polizeibeamte verwies auf eine mitgebrachte Druckfassung des eingangs genannten Paragraphen und notierte alles. Vier Wochen später bekam der PKW-Fahrer einen Bußgeldbescheid über 90,- € plus Gebühren, summa summarum 113,50 € und einen Eintrag von 1 Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg.
Bereits am Tag nach der „Missetat“ wendete sich der PKW-Fahrer in einer schriftlichen Petition an den Deutschen Bundestag. Nachdem der Bußgeldbescheid nun auch schriftlich vorlag, begründete er seinen Einspruch gegenüber dem Polizeipräsidenten von Berlin sinngemäß wie folgt:

  • Wer einen Apfel aus der Tüte holt, während er Auto fährt, kann dies tun, ihn beiläufig anschauen und dann reinbeißen.
  • Eine zu rauchen, ist ebenfalls drin. Dazu den Zigarrettenanzünder aus der Bordsteckdose zu ziehen und sich vor´s Gesicht zu halten, um die Fluppe anzuzünden, ist nicht verboten.
  • Wer ein mobiles Navigationsgerät (ohne Telefonfunktion) in der Hand hält, ist nicht zu belangen.
  • Wer ein iPad bei der Autofahrt betreibt, kann ebenfalls nicht erfolgreich „verknackt“ werden.
  • Sehr beliebt: iPod hören während der Fahrt! Noch moderner: Autoradio mit USB-Stick, den vom Hals abmachen und reinstecken? Kein Problem.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Es gibt vieles auf der Welt, dass erlaubt ist und mit steigender Tendenz mehr, dass man versucht zu verbieten. Dazu gehört die Unsitte, im Straßenverkehr zu telefonieren, SMS zu schreiben und zu empfangen undsoweiter. Das alles ist zweifelsohne verkehrsgefährdend und ein Verbot ist nicht zu beanstanden, fand der Petent. Zwischen ihm und den Polizisten sei auch unstreitig gewesen, dass er nicht telefoniert habe. Er bot den Polizisten an, im Gesprächsjournal nachzusehen. Diese lehnten das ab und verwiesen darauf, dass sie nicht das Telefonieren, sondern das „in die Hand nehmen“ zu bestrafen trachteten.

 [iframe_youtube video=“oHDwKT564Kk“]
iDriver – iPhone remote controlled car – via Youtube

Zu beachten ist auch in diesem Videobeitrag, der von Studenten der Freien Universtität Berlin stammt: Das Ganze riecht dermaßen nach Rechtswidrigkeit, dass bereits das Betrachten dieses Videos in hohem Maße ordnungswidrigkeitenbewehrt sein könnte. Ein ganz heißes Eisen das! Und möglicherweise ist das vielleicht ein Fall für die gerichtsnotorische Linkhaftung dieses Blogs! 

* * *

Ein Ausflug in die Rechtsprechung trägt mehrere Gesichtspunkte. Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorschrift am 12.12.2000 in Kraft gesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es die heute üblichen Smartphone-Handys noch nicht. Der Gesetzgeber zog dieses daher nicht in Erwägung. Inzwischen gibt es einen Trend zum „mobilen Computing“ und es ist üblich und wird als technische Neuerung aufgefasst, dass die Geräte kleiner, kompakter, mobiler und damit flexibler geworden sind. Während um die Jahrtausendwende der Einbau von Navigationsgeräten noch gang und gäbe und verhältnismässig teuer war, erfüllen diese Aufgabe inzwischen leicht händelbare mobile Geräte mit Kosten schon ab ca. 75,- €/Gerät. Ein Verbot, solche -im übrigen baugleichen- Geräte mit Displays und Tastaturen zu benutzen, gibt es aktuell nicht. Deswegen kann eine Bestrafung nur derjenigen Besitzer eines Smartphones nicht mit überzeugenden Argumenten durchgeführt werden, außer man neigt zu einer staats- bzw. strafverfolgungsgetreuen Doktrin, wonach der Staat die Anwendung seiner Vorschriften schützen müsse, indem er „Vereinfachungskriterien“ für Bestrafungen einführt. Diese liegen dann vor, wenn der Sinn der Vorschrift selbst im Grunde genommen zwischenzeitlich komplett weggerutscht ist in die „rechtliche Unsinnigkeit“.

Die Geräte haben sich weiter entwickelt, als es das Gesetz festzuhalten vermag. In der Rechtsliteratur wird denn auch „uralte Rechtsprechung“ herangezogen und für grundlagenwürdig gehalten, wie z.B. eine Entscheidung aus dem Jahr 1998 des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen: NZV 2003/98). Es verstand unter „Benutzung“ im Sinne der Bestimmung jegliche Nutzung des Mobiltelefones, sei es als Telefon, als Organisator oder auch als Internetzugang. Noch strikter das OLG Hamm in einer weiteren Entscheidung, in der es bereits durch das Schauen auf das Display und Ablesen der Uhrzeit ein tatbestandsmäßiges Benutzen sah (OLG Hamm, NZV 2005/548). Ja, wo sammer denn inzwischen?

Weniger strikt als das Oberlandesgericht Hamm (wie vor) war das Oberlandesgericht Köln. Es entschied (OLG Köln, NZV 2005/247), dass in der bloßen Aufnahme des Mobiltelefons, um es lediglich von einem Ablageort zum anderen zu legen,  nicht als „Benutzung“.

Doch das ist alles Kokolores und wird der heutigen Wirklichkeit dieser schicken, praktischen Helfer nicht (mehr) gerecht. Weg mit dieser blödsinnigen Vorschrift, befand der Mobiltelefonbesitzer und scherzte:

Wenn ich mein Äppelsche in die Hand nehmen, ist das noch lange keine verbotene Frucht. Denn der Apfel stammt vom Baum der Erkenntnis, und was kann ich dafür, wenn der Gesetzgeber davon (noch) nichts versteht. Der Aufruf zur (technischen) Revolution kommt zum Ausdruck in dem Crescendo: „Smartphones für alle“, gebt den Polizisten endlich  iPhones als Dienstgeräte und sie werden es verstehen lernen! Denn erst wenn das letzte Mobiltelefon aus dem Vertrag gelaufen ist und der Gesetzgeber das letzte sinnlose Verbot gekippt hat, werdet Ihr sehen, dass man iPhones nicht messen kann.

Von solchen Haßtiraden weit entfernt, beobachten wir jetzt mit Interesse, wie dieser Vorgang ausgehen mag. Wir haben darum gebeten, laufend unterrichtet zu werden. Denn der Fall ist tatsächlich interessant. Fortsetzung kommt.

 Weblotse

Ein Gedanke zu „1217/11: Ausnahmerecht: Das in die Hand nehmen eines Handys mit den Pfoten ist verboten beim Autofahren!

  1. Pingback: Twitter: Wochen-Zusammenfassung aller Beiträge: 2011-05-15 | gesichtspunkte.de – Hier bloggt der Verwalter…

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.